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Info
Zeit: 25.09.2005
Ort: Düsseldorf
Besucher: ausverkauft
Veranstalter: altstadtherbst kulturfestival düsseldorf
Internet:
http://www.altstadtherbst.de
Allen rechtlichen Blockadeversuchen zum Trotz ist sie nun doch noch beim altstadtherbst-Festival in Düsseldorf über die Bühne der Halle am Wasserturm gegangen: Antonio Vivaldis 1733 in Venedig uraufgeführte Oper Motezuma. Das Werk über das tragische Ende des letzten Atztekenherrschers Montezuma (das ‚n’ fehlt bei Vivaldi) und seinen Gegenspieler, den spanischer Eroberer Hernando (Fernando) Cortez, galt bis zu seiner fragmentarischen Wiederentdeckung im Archiv der Berliner Singakademie als verschollen.
Über die Aufführungsrechte dieses sensationellen Fundes gab es einen reichlich überflüssigen Rechtsstreit (MAS berichtete), der schließlich zugunsten des Düsseldorfer Projekts entschieden wurde. In Kooperation mit dem Barockopernfestival im italienischen Barga wurde das Werk in eine spielfähige Form gebracht. Der Verlust erheblicher Teile des 1. und 3. Aktes - nur der 2. ist vollständig überliefert - haben den Regisseur Uwe Schmitz-Gieldorf und sein Team dazu ermutigt, die Akzente etwas gegen die klassischen Regeln der Opera Seria zu setzten: Fernando erscheint nicht als strahlender Bezwinger des heidnischen Barbarenkönigs Montezuma, sondern als absoluter Machtmensch, der den zunehmend isolierten und entmachteten Atztekenfürsten in die Enge treibt, bis dieser sich in seinen Untergang ergibt. Da das fiktive obligatorische Happy End des Originals, die Heirat zwischen dem Eroberersohn Ramiro und der Montezuma-Tochter Teutile, nicht erhalten ist, bricht die Oper am dunkelsten Punkt der Handlung ab: Teutile, von Ramiro verstoßen, will sich den Göttern opfern, Mitrena, die Frau des Montezuma, verfällt dem Wahnsinn, Montezuma selbst schickt sich in sein unausweichliches Ende. Das Werk endet jetzt mit einer nachträglich eingeschobenen düsteren Sinfonia.
Bei der Inszenierung setzte Uwe Schmitz-Gielsdorf auf eine spartanische Ausstattung der Bühne und eine auf das Minimum reduzierte Personenregie. Dabei erwies sich der künstlich eingeengte Bühnenraum als deutlich zu schmal für die große Geste, nach der die Barockoper verlangt.
Dieses modernistisch, sparsame Konzept, dem man wohl auch die Andeutung der Zeitlosigkeit des Dramas entnehmen mochte, fand seine Ergänzung im Einsatz kurzer Videosequenzen. Hier begnügte sich der dafür verantwortliche Paolo Atzori indes mit recht plakativen Andeutungen und Illustrationen, die dem Stück nichts wesentliches hinzuzufügen vermochten.
Musikalisch ist das Werk, soweit man das anhand der erhaltenen 12 Arien beurteilen kann, wohl nicht die stärkste Oper des Komponisten. Bis auf ein außergewöhnlich expressives Terzett und ein, zwei langsame Arien dominiert ein sattsam bekannter, dabei häufig hochvirtuoser Ton. Dass es bei dem gleichmäßig flotten Tempo nicht zum Leerlauf kommt, dafür sorgten bei der besuchten Aufführung am 24. September vor allem das Orchester unter der inspirierten Leitung des Vivaldi-Forschers Federico Maria Sardelli. Dieser verstand es, mit der kleinen, aber sehr kraftvoll aufspielenden Formation aus der Partitur ein Maximum an Farben und Texturen herauszuholen und Vivaldis Virtuosität und seine Instrumentationseffekte stets zur Differenzierung des Ausdrucks zu nutzen. Schon die Ouvertüre (entlehnt aus Vivaldis „Bajazet“) ließ die Kontraste - kernige, ja harsche Fortissimo-Klänge hier, samtweiche Pianissimi dort, aufeinanderprallen. Konturenschaf und, abgesehen von kleineren Intonationstrübungen, brillant klang auch die Begleitung der Arien und Rezitative.
Leider war die Leistung auf der Sänger/innenseite nicht ebenso charismatisch. Tobias Scharfenberger blieb in der Titelrolle etwas blass, während Jörg Waschinski als Fernando (Cortez) erst im 2. Teil zu einem ebenmäßigeren, auch in den Koloraturen stabilen Ton fand. Gleiches gilt für Angélique Nodus als Mitrena: Ihre erste, hochanspruchsvolle Arie mit irrwitzigen Koloraturketten gewann nicht die erforderliche amazonenhafte Durchschlagskraft. Die dramatische Wahnsinnsszene und eher dramatische 2. Arie überzeugten hier mehr. Bei den Damen ragten Elisabeth Scholl (Asprano) und Silvia Vajente (Teutile) heraus. Ihre jugendlich-frischen Stimmen verbanden sie mit einer Expressivität, die sich nicht allein auf dynamische Spitzentöne am Ende der Arien beschränkte. Mehr als ihren Kollegen gelang es ihnen damit, den Ziergesang in klingende Affekte zu verwandeln, die auch den Zuhörer ergriffen.
© Fotos der Aufführung: altstadtherbst kulturfestival düsseldorf
Georg Henkel & Sven Kerkhoff
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