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Titel: Das schillernde Leben des Nikel Pallat von Ton Steine Scherben bis Adele
Verlag: Hannibal
ISBN: 978-3-85445-752-7
Preis: € 20
240 Seiten
Die stärkste Pointe dieses Buches ist bereits gestorben bevor irgendjemand beginnt es zu lesen. Denn wer würde eine Nikel Pallat-Biographie lesen, ohne zu wissen, dass es sich dabei um den langjährigen Manager von Ton Steine Scherben handelt.
Seine Berufsbiographie begann aber nicht in der schillernden Welt der links-alternativen Musikszene. Lange bevor er bei den Scherben eine neue Rolle einnahm, hatte Pallat sich beim Finanzamt in Göttingen ganz prosaisch zum Steuerinspektor ausbilden lassen. Obwohl er eine linke Sozialisation hatte, beendete er diese Karriere nicht aus politischen Gründen, sondern um dem Ersatzdienst zu entgehen, der in West-Berlin nicht griff. Hier arbeitete er erst einmal für einen Steuerberater, der seine Erfahrungen im Finanzamt schätzte.
Auch dieses Mal wechselte er nicht aus ideologischen Gründen. Er hatte die Scherben gehört und selbst Ideen, die zu der Band gepasst hätten. So nahm er den Kontakt auf.
Von den Texten waren die Scherben nicht umgehauen, obwohl Pellat in der Zukunft einige Texte nicht nur beisteuern, sondern sogar singen sollte. Seine Erfahrung mit den Finanzen war es, die ihn für die Band wertvoll machte. So wurde er der Manager der Truppe, der anders als bei den meisten Bands nicht Gegenüber oder Vertragspartner, sondern Teil der Band wurde.
Die Scherben waren wohl der prägendste, aber nicht der letzte Teil der Biographie von Nikel Pallat.
Die finanzielle Basis der Scherben war nicht allein die Tatsache, dass sich ihre Scheiben recht gut verkauf(t)en. Die kommunitär arbeitende Band behielt vom Songwriting über die Aufnahme, das Artwork, das Verpacken der Alben bis hin zum Marketing und Vertrieb alles in einer Hand. So gehörte auch das um den Küchentisch sitzen, Album-Cover falten und die LPs eintüten genauso zum Band-Alltag, wie Pallats Rundreise zu den (unabhängigen) örtlichen Plattenläden, wenn die Band irgendwo einen Auftritt hatte.
Bei aller DIY-Attitüde musste das Ganze irgendwann professionalisiert werden. Aber auch hier griff das Motto „Selbst ist der Mann“. (Von mitgestaltenden Frauen ist im Buch kaum die Rede.) Aus dem noch recht lockeren Schneeball-Vertrieb, einem Zusammenschluss einiger Bands, die alle ohne Plattenfirmen und Vertrieb auskommen wollten, wurde die EFA (kurz für: Energie für alle), sozusagen die Mutter des Independent-Sektors in Deutschland. Sowohl bei Schneeball als auch bei EFA war Pallat die zentrale und treibende Gestalt.
Nachdem Pallat sich bei der EFA zurückgezogen hatte, gründete er seinen eigenen Independent-Vertrieb Indigo, der bis heute aktiv ist und unter anderem die ersten Alben von Adele vertrieben hat.
Das schillernde Leben des Nikel Pallat lässt am Leben eines mehr als ungewöhnlichen Menschen teilhaben. Darstellungen von schillernden Persönlichkeiten in einem eher soliden trockenem Umfeld gibt es zuhauf. Nikel Pallt aber erscheint trotz Ziegenbart wie ein geduldiger verantwortungsbewusster Verwaltungsbeamter in einem menschlichen Zoo. Eigentlich müßte das Coverbild des Buches von der Farbgebung her genau anders herum gestaltet sein.
Pallat erzählt das Ganze mit professioneller Hilfe von Christof Dörr. Die 47 Kapitel werden von 12 Intermezzi unterbrochen, in denen Wegbegleiter, u.a. von Slime und den Fehlfarben, Ergänzungen zu Protokoll geben. Auch Claudia Roth, die nach Pallat und vor ihrer Politik-Karriere bei den Grünen, Managerin der Scherben war, kommt hier zu Wort.
Spannender und lebendiger als viele (Auto)-Biographien!
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