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Am Wochenende vom 25. bis 27. September steht in meinem Kalender von 1998 der Vermerk „Joh. Orden“. Anlass auf eine nicht uninteressante Phase in meinem Leben und eine scheinbar etwas aus der Zeit gefallene Organisation zu blicken.
Nach einigen rechtsradikalen Vorfällen in Bundeswehr-Kasernen begann meine Frau ein Bildungsangebot für junge Soldaten zu konzipieren und suchte dazu u.a. Kontakt zu dem damaligen ev. Militärbischof. Als der Herr, der diesen Kontakt herstellen sollte, den Namen meiner Frau hörte und erfuhr, dass sie verheiratet ist, war sie plötzlich völlig uninteressant geworden und er begann seine Hände nach mir auszustrecken. So kam ich in den Kontakt zum Johanniter-Orden.
Der 1099 in Jerusalem gegründete Ritterorden ist bis heute aktiv. Über hunderte von Jahren gab es klare Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft. Mann (bewusst mit Doppel-N geschrieben.) musste adlig und Mitglied einer christlichen, später evangelischen Kirche sein. Der Adelsvorbehalt wurde 1948 aufgehoben. (Teilnehmerlisten z.B. von so genannten Rittertagen lesen sich dennoch auch heute zum Teil noch wie ein Berliner Straßenverzeichnis.) Frauen können heute in den dem Orden angeschlossenen so genannten Johanniter-Hilfsgemeinschaften auch führende Positionen einnehmen. 1538 schloss sich der Brandenburger Zweig des Ordens der Reformation an. Er behielt den Namen Johanniterorden, während sich der Mutterorden, der seinen Sitz gerade auf die Insel Malta verlegt hatte, seither Malteserorden nennt.
Anlass der Gründung des Ordens waren die Erlebnisse einiger Ritter, die am ersten Kreuzzug teilgenommen hatten. Als Jerusalem 1099 erobert worden war und sich im so genannten Heiligen Land ein christliches Königreich etablieren konnte, übernahmen die Ritter ein dem heiligen Johannes gewidmetes Krankenhaus in Jerusalem, in dem sie fortan Kranke und Verletzte pflegten. Dieses Krankenhaus zeichnete sich durch einen sehr modernen Ansatz aus, u.a. dadurch, dass jeder Kranke ein eigenes Bett hatte. Das war zuvor nicht üblich und es war alles andere als selten, dass Kranke im Krankenhaus eher kränker, denn geheilt wurden. Gegessen wurde von Silbertellern, die hygienischer zu reinigen waren als Tongeschirr. Die Ritter legten darüber hinaus großen Wert darauf, dass Juden, Christen und Muslime unterschiedslos und gleich behandelt wurden. Vor allem aber verpflichtete sich jeder Ritter mit seinem Ordensgelübde dazu pro Jahr eine bestimmte Zeit direkt den Dienst am Krankenbett zu übernehmen.
Im Prinzip ist das immer noch so. Allerdings dürfen heute natürlich nur gründlich ausgebildete Mediziner die Krankenpflege übernehmen. Dazu wurden Johanniter-Krankenhäuser und die Johanniter Unfallhilfe gegründet. Aber Ritter, die ihren Eid ernst nehmen, legen Wert darauf selbst aktiv tätig zu werden. Ich habe einen Ritter kennen gelernt, der beruflich als Europa-Vertriebsleiter eines internationalen Baukran-Herstellers tätig war. Einmal im Monat tat er Dienst in einem Pflegeheim des Ordens, besuchte Menschen, die selten oder gar keinen Besuch bekamen, sprach mit ihnen und hielt eine Andacht in der Kapelle des Heims. In Potsdam organisierte der Orden in der Nikolai-Kirche regelmäßig Benefiz-Konzerte.
Einfach beitreten kann man dem Orden nicht. Der Orden handelt nach der Devise „Don’t call us. We call you.“ Ordensritter sprechen Männer an, die ihnen für den Orden geeignet erscheinen. Das können Kollegen, Geschäftspartner oder Nachbarn sein. Sie werden eingeladen als Gäste an den Treffen einer Subkommende, quasi dem Ortsverein des Ordens, teilzunehmen. Dort wird Organisatorisches besprochen und Ordensritter (oder Gäste) halten Vorträge zu den unterschiedlichsten Themen. Gegebenenfalls werden Gäste dann eingeladen an einer Art „Konfirmandenunterricht für Ordensritter“ teilzunehmen. Das eingangs erwähnte Wochenende war Teil dieses „Konfirmandenunterrichts“.
Der Orden schafft sich durch dieses Vorgehen einen klaren Filter. Neue Mitglieder werden nur in bestimmten gesellschaftlichen Schichten gewonnen. Irgendwann wird ein Novize möglicherweise gefragt, ob er dem Orden (auf Lebenszeit) beitreten will. Er muss dann zwei Ritter als Leumunds-Zeugen gewinnen und seinen Wunsch begründen.
Es folgt eine geheime Abstimmung in der Subkommende. Nur wenn alle Teilnehmer der Subkommende zustimmen, kann der Kandidat aufgenommen werden. Niemand muss begründen, warum er die Aufnahme ablehnt. Damit ist der Novize aber noch nicht aufgenommen. Die Ordensregierung muss noch zustimmen. Auch hier muss die Zustimmung einstimmig ohne Begründung erfolgen – von Rittern, die den Bewerber persönlich überhaupt nicht kennen.
Ich bin an dieser letzten Hürde gescheitert. Ob ich als „Ritter“ glücklich geworden wäre, weiß ich nicht. Die Erfahrung in dieser „Parallelwelt“ möchte ich aber nicht missen.
Kurz vor dem Wochenende bei den Johannitern flatterten mir die Single „Barfuss…“ und das Album Do the Pidgin Style! von den Ruffians ins Haus. Wahrscheinlich war sie mir zugeschickt worden, damit ich die Single bespreche. Denn als ich mich erst mehrere Wochen später daran machte einen Artikel zur Ankündigung eines Ruffians-Konzertes zu schreiben, zeigte sich Bassist Stefan Pahlke leicht angesäuert.
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