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Gedanken zu den 70ern – ein persönlicher Nachruf auf Jane Birkin (14.12.1946 – 16.06.2023)

Maria von Fransecky verbrachte mehrere Jahre im Klosterinternat, studierte dann Erziehungswissenschaften und arbeitete u.a. als Jugendbildungsreferentin und Kirchenpädagogin in Berlin. 1991 erschien im Verlag Atelier im Bauerhaus der Gedichtband Verbogene Botschaften.

Die Nachricht vom Tode Jane Birkins brachte Erinnerungen an die 70er Jahre zu Tage, die sie mit den Lesern und Leserinnen der MAS teilen möchte.


Am 16. Juli 2023 ist die britisch-französische Schauspielerin und Sängerin Jane Birkin im Alter von 76 Jahren in Paris gestorben. Weltberühmt wurde das von ihr und Serge Gainsbourg gesungene Duett „Je t’aime… moi non plus“. Es überraschte mich selbst, wie tief mich ihr Tod berührte.

Mir fiel die etwas bizarre Geschichte von meiner Mitschülerin Maria G. ein, die in das Klosterinternat heimlich die verbotene Single mitbrachte und sie einer kleinen ausgewählten Gruppe vorspielte. Ich gehörte dazu. Wir waren 15 oder 16 Jahre alt. Das Hören des Skandalsongs hatte der Vatikan verboten. Niemand durfte von unserer Heimlichkeit wissen. Absolut niemand.


Wir lauschten uns in die gesungene Glückseligkeit hinein. In die Bejahung des Körperlichen, des Beischlafs (der uns nur eine vage Vorstellung war) und einer zärtlichen Befreiung unseres Frauseins.

Ich glaube, das war damals eine poetische Zeit. Man befand sich in einer Art Schwebezustand von Sehnsucht, Aufbruch, Mut und Neugier. Man bewegte sich mental im Neuen wie in frischem Wasser. Vielleicht war man eher eine Art Fisch - flink und verspielt. Natürlich naiv und politisch links. Es war ein kurzes Zeitfenster nach der Studentenrevolte, die ihre eigene Enge erzeugt hatte. Ein Zeitfenster des Träumens.

Manchmal scheint es mir, als sei die Wirtschaftswunderzeit der BRD mit dem Barock vergleichbar. Dann folgte die Aufklärung (durch die Studierenden und ihren Protest) und dann die Romantik der Künstler und Pädagogen (mit ihrer Poesie).

Ich würde Jane Birkin und Serge Gainsbourg zu den Romantikern der 70er rechnen, die dem Rhythmus von Körperlichkeit und Sexualität ihre Töne schenkten.

Ihre Sehnsucht nacheinander übersteigt das Singen und Stöhnen. Die Franzosen haben das sofort verstanden. Das war anders als Jean-Paul Sartres Die Hölle, das sind die anderen. Eine zarte Engländerin behauptete zärtlich „Glück, das ist Hingabe an einen anderen". Das haben sie ihr geglaubt.

Jetzt sind die beiden herausragenden Künstler*innen fort aus der sichtbaren Welt. Ihre Gräber in Paris werden Menschen aus aller Welt anziehen.



Das Zeitfenster der frühen 1970er Jahre hat immer weniger Zeitzeugen. Es gibt kaum ein Narrativ, der den Zeitgeist auch nur annährend vermitteln könnte.

Mich hat der Duft der 70er in diesem Sommer noch einmal erreicht.

Danke, Jane B.

Maria von Fransecky


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