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Zeit: 01.06.2023
Ort: Nürnberg - Hirsch
2015 habe ich Walter Trout das erste Mal live gesehen, der Auftritt war stark. Es war die erste Tour nach seiner Lebertransplantation. Er musste sich das Gitarrespielen mit viel Übung erst mühsam wieder beibringen. Heute ist er mit dem Album „Ride“ auf Tour, das 2022 veröffentlicht wurde.
Im Hirsch angekommen bietet sich ein gewohntes Bild. Der Biergarten ist voll, die Sonne scheint, Bluesrockfans fachsimpeln und unterhalten sich, die Pizzabude ist geöffnet – ich bin wieder in meinem „Wohnzimmer“ angekommen. Eine Vorband gibt es nicht. Im gut gefüllten Saal beginnen Walter Trout und seine runderneuerte Band um kurz nach 20 Uhr. Trout wird wie ein verlorener Sohn vom Publikum empfangen und lässt sich nicht lange bitten. „Do you wanna hear some Blues? Do you want some Rock’n’Roll?“ brüllt er mit seiner Reibeisenstimme, und die Antwort heißt ja.
Der mittlerweile 72-jährige hat eine bunte Schar illustrer Musiker um sich geschart, von denen mir keiner bekannt ist. Bei den rockigen Sachen unterstützt ihn ein zweiter Gitarrist. Sein Organist hat einen Cowboyhut auf, eine riesige Sonnenbrille, lange Haare und einen langen Zottelbart. Der Schlagzeuger könnte glatt dessen Bruder sein – auch bei ihm sieht man außer der Sonnenbrille und den Haaren nichts von seinem Gesicht.
Trout – diesmal mit Hut – steht mit seiner Fender Stratocaster auf der Bühnenmitte. Er ist der Dreh- und Angelpunkt der Show und nimmt viel Kontakt zum Publikum auf. Häufig erzählt er Storys über die Entstehung von diversen Songs. „Say Goodbye To The Blues“ entstand nach einem langen Gespräch mit der Blueslegende B.B. King, das er als Jugendlicher zusammen mit ihm geführt hat. B.B. King hat ihn seinerzeit gefragt, was er einmal werden will. Und er meinte darauf nur: Blues-Musiker. B.B. King nahm ihn zur Seite und erzählte ihm ein paar Dinge aus seinem Leben, die Trout tief beeindruckt haben. Nach diesem Gespräch war für ihn klar, wohin die Reise gehen sollte. „Ghosts“ handelt von seinem Elternhaus, in dem es für ihn nicht immer einfach war. Er berichtet über Gewalt, die er dort zur Genüge erfahren hat.
Soundmäßig passt an diesem Abend alles hervorragend. Das Keyboard tönt angenehm von rechts, der Bass ist klar hörbar und Trouts Gitarre röhrt amtlich von vorne. Man kann die Ohrenstöpsel rausnehmen und es klingt perfekt. Es geht auch ohne die absolute „Dröhnung“! Trout zelebriert den Blues und genießt jeden einzelnen Moment. Seinem Instrument entlockt er dabei die seltsamsten Töne und klatscht Soli raus, von denen andere Gitarristen nur träumen können.
Trout freut sich, wieder auf Tour zu sein. „For me it’s important to be on stage anyway!“ Er berichtet von der Zeit seiner schweren Erkrankung und ruft zur Organspende auf – eine Tatsache, die ihm offensichtlich das Leben gerettet hat. Daraufhin klingt das rockige „Playin‘ Hideaway“, das vom „Battle Scars“-Album stammt. Hier wird der einzige Mitsing-Part eingebaut, der leider nicht so funktioniert wie gewünscht. Überhaupt bin ich vom Nürnberger Publikum etwas enttäuscht. Woran es liegt, weiß ich nicht – im Hirsch ist normalerweise immer viel bessere Stimmung.
Musikalisch wird einem die reinste Bluesrock-Schmankerlküche geboten. Mal ruhig und besinnlich, einige Balladen sind dabei und dann wieder geht es gewaltig und mit viel Fahrt nach vorne. Trout lässt sich zwischen den Stücken etwas Zeit und erzählt gerne, wobei er sich selbst auf die Schippe nimmt. Ihm ist sehr heiß und er schwitzt. Dabei bemerkt er, dass er in seinem Leben die besten Sachen immer dann erlebt hat, wenn er ordentlich geschwitzt hat… Auch hier hat er die Lacher auf seiner Seite.
Einen meiner momentanen Favoriten, „Red Sun“, nutzt Trout zur Vorstellung seiner Band. Die Truppe passt hervorragend zusammen und hat eine Menge Spaß auf der Bühne. Jeder Musiker bekommt hier einen kleinen Solo-Spot, bei dem er sein Können eindrucksvoll unter Beweis stellen kann. Danach geht das Quintett kurz von der Bühne, um für eine fiebrige Version von Rory Gallaghers „Bullfrog Blues“ wieder zurück zu kommen. Trout bemerkt, dass er den „Ochsenfrosch-Blues“ früher ganz anders gespielt hat. Eine Gallagher-Liveversion hat ihn dazu gebracht, den Song genauso wie Rory zu präsentieren. Was bei Gallagher funktioniert, klappt bei Trout auch. Die Band packt noch ein letztes Mal ihren Bratpfannensound aus und bringt ihn unter das mittlerweile aufgewachte Nürnberger Publikum.
Danach ist Feierabend und Trout zieht wieder von Dannen. Für mich definitiv einer der Großen des Bluesrock – authentisch, erdig und ein Musiker mit Leidenschaft. Wer auf Bluesrock steht, muss sich diesen Sympathiebolzen live anschauen!
Stefan Graßl
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