Artikel
Info
Zeit: 10.05.2023
Ort: Augsburg - Spectrum
Fotograf: Pavlov's Dog
Pavlov’s Dog wollten eigentlich schon am 02.11.2022 im Spectrum auftreten. Sara Surkamp, die Frau von Pavlov’s Dog-Sänger David Surkamp, hat bei einem Ausflug in München letztes Jahr einen gefährlichen Sturz erlitten und liegt laut Info der Konzertagentur bis auf Weiteres im Koma. Noch dazu verstarb 2022 überraschend der damalige Gitarrist der Band, David Malachowski. Mittlerweile hat sich David Surkamp dazu entschlossen, den Termin in Augsburg und die weiteren Gigs im Frühjahr 2023 mit anderen Musikern nachzuholen. Von der 2017er Besetzung ist nur noch Geigerin Abbie Steiling mit von der Partie.
Das Spectrum ist bei dieser Band traditionell gut besucht. Die Fans sind mit ihrer Lieblingsband in Würde gealtert, hin und wieder sind sogar ein paar jüngere Besucher zu entdecken. Los geht’s mit „Late November“, einem passenden Opener vom legendären Debüt-Album. Der Sound ist wahnsinnig laut, was sich auch im Laufe des Abends nicht mehr bessert, sondern eher schlimmer wird. Drei Stücke halte ich dieses Lärmchaos vorne an der Bühne aus, dann muss ich weiter nach hinten. „Fast Gun“ kommt gleich im Anschluss, die Songauswahl ist ein Traum.
Das Album Lost In America wird mit „Not By My Side“ gewürdigt, „Breaking Ice“ stammt auch aus dieser Phase. Das Publikum hat lange auf die Rückkehr des Mannes mit der markanten Falsett-Stimme gewartet und frisst ihm buchstäblich aus der Hand. Von Prodigal Dreamer werden „Shaking Me Down“ und „Winterblue“ gespielt. Beide Stücke fügen sich nahtlos in den Klassiker-Reigen ein und lassen keinen Qualitätsverlust erkennen.
Surkamp ist normalerweise dafür bekannt, dass er immer wieder etwas zu der Entstehungsgeschichte oder der Bedeutung einiger Stücke erzählt. Das ist diesmal nicht der Fall, auch der Unfall seiner Frau wird mit keinem Wort erwähnt. Schlag auf Schlag wird ein Stück direkt nach dem anderen präsentiert. Gesanglich ist er gut drauf, bei „Standing Here With You“ klingt es jedoch grenzwertig.
Die Publikumsreaktionen sind überwältigend. Pavlov’s Dog werden nach allen Regeln der Kunst gefeiert. Das gefällt dem Schlagzeuger so gut, dass er die Menge gekonnt weiter nach vorne peitscht. Er feuert die Zuschauer an und drischt dabei wie ein verrückter auf die Base-Drum. Dabei scheppert der komplette Club, er übertreibt es maßlos. Auch der Bassist und der Gitarrist lassen sich mitreißen und legen einen recht brachialen Auftritt hin.
Das gefällt Abbie Steiling an der Violine gar nicht. Sie sieht ein paarmal skeptisch auf die rechte Bühnenseite. Auch der neue Keyboarder hat einen durchdringenden Sound, möchte jedoch vom Mischer ein paarmal noch lauter gedreht werden. So endet das Ganze in einem Soundbrei, vor allem bei den rockigeren Liedern. Teilweise werden die Songs um einiges zackiger und schneller gespielt. Gefühl und Raffinesse werden so leider bereits im Keim erstickt. Die ruhigen Passagen kommen hervorragend zur Geltung. Da zeigt der Schlagzeuger, dass er das Instrument auch anders behandeln kann. Meine persönlichen Highlights sind das gänsehauterzeugende „Episode“ und „Theme From Subway Sue“.
Die Band harmoniert abgesehen vom Sound sehr gut, klingt aber im Vergleich zur alten Besetzung eher wie eine Hardrock-Band, was vielen Stücken so nicht gerecht wird. Bei „Angel’s Twilight Jump“ bringt Surkamp zu meinem Erstaunen in alter Bob-Dylan-Manier eine Mundharmonika mit und spielt dazu äußerst gekonnt. Das gibt dem Lied eine völlig neue, überraschende Note. „Preludin“ wird in der langen Version aufgeführt – so wie es bei den Pekin Tapes auch gespielt wird. Ein recht raues „Song Dance“ beendet das reguläre Set.
Der Zugabenblock wird mit einem Shadows-Cover eröffnet. Musikalisch passt das für mich überhaupt nicht, das Ganze plätschert mehr oder weniger an mir vorbei. „Valkerie“ sorgt mit dem Slogan „Bring back the good old days“ für Nostalgie pur. Die emotionale Ballade „Julia“ ist Höhepunkt des Konzerts.
Danach ist Schluss. 130 Minuten Spielzeit sind aller Ehren wert, das Augsburger Publikum honoriert das überschwänglich. Ich bin ziemlich hin und hergerissen. Die Songauswahl und der Einsatz der Musiker waren vorbildlich. Für mich war der Sound der große Knackpunkt des Abends. Pavlov’s Dog ist eine Musik mit vielen Nuancen und Feinheiten, die in ihrer Gesamtheit den speziellen Sound ausmachen. Davon war heute leider nicht mehr viel übrig. Sara Surkamp wird ebenfalls schmerzlich vermisst. Ihre Akustikgitarre und ihr Background-Gesang haben der Band viel Gefühl eingehaucht. Vielleicht ist die Zeit des Pavlov‘schen Hundes auch vorbei – zumindest für mich. Mir hat die Live-Präsentation von 2017 einfach um Längen besser gefallen.
Setlist:
1. Late November
2. Fast Gun
3. Not by My Side
4. Shaking Me Down
5. Only You
6. Brown Eyes
7. Breaking Ice
8. She Breaks Like a Morning Sky
9. Standing Here With You (Megan's Song)
10. Winterblue
11. She Came Shining
12. Hard Times
13. Angel's Twilight Jump
14. Episode
15. Natchez Trace
16. Preludin
17. Of Once and Future Kings
18. Theme From Subway Sue
19. Song Dance
20. The Savage
21. Valkerie
22. Julia
Stefan Graßl
Zurück zur Artikelübersicht |