····· Wolvespirit verkaufen Bullshit ····· Rock of Ages - Zusatzshows in 2025 ····· Ally Venable veröffentlicht Video zur neuen Single „Do you cry“ ····· Das zweite Album von Wizrd kommt zum Nikolaus ····· 40 Jahre Helloween - Das muss gefeiert werden ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Artikel

Rock meets Classic gastiert in Nürnberg

Info

Künstler: Rock Meets Classic 2023

Zeit: 22.04.2023

Ort: Nürnberg - Arena Nürnberg

Fotograf: Karin Turba

Am 7.3.2020 war ich bei Rock Meets Classic in Nürnberg. Mit dabei waren Robin Zander von Cheap Trick, Alice Cooper, Danny Bowes und Luke Morley von Thunder, Robert Hart von Manfred Mann’s Earth Band und Joyce Kennedy von Mother’s Finest. Eine Woche danach wurden sämtliche Konzerte in Deutschland wegen Corona abgesagt. Zum Glück ist diese furchtbare Zeit vorbei. Die Arena ist gut gefüllt, aber bei weitem nicht ausverkauft.

Das „Rock Meets Classic“-Orchester und die „Rock Meets Classic“-Band beginnen mit ein paar Queen-Stücken, die das Publikum auf Betriebstemperatur bringen. Auffällig ist, dass Mastermind Mat Sinner diesmal nicht mit von der Partie ist. Die Ansagen übernimmt Sänger Sascha Krebs, am Bass wird Sinner von Alex Jansen vertreten.


Als Erster kommt White-Lion-Sänger Mike Tramp mit Golden Earrings „Radar Love“ auf die Bühne. Hier sind auch diejenigen im Publikum begeistert, die White Lion nicht kennen. Tramp kommt wie immer sehr authentisch rüber und nimmt viel Kontakt zum Publikum auf. Seine Stimme hat nichts an Ausdruck eingebüßt, er singt wie immer hervorragend. Mir gefällt „Broken Heart“ vom Debüt-Album „Fight To Survive“ mit Abstand am besten. Hier wird gerockt was das Zeug hält. Tramp heizt die Menge an und wird von Band und Orchester nach vorne gepeitscht. Die Über-Ballade „When The Children Cry“ sorgt für kollektive Begeisterung. Hier kommt das Orchester besonders gut zur Geltung und verleiht dem Klassiker noch mehr Tiefe und Emotionalität.

Setlist Mike Tramp (White Lion):
1. Radar Love (Golden Earring)
2. Tell Me (White Lion)
3. Broken Heart (White Lion)
4. When the Children Cry (White Lion)


Ronnie Romero ist mittlerweile bei mehreren Bands am Start. Vandenberg, Rainbow oder Michael Schenker – viele namhafte Musiker nehmen gerne seine Gesangskünste in Anspruch. Live ist Romero immer eine Bank und fegt regelrecht über die Bühne. Heute scheint er jedoch ziemlich gehandicapt. Er geht langsam zum Mikrofonständer und hält sich fast ein bisschen daran fest, wobei er recht statisch wirkt. Er singt jedoch herausragend und haucht den schwierigen Stücken seiner Vorgänger Ronnie James Dio und Graham Bonnet viel Energie ein. Zum Publikum nimmt er kaum Kontakt auf und verlässt die Bühne genauso unspektakulär, wie er sie betreten hat. Im Nachhinein erfahre ich von einem Fan, der das „Meet & Greet“ mitgemacht hat, dass Romero große Probleme am Rücken hatte. Gute Besserung, Ronnie!

Setlist Ronnie Romero (Rainbow):
1. Long Live Rock 'n' Roll (Rainbow)
2. I Surrender (Rainbow)
3. Since You Been Gone (Rainbow)



Nun kommt mit Maggie Reilly die einzige Dame des Abends. Ihre glockenhelle Stimme ist äußerst markant und war sicherlich ein Garant für den Erfolg der Oldfield-Stücke. Reilly ist diejenige mit dem geringsten Rock-Background. Die gesangliche Qualität ihrer dargebotenen Stücke und die Begeisterung, mit der sie diese präsentiert, sind aller Ehren wert. „Everytime We Touch“ zelebriert sie geradezu. Auch hier kommt das fabelhafte Orchester und die Band um die Prima-Fear-Gitarristen Alex Beyrodt und Tom Naumann sehr gut zur Geltung und sorgt für ordentlich Wucht aus dem Hintergrund.

Setlist Maggie Reilly:
1. To France (Mike Oldfield)
2. Everytime We Touch
3. Moonlight Shadow (Mike Oldfield)



Mit Mick Box und Bernie Shaw von Uriah Heep kommen zwei Veteranen der „Rock Meets Classic“-Veranstaltung auf die Bühne. Beide waren zweimal dabei und haben jedes Mal für regelrechte Euphorie gesorgt. Auch diesmal schaffen sie es von der ersten Sekunde an, das Publikum restlos zu begeistern. Wie sie das machen? Ganz einfach. Sie beginnen mit der Mitsing-Hymne „Free Me“ und reißen hier schon fast alle von den Sitzen. Ihr wohl typischstes Stück „July Morning“ veredelt Keyboarderin Lisa Müller mit einer sägenden Hammond. Bassist Alex Jansen bringt im Mittelteil ein hervorragendes Basssolo, das dem leider schon verstorbenen Uriah-Heep-Bassisten Trevor Bolder sicher gefallen hätte. Die hohen Töne teilt sich Bernie Shaw mit den Background-Sängerinnen. Das Stück klingt fabelhaft und ist für mich das Highlight des Abends. Gitarrist Mick Box malträtiert wie immer das Wah-Wah-Pedal nach allen Regeln der Kunst und grinst dabei wie ein Honigkuchenpferd. Es ist immer wieder schön, diese beiden Musiker auf der Bühne zu beobachten. So viel Spielfreude nach all den Jahren verdient Respekt. „Lady In Black“ bringt das Publikum zum Mitsingen, hier sind alle dabei. Und das schmissige „Easy Livin‘“ beendet das phantastische Set der beiden Urgesteine. Unter tosendem Applaus verlassen sie sichtlich gerührt die Bühne.

Setlist Mick Box und Bernie Shaw (Uriah Heep):
1. Free Me
2. July Morning
3. Lady In Black
4. Easy Livin‘



Dee Snider von der Band Twisted Sister ist das erste Mal dabei. Mit Twisted Sister habe ich den durchgeknallten Sänger schon ein paar Mal gesehen. Immer hat er eine völlig abgedrehte Show abgeliefert und sich und das Publikum zu Höchstleistungen angespornt. Bewaffnet mit seinem pink-schwarzen Mikrofonständer und einer Mega-Sonnenbrille stürmt der agile Temperamentbolzen die Bühne. Man spürt sofort, dass hier eine Menge Energie freigesetzt wird. Bereits beim Opener „We’re Not Gonna Take It“ verwandelt sich die Arena in ein wahres Tollhaus. Snider spornt Musiker und Fans zum Mitsingen an und braucht dabei die komplette Breite der Bühne. Er ist ständig in Bewegung und singt mit einer Wucht, die so manchen Jungspund das Fürchten lehren würde. „I Wanna Rock“ peitscht er mit enorm viel Rotz unters Volk. Hier wird kollektiv mitgebrüllt, die Faust in Richtung Bühne erhoben und gefeiert was das Zeug hält. Ein paar Leute in den ersten Reihen bleiben dabei tatsächlich sitzen, was ihm nicht gefällt. Er meint, dass das Stück „I Wanna Rock“ und nicht „I Wanna Sit“ heißt und sorgt so für etliche Lacher. Beim nächsten Stück „The Price“ haut er die Bremse rein und widmet es dem ehemaligen Twisted-Sister-Schlagzeuger A.J. Pero und weiteren Rockstar-Kollegen, die leider bereits gestorben sind. Auf der Leinwand im Hintergrund werden dabei die Fotos und Namen der Künstler gezeigt. Etliche waren selbst schon Gäste bei Rock Meets Classic, darunter Steve Lee von Gotthard oder Dan McCafferty von Nazareth. Plaudertasche Snider erzählt, dass ihn in Deutschland ein Fan mit Jon Bon Jovi verwechselt hat. Das hat ihn offensichtlich so amüsiert, dass er beim Erzählen schon fast nicht mehr an sich halten kann. Den Abschluss des kurzweiligen Sets bildet der AC/DC-Klassiker „Highway To Hell“, der von Snider perfekt gesungen und vom Publikum gefeiert wird. Danach ist es fast wie bei einem Twisted-Sister-Konzert: Man ist total fertig, aber froh, dabei gewesen zu sein. Für mich definitiv der rockigste Auftritt des Abends.

Setlist Dee Snider (Twisted Sister):
1. We’re Not Gonna Take It
2. I Wanna Rock
3. The Price
4. Highway To Hell (AC/DC)



Joey Tempest von Europe beschließt den heutigen Abend. Er war schon einmal dabei und hat damals auch für einen würdigen Abschluss des Abends gesorgt. Mutig beginnt der wackere Schwede mit dem Titelsong des 2017 veröffentlichten Albums Walk The Earth. Ich hätte hier eher einen Klassiker aus den 80er Jahren erwartet, aber Tempest macht genau das nicht, was ich gut finde. Auch hier bringt das Orchester noch viel mehr Dampf unter das Stück, das mir heute sogar noch besser gefällt als in der Studioversion. Tempest sorgt vor allem bei vielen weiblichen Fans in den vorderen Reihen für Verzückung. Er geht runter zum Publikum und sammelt etliche Rosensträuße auf, die ihm dabei zugesteckt werden. Das ist heute nur ihm passiert! Bei „Ready Or Not“ schnappt sich Tempest eine Gibson Les Paul und lässt es sich nicht nehmen, selber in die Saiten zu hauen. Er ist sehr beweglich und nutzt die Treppen, um sich direkt hinter den Dirigenten oder zwischen die Musiker zu mischen. Ein optischer Hingucker ist sein drehbarer Mikrofonständer, zu dem er sich womöglich von Whitesnake-Sänger David Coverdale inspirieren ließ. Dass Tempest Humor besitzt, beweist er, als er während „Ready Or Not“ einen Zwischenteil von Bob Marleys „No Woman No Cry“ einbaut. Die bekannteste Ballade der Band, „Carrie“, sorgt für kollektives Mitsingen und eine coole Hommage an die 80er Jahre. „Rock The Night“ kommt bretthart rüber und packt mich jedes Mal wieder aufs Neue. Danach ist der offizielle Teil leider gefühlt viel zu früh vorbei. Als Zugabe fungiert erwartungsgemäß „The Final Countdown“, zu dem alle Beteiligten noch einmal auf die Bühne kommen und sich die Gesangspassagen teilen. Auch Ronnie Romero kommt mit und lässt es sich trotz seiner Schmerzen nicht nehmen, ein paar Zeilen zu übernehmen.

Setlist Joey Tempest (Europe):
1. Walk the Earth
2. Ready or Not No Woman / No Cry (Bob Marley & The Wailers cover)
3. Superstitious
4. Carrie
5. Rock the Night
6. The Final Countdown


Danach ist nach eineinhalb Stunden Schluss. Die Künstlerinnen und Künstler und die hervorragenden Musiker werden mit einem tosenden Beifall von dem grandiosen Nürnberger Publikum verabschiedet. Das Orchester und die Musiker haben perfekt harmoniert und einen unterhaltsamen musikalischen Abend geboten. Für mich war es eine tolle Gelegenheit, seltene Gäste wie Dee Snider wieder einmal live zu sehen. Einziger Wermutstropfen ist für mich Ronnie Romero. Es hätte mich gefreut, wenn er „Stargazer“ von Rainbow gesungen hätte. Eine bessere Gelegenheit, diesen Klassiker mit Orchester zu präsentieren, wird es wohl nicht mehr geben.


Stefan Graßl


Zurück zur Artikelübersicht