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Die deutsche Band Eloy wird uns in den kommenden Monaten begleiten. Stück für Stück werden wir den Weg der 1969 gegründeten Rocklegende verfolgen. Anlass dafür ist die Wiederveröffentlichung der von 1973 bis 1984 bei der EMI erschienen Alben. Die Veröffentlichung geschah in den letzten Jahren in drei Schritten. Die ersten drei Silberlinge erschienen am 4. April 2000; weitere drei folgten am 28. Mai 2004. Am 18. Februar 2005 wurde der Re-Release abgeschlossen. Damit ist bis auf das nicht bei der EMI erschienene Debüt mit dem berühmten „Mülltonnen-Cvoer“ die gesamte Geschichte der Band bis zu ihrer (ersten) Auflösung im Jahre 1984 dokumentiert.
Die insgesamt zwölf Alben kommen in sehr feiner Aufmachung. Natürlich wurde das ursprüngliche Material remastert. Bei fast jedem Album kommen Bonus-Tracks dazu. Die Booklets enthalten nicht nur alle Texte, sondern auch aktuelle Liner Notes, in denen Bandkopf Frank Bornemann ausführlich zu Wort kommt und die Geschichte der Band aus heutiger Sicht kommentiert.
Natürlich können die Booklets nicht alle Fragen zur Band beantworten. Im Gegenteil; manche Frage wird durch sie überhaupt erst aufgeworfen. Auch die darüber hinaus benutzte Literatur (s.u.) konnte nur stellenweise weiter helfen. Eine Reihe von offenen Fragen habe ich daher am Pfingstsonntag in einem fast einstündigen Telefonat mit Frank Bornemann abgeklärt. Dabei wurde deutlich: Wir werden mit der Eloy-Story nicht mit dem Ende der EMI-Ära aufhören. Denn, so machte mir Frank das Ohr wässerig, erst nach der auch für ihn überraschenden Reunion 1988, die erst einmal gar keine Reunion sein wollte, seien die für ihn besten Scheiben von Eloy entstanden; zum einen in Form der völlig neue Alben Ocean 2 und The Tides Return forever. Dazu kommen aber auch die beiden Chronicles-Alben, die alte Stücke in Neueinspielungen präsentieren. Die sind - so Frank - weit besser, auch als das, was auf den Remaster-Scheiben zu hören ist. Sie stellen seiner Meinung nach die derzeit definitiven Versionen des Eloy-Materials dar.
Aber bis wir dahin kommen, werden noch Milliarden von Bytes durch das Web fließen. Jetzt springen wir erst einmal 36 Jahre zurück und begegnen einer der erfolgreichsten deutschen Bands der 70er. Außer den CD-Booklets und Frank Bornemann himself wurden folgende Texte zu Rate gezogen:
- Rainer M. Schröder - Rock made in Germany. Die Entwicklung der deutschen Rockmusik,
Heyne Verlag, München, 1980, S. 49-66.
- Günther Ehnert - Rock in Deutschland. Lexikon deutscher Rockgruppen und Interpreten,
Taurus Press, Hamburg, März 1979, S. 62-64.
Kapitel 1: Vor den Konzepten - Die Anfangsjahre weltzugewandter Phantasten
1969 wurden Eloy gegründet. Der Name stammt aus HG Wells’ Roman Zeitmaschine. Dort begegnet der Zeitreisende in einer fernen Zukunft den „Eloy“, einem friedlichen Volk, das von einer stärkeren kriegerischen Rasse bedrängt wird. Ein Name, der in verschiedener Hinsicht passt. Zum einen haben sich Eloy der Fantasy- und Science Fiction verschrieben. Das ist an Titeln wie “Atlantis Agony at June 5th - 8498, 13 p.m. Gregorian Earth Time“ (auf Ocean) oder Konzeptalben über - Drogen umnebelte - Zeitreisen in das 14. Jahrhundert (Power and the Passion) leicht abzulesen.
Gleichzeitig klingt bei der Bezugnahme auf ein friedliebendes von kriegerischen Mächten attackiertes Volk natürlich auch viel Zeitgeist mit. Woodstock, Vietnamkrieg und die Flower Power-Zeit umgeisterten die Köpfe. Da überrascht es auch nicht, wenn Bandchef Bornemann im Rückblick des Booklets zu Protokoll gibt: „Wir waren immer eine Band, die sehr stark auf ihre Umwelt, das Gesellschaftliche und auf das Zeitgeschehen geschaut hat.“ “Die Fantasy ist für uns die Darreichungsform gewesen,“ präzisiert er am Telefon. “Das Transportmittel.“ In Deutschland ist das häufig falsch verstanden worden und hat der Band viel Kritik und sogar Spott eingebracht. Jahre später waren die Reaktionen in England ganz anders. “Da wurde dann klar, dass wir mit unseren englischen Texten etwas richtig gemacht haben.“
Bornemann hat von Anfang Wert auf eine professionelle Textgestaltung geachtet. Auch da, wo die Textideen von ihm stammen, hat er sich Muttersprachler oder andere perfekt englisch sprechende Helfer zu Hilfe geholt. Das sei nötig gewesen, da die Texte ja immer auch eine poetische Dimension hatten, die man nur schwer einschätzen kann, wenn man die Sprache nur als eine Art Werkzeug gelernt hat.
Die Urbesetzung, Frank Bornemann (Git, Voc), Manfred Wieczorke (Git), Wolfgang Stöcker (B), Erich Schriever (Voc) und Helmut Draht (Dr), spielte 1971 ein Debüt, das in Kreisen von Krautrock-Verehrern hoch geschätzt wird. Für Bornemann ist die Scheibe „mit dem Mülltonnencover“ ein schlichtweg unerträglicher Kompromiss, den er im Rückblick so „furchtbar schlecht“ findet, dass er sich eigentlich keine Wiederveröffentlichung gewünscht hat. Natürlich ist sie mittlerweile auch auf CD erhältlich und erzielt bei ebay immer wieder kräftige Preise. Dass sie nicht in der Remaster-Serie erschienen ist, liegt aber nicht an Bornemanns Widerwillen, sondern an Copyright-Gründen.
“Wir hatten damals einfach noch zu keiner festen Form gefunden,“ erklärt mir Bornemann, der in Eloy auch keine Krautrock-Band sieht. “Da lag ein sechsstelliger Unterschied in den Verkaufszahlen zwischen uns und den Kraturock-Bands,“ gibt er sich selbstbewusst. Auch die Besetzung des Debüts trennt die Scheibe von den Eloy, die nun begannen mit sich geradezu exponentiellen entwickelnden Verkaufszahlen die deutsche Rockszene von hinten aufzurollen.
Aber erst einmal gehen Draht und Schriever. Die Band muss sich umorientieren. Die Drums teilt sich Bassist Wolfgang Stöcker mit dem Neuzugang Fritz Randow. Wieczorke wechselt an die Tasten. Bornemann übernimmt den Gesang komplett. Gewünscht hat er sich diese Entwicklung eigentlich nicht. “Ich bin nun wirklich kein so guter Sänger wie Erich Schriever,“ gibt er unumwunden zu. “Wir haben einen Sänger gesucht, aber einfach keinen passenden gefunden. Da habe ich aus Verlegenheit auch den Gesang übernommen.“ Den Leuten hat es gefallen und so blieb praktisch nichts anderes übrig, als die Situation beizubehalten. “Im Grunde bin ich gar kein Sänger, sondern ein singender Gitarrist.“. Und der wird in dieser Doppelrolle das Gesicht von Eloy in allen ihren Inkarnationen prägen.
Sein angebliches „Teutonen-Deutsch“ bringt der Band in der Zukunft häufig Spott ein. Ein Schicksal, dass Eloy mit den ebenfalls aus Hannover stammenden Scorpions und deren Sänger Klaus Meine verbindet. Den Fans beider Bands ist das egal. Gemeinsam mit Jane tragen sie dazu bei, dass Hannover Mitte bis Ende der 70er eines der Zentren der deutschen Rock-Musik ist. “Hannover wurde oft unterschätzt,“ erinnert sich Bornemann. “Immer wieder wurde ich angesprochen, warum ich dort bleibe. Aber man konnte dort einfach ruhig arbeiten und auch mal in eine Kneipe gehen ohne gleich von Dutzenden A&R-Leuten angequatscht zu werden.“
In der neuen kompakteren Vierer-Besetzung treten Eloy im Mai 1972 beim „2. British Rock Meeting“ in Germersheim auf. Das Festival wurde von Mama Concerts organisiert und reiste mit einem Package britischer Bands durch mehrere Länder. Headliner waren Pink Floyd. In den einzelnen Ländern wurden jeweils einige nationale Bands engagiert, um das Line up zu komplettieren. Eloy begeisterten ihr bis dato größtes Publikum - 70.000 Zuhörer.
Eine gute Grundlage für die Publikation des Elektrola-Debüts Inside, das durch einen Glücksfall sogar in den USA erscheinen sollte. (Eine Vinyl-Promo dieser US-Edition gehört zu den kleinen Schätzen meiner Sammlung.) Die US-Firma Chess & Janus hatte einen Deal mit der EMI-Tochter Capitol, der ihr das Recht gab, alle Scheiben, die Capitol ablehnte, auf den Markt zu bringen. Genau das geschah mit Inside. “Future City“ wurde sogar ein veritabler Radio-Hit.
Tragischer Weise ging Chess & Janus kurz nach der Veröffentlichung von Floating Pleite. So endete die US-Karriere von Eloy vorerst bevor sie recht begonnen hatte.
Dennoch ein toller Erfolg für eine deutsche Band in der damaligen Zeit, denn “damals war jede deutsche Gruppe kraft ihrer Nationalität automatisch zweite Klasse,“ erinnert sich Bornemann.
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Auf Festivals erregten Eloy Aufsehen - nicht nur durch ihre Musik, sondern auch durch einen ungewöhnlich guten Sound. Jede Band spielte damals noch über ihre eigene Anlage. Der nötige Umbau kostete zwar Zeit, brachte Eloy aber den Vorteil, ihre überdurchschnittlich gute PA zum Einsatz zu bringen und den Rest der Bands regelmäßig blass aussehen zu lassen. Dass eine deutsche Newcomer-Truppe dermaßen gut ausgestattet war, verlangt nach einer Erklärung. “Die Anlage stammt von der Olympiade 1972 in München. Wir haben sie durch Zufall bekommen“ erklärt Bornemann die überraschend gute Ausstattung der deutschen „Provinzband“. “JBL hat sie nach der Olympiade zurückgenommen und die verschimmelte irgendwo im Lager. Da haben wir sie gekauft. Das waren die ersten Exponentialboxen überhaupt.“
Eine solche Anlage lies auch britische Bands besser klingen. So bekamen Eloy mehrfach die Chance mit internationalen Bands zu touren. Denn trotz der Verkaufserfolge wäre eine deutsche Band ohne diese „Zugabe“ als Vorgruppe damals noch uninteressant gewesen. So aber mussten sich die hannoverschen Hopefulls nicht mit den üblichen Wochenend-Gigs begnügen, sondern konnten immer wieder einmal drei, vier Wochen am Stück touren. Das brachte Routine und Fans. Aber es kostete den Bassisten, der ein normales Familienleben vorzog, und sich dem Tourstress daher nicht beugen konnte und wollte. Er wurde durch Luitjen „Harvey“ Jansen ersetzt.
Nach dem relativen Erfolg des Debüts wurde nun einiges von der Band erwartet. Um besser zusammenzufinden, machten Eloy das, was man auch von verschieden anderen 70-Jahre Bands kennt (z.B. Kraan oder Ton Steine Scherben). Man probierte die Einheit von Arbeit und Leben aus. Im Falle Eloy hieß das konkret, dass ein Haus in der Heide gefunden wurde, in dem alle unter einem Dach wohnten. Probleme mit lärmunwilligen Nachbarn oder zu spät zur Probe erscheinenden Musikern wurden so geschickt umgangen.
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Fortsetzung folgt -
Norbert von Fransecky
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