Artikel
Info
Titel: Ich hab das Paradies gesehen – Mein Leben
Verlag: Rowohlt Verlag
ISBN: 978-3-498-00178-0
Preis: € 24,00
415 Seiten
Internet:
http://www.rowohlt.de
http://www.achimreichel.de
Unglaublich: das Alter von 75 hat Achim Reichel mittlerweile schon überschritten, und davon hat er weit über ein halbes Jahrhundert auf der Bühne gestanden. Mit einer seiner bekanntesten Textzeilen legt er nun mit Ich hab das Paradies gesehen die Geschichte seines Lebens als Buch vor.
5 Jahre hat er daran neben seiner immer noch aktiven Karriere (neues Album, Interviews, Tourneen etc.) gearbeitet – um dieses Projekt voranzubringen und abzuschließen hat er sich schließlich für mehrere Wochen als einziger Passagier auf einem Containerfrachter einquartiert und auf dem Weg von Hamburg (von wo auch sonst?) nach Namibia seine Erinnerungen vervollständigt. „Zum Schreiben braucht es Einsamkeit.“ verriet ihm vor Jahren Schriftsteller Frank Schätzing während eines Engagements für die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger; und diese Abgeschiedenheit während der Frachterreise und des anschließenden Namibia-Aufenthaltes hat er genutzt, die Erzählung seines abwechslungsreichen Lebens zu vollenden.
Über sieben Jahrzehnte Achim Reichel und vor allem sein musikalischer Lebensweg haben natürlich weit mehr zu bieten als nur „Aloha Heja He“, auch wenn er mit diesem Stück bis heute am ehesten assoziiert wird. Aber dieser maritime Song war nicht nur einer seiner größten populären Erfolge, sondern er passt auch gefühlt sehr zum Leben des Ur-Hamburgers.
Geboren ist Reichel 1944 und in den Nachkriegsjahren aufgewachsen in St. Pauli. Der Großvater fuhr zur See, der recht früh verstorbene Vater ebenfalls und auch seine ersten Pläne gingen in diese Richtung: er begann eine Kellnerlehre als Grundstock, um später als Schiffssteward auf große Fahrt zu gehen. Noch während der Lehrzeit vertiefte er seine Liebe zur Musik und wurde mit seiner ersten Station, den Rattles, bereits recht schnell erfolgreich. Anfang der 60er siegte man in einem Wettbewerb des legendären Hamburger Star-Clubs, es folgten Auftritte im Beat-Club und schließlich eine von Led-Zeppelin-Manager Peter Grant organisierte Tour durch England, bei der auch Little Richard und die damals noch unbekannten Rolling Stones zugegen waren.
Die staatsbürgerlichen Pflichten beendeten schließlich Reichels Engagement bei den Rattles; danach, Ende der 60'er, fand er sich mit Frank Dostal zum Projekt Wonderland zusammen. Etwa in dieser Zeit begann er auch als Produzent für andere Künstler zu arbeiten und wurde kurzzeitig u.a. mit Dostal Betreiber des Star Clubs – letzteres mit mäßigem Erfolg, Ende 1969 musste dieser dann seine Türen für immer schließen. Wonderland, wo u.a. auch Les Humphries als Keyboarder und James Last als Produzent mitwirkten, zerfiel relativ schnell und Achim Reichel begab sich auf Solo-Pfaden. A.R. & Machines hieß sein eher experimentelles und psychedelisches Projekt, welches nicht sonderlich erfolgreich, aber vielleicht seiner Zeit voraus war. Die grüne Reise ist aber bis heute noch einigen bekannt, obwohl Reichel später alle Alben dieser Zeit vom Markt nahm, da er sich einem neuen Publikum widmen wollte. 2017, ca. 45 Jahre nach dem Erscheinen des Albums, erlebte Die grüne Reise übrigens eine würdevolle Wiederauferstehung in der Hamburger Elbphilharmonie.
Dat Shanty Alb’m war schließlich 1975 der vierte Karriereschritt und läutete Reichels künftigen Weg ein, auf dem er sich seitdem überwiegend auf deutscher Sprache bewegt. Eine recht produktive Zeit mit vielen erfolgreichen Alben begann, und der Erfolg war wohl nicht auf eine einzelne Zielgruppe beschränkt („Die Jüngeren entdeckten die Shantys und die alten den Rock'n'Roll“). Seefahrerthemen, Gedichtvertonungen (u.a. Fontane, Goethe) und schließlich Volxlieder - Reichel hatte seine Nische gefunden und macht sich sich seitdem darin breit.
Ich hab das Paradies gesehen liest sich gut und verführt häufig dazu, im Netz nach alten Musikstücken oder beschriebenen Personen zu suchen. Interessante, lustige oder auch tragische Anekdoten (z.B. Jörg Fauser, Rainer Kargers Zigarettenlied oder Erfahrungen mit der Bildzeitung) reihen sich aneinander – vollständig, persönlich tiefgehend und chronologisch gerät dies leider nicht immer (seine erste Frau taucht hier z.B. nur am Rande auf) - unterhaltsam und interessant ist diese Zeitreise, die mit Ausnahme der Kindheit die Schwerpunkte eher auf den beruflichen Lebensweg setzt, aber trotzdem.
Jürgen Weber
Zurück zur Artikelübersicht |