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Zeit: 01.05.2005
Interview: E-Mail
Stil: Wave
MAS:
Wie kam es eigentlich zu der zehnjährigen Auszeit von Pink Turns Blue?
Mic Jogwer:
Nach jahrelanger Tingelei durch England, insbesondere London, sowie zwei Alben, mit denen wir nicht wirklich glücklich waren, waren wir total ausgebrannt. Allein der Gedanke wieder ins Studio zu gehen, Promo Touren zu machen, im Tourbus zu sitzen erzeugte Unwohlsein.
Da beschlossen wir, erst wieder Musik zu machen, wenn es wirklich Spaß macht.
MAS:
Warum habt ihr eure Auszeit überwunden, um euch mit Phoenix zurück zu melden? Was bedeutet euch selbst so ein Comeback und wie fühlt sich das an?
Mic Jogwer:
Das war reiner Zufall. Brigid war gerade mit ihrem Punk Projekt im Studio und fragte mich, ob ich Lust hätte ein wenig Gitarre zu spielen. Dabei entstanden zwei Songs mit viel Spaß. Zudem besuchten wir das Wave-Gotik-Treffen und waren extrem angetan von den Leuten dort. Der Manager des Festivals fragte uns, ob wir Lust hätten dort ein Einmal-Konzert zu geben. Dort war der Erfolg derart überwältigend, dass wir einfach wieder zusammenkommen mussten. Die neuen Songs hatten eine besondere Magie und Kraft. Sodass wir keine Wahl hatten, als diese aufzunehmen und zu veröffentlichen.
MAS:
Wie gestalteten sich die Aufnahmen zu Phoenix? Wie lange hat es gedauert, um
das Album aufzunehmen?
Mic Jogwer:
Die Aufnahmen begannen im November 2004 in Berlin und endeten im Januar 2005 in Ljubljana. Wir haben erst die Demos im Homerecording-Verfahren aufgenommen, also Gesang, Gitarre, Rhythmusmaschine. Diese waren dann Grundlage für die Studioaufnahmen mit Schlagzeug, Bass, Keyboards, Loops, Gitarren und Gesänge. Als alles zufriedenstellend aufgenommen war, ging es ins Laibach Studio in Ljubljana, wo Janez Krizaj alles in seinem Top Studio abmischte. Danach haben wir die Songs fürs Album ausgewählt, in eine Reihenfolge gebracht, gemastert und fertig war die CD.
MAS:
Was ist euch an eurem neuen Album besonders wichtig? Worauf habt ihr bei den Aufnahmen besonderen Wert gelegt?
Mic Jogwer:
Hauptsache die Vibes stimmen. Jeder Song hat seine Story und die passende Atmosphäre. Darauf stimmt sich jeder von uns ein und versucht den magischen Moment zu erwischen, in dem einfach alles stimmt. Wir lassen uns dabei einfach in den Song fallen und von ihm tragen. Irgendwann fühlt jeder: „das war es“ und „nicht mehr anfassen“...
MAS:
Wie seid ihr dazu gekommen, die modernen Keyboardparts einzubauen? Was sind ansonsten eure Inspirationen, auch in Bezug auf die Songtexte?
Mic Jogwer:
Brigid, Marcus und Louis haben ihre eigene Vorstellung von passenden Atmosphären. Bei uns ist das wie Malerei. Jeder malt mit seinen eigenen Farben. Wenn es zur Magie des Songs beiträgt bleibt es drin, wenn nicht kommt es wieder raus. Das entscheiden wir immer gemeinsam. Sehr demokratisch und entspannt. Irgendwie sind wir da alle auf einer Wellenlänge.
MAS:
Habt ihr bei eurem Auftritt auf dem M’era Luna 2004 einige der auf Phoenix zu hörenden Songs, an dem dortigen Publikum vorab getestet oder waren es ausschließlich Songs von der Reunion? Wie fandet ihr die Resonanz des Publikums?
Mic Jogwer:
Auf dem M’era Luna haben wir nur „alte“ Songs gespielt. Die Resonanz war auch dort überraschend positiv. Viele hatten von uns gehört, da wir DAS Thema der Szenepresse waren. Aber genauso viele kannten unsere Musik noch nicht. Da wir mit unserer gitarrenorientierten Wave-Musik eine Ausnahme sind, wurden wir von sehr vielen Zuhörern als schöne Ergänzung zu den hervorragenden Elektro-, Mittelalter und Goth-Metal-Bands willkommen geheißen.
MAS:
Wie verläuft eure derzeitige Tour und wie ist die Resonanz durch das Publikum?
Mic Jogwer:
Auch die Tour verläuft grandios. Alle Konzerte waren sehr gut besucht und insbesondere unser Bühnenbild mit den Videos, Wald und unseren Klamotten erzeugte Aufmerksamkeit.
Es gibt einerseits die Fans, die lieber die „alten“ Songs in immer besseren Versionen hören wollen und andererseits diejenigen, die sich auf das Neue freuen und die Band ins Unbekannte und ins emotionale Abenteuer begleiten. Uns bereiten beide Gruppen Freude.
MAS:
Spielen die Texte von „The Lost Son“ und „Animal Life“ vielleicht auch ein bisschen auf das Comeback der Band an oder wie sind sie gemeint?
Mic Jogwer:
“The Lost Son“, „Animal Life“, „Underground“ und “Feel My Soul“ sind Songs über Selbstentfremdung, Selbstfindung und Orientierung in einer immer schnelleren, seichteren, emotional haltlosen Welt. Die Texte und die Musik sind autobiographisch und gelten einerseits für jeden von uns und anderseits für uns als Gruppe. Aber natürlich sind sie auch unsere Botschaft an die Welt. Wenn wir den Mut haben, naiv für das Gute und Schöne zu kämpfen, warum nicht auch andere?
MAS:
„Michelle“ ist meiner Meinung nach ein eher untypischer Pink Turns Blue-Song. Warum unterscheidet sich dieser Song von dem Rest der Songs?
Mic Jogwer:
Michelle ist eine SEHR typischer Pink Turns Blue-Song. Inhaltlich und atmosphärisch auf der gleichen Wellenlänge wie „If Two Worlds Kiss“, „I Coldly Stare Out“, „Aerdt“, „Seven Years“... Vier Akkorde und ein Liebeslied. Typischer geht es gar nicht. Untypisch sind eher Songs wie „Now’s The Time“, „Feel My Soul“ und „Underground“. Trotzdem gehört es zu unserer Tradition experimentelles und expressives mit einfachen Popsongs zu mischen.
MAS:
Ihr seid Pink Turns Blue. Hat der Name eine besondere Bedeutung oder Namensgeschichte?
Mic Jogwer:
Oh ja. Pink Turns (to) Blue ist ein wunderschöner Song der amerikanischen Post-Punk Band Hüsker Dü auf dem Album Zen Arcade. Hüsker Dü sind neben Joy Division und Jesus & The Mary Chain unsere Helden auf Ewigkeit. Wir sind bei der Suche nach einem Bandnamen unsere Plattenregale durchgegangen und haben diesen Song für uns entdeckt.
MAS:
Wie sieht die Zukunft von Pink Turns Blue aus? Gibt es nach dem Comeback mit Phoenix weitere Pläne?
Mic Jogwer:
Mit unserem Comeback hatten wir ungewöhnlicherweise mehr Erfolg als jemals zuvor.
Wir haben ein konkretes Angebot von einem Label in Philadelphia, Phoenix in den USA herauszubringen. Wir haben viele Fans in den USA und weltweit und wir freuen und mächtig, dort direkt zu veröffentlichen und aufzutreten. Da sieht man mal wie sich die Welt verändert hat. In San Francisco, New York und Philadelphia findet man Berliner Bands „cool“. Das wäre vor 10 Jahren unvorstellbar gewesen…
Donata Wisniowski
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