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Wenn ich den Oktober in meinen 1995er Terminkalender durchblättere, stelle ich fest, dass dort nur ein einziger Termin eingetragen ist – ein Handwerker! Der Grund dafür stand bereits in der Kolumne im letzten Monat: „Ab Oktober war das zweite Theologische Examen angesagt – Examensarbeit, Examenspredigt und Vorbereitung auf die mündlichen Prüfungen.“. Mit anderen Worten: Ich verbrachte meine Zeit vor allem am Schreibtisch. In den ersten Wochen ging es dort in erster Linie um die Examensarbeit, eine empirische Studie über die Akzeptanz des Religionsunterrichts bei den Pfarrerinnen und Pfarrern der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburgs.
Die Arbeit hatte einen konkreten Anlass. Nach der Wiedervereinigung mussten die so genannten neuen Bundesländer ihre Landesgesetze an die Gesetzgebung der BRD anpassen. Bildungspolitik ist Ländersache. So musste unter anderem beschlossen werden, in welcher Weise der Religionsunterricht, der nach Art. 7.3 GG „ordentliches Lehrfach“ sein soll, in den staatlichen Schulen verankert wird. Unter Berufung auf den Art. 141 GG, der eigentlich auf eine Sonderreglung in Bremen bezogen war, haben Berlin und Brandenburg sich dieser grundgesetzlichen Verpflichtung entzogen und statt des Faches Religion ein Fach Ethik, in Brandenburg LER genannt, als Pflichtfach eingeführt. Religion wurde zum freiwilligen Zusatzangebot.
Interessanter Weise waren es kirchliche Kreise, insbesondere Pfarrer und Pfarrerinnen, die in der DDR-Bürgerbewegung aktiv gewesen waren, die sich als erste vehement gegen die Einführung eines ordentlichen Faches Religion ausgesprochen hatten. Dem folgte eine monate-, ja jahrelange öffentliche Diskussion über den Platz, den Religion - insbesondere der Religionsunterricht - in der staatlichen Schule haben soll, eine Diskussion, die während meiner Examenszeit noch voll im Gange war. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), der Dachverband der evangelischen Landeskirchen, hatte 1994 unter dem Titel Identität und Verständigung eine grundlegende Stellungnahme zu der Frage veröffentlicht.
Auf Basis dieser Denkschrift hatte ich einen Fragebogen entwickelt, den ich an Pfarrer und Pfarrerinnen in Ost- und West-Berlin, in Brandenburg, in Städten und auf dem Land, in wohlhabenden Regionen, ebenso wie in Problembezirken verschickt habe, um zu erfragen, welche Stellung zum Religionsunterricht sie einnahmen. Begründung der Konzeption und Auswertung dieses Fragebogens war dann der Inhalt meiner Examensarbeit.
Offenbar hatte ich neben der Arbeit an der Arbeit noch genügend Zeit mich in Plattenläden herumzutreiben. Immerhin 24 CDs sind im Oktober 1995 neu in meinem Regal gelandet. Sehr schwer war die Auswahl des Albums des Monats dennoch nicht. Allein 9 CDs waren Sampler; 5 davon Rock Hard CDs der Art wie ich sie in meiner Kolumne im Oktober 2018 beschrieben habe – gekauft bei 2X2, einem bei mir damals sehr beliebten Platten-Antiquariat in einem Hinterhof auf der Wilmersdorfer Straße. Ursprünglich hieß der Laden übrigens 2002, was einer bestimmten Medien-Kette gar nicht gefiel. So strich 2002 in seinem Logo die beiden Nullen einfach mit einem X durch = 2X2. Die beiden Nullen blieben aber stehen.
Von den restlichen CDs war viel Backkatalog-Material – 2 x Virgin Steele, 3 x Running wild, der Gerry Rafferty-Klassiker City to City mit dem Überhit „Baker Street“ und ein Steve Miller-Album. Entschieden habe ich mich aber für das damals aktuelle Dream Theater-Album A Change of Seasons.
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