Artikel
Info
Zeit: 07.03.2020
Ort: Nürnberg - Arena
Internet:
https://www.rockmeetsclassic.de
Auch 2020 ist es Rock-Meets-Classic-Organisator Mat Sinner wieder gelungen, sehr namhafte Künstler zu verpflichten. Der Hauptgrund warum ich heuer mit dabei bin ist ganz klar Robin Zander, der Sänger von Cheap Trick. Er ist ein seltener Gast in Europa und in Deutschland im Speziellen.
Die Arena in Nürnberg ist gut besucht, jedoch nicht komplett ausverkauft. Der Corona-Virus ist in Deutschland angekommen und so mancher Konzertbesucher traut sich vielleicht gar nicht mehr an einer solchen Massenveranstaltung teilzunehmen. Ein paar Tage danach werden in Bayern und deutschlandweit Ausgangsbeschränkungen verhängt und sämtliche Großveranstaltungen abgesagt. Auch das Rock Meets Classic ist davon betroffen und muss die restlichen Daten canceln. Davon weiß jedoch zu dem jetzigen Zeitpunkt noch niemand etwas.
Die Mat Sinner Band beginnt mit ein paar Queen-Krachern, die das Auditorium sachte auf Betriebstemperatur bringen sollen. Das gelingt weitgehend, wobei das schon etwas gesetztere Publikum hier ein bisschen länger braucht.
Den Abend eröffnen die Thunder-Recken Danny Bowes und Luke Morley. Bowes nimmt mit seinem kraftvollen Organ und seiner sympathischen Art viel Kontakt zum Publikum auf und versucht, die Leute mitzureißen. Morley haut lässig die Akkorde aus seiner Gibson Les Paul raus und wirkt wie immer sehr engagiert. Die Spencer-Davis-Group-Nummer „Gimme Some Lovin“ sorgt für allgemeines Mitwippen. Die beiden Balladen „Love Walked In“ und das grandiose „Low Life In High Places“ gefallen mir hervorragend und werden von Bowes sehr leidenschaftlich gesungen. Leider sind die Stücke dem Publikum nicht so bekannt. Gerade bei den Balladen kommt das Orchester sehr gut zur Geltung und unterstreicht die Dramatik der Stücke. Das relaxte „Dirty Love“ gerät zum Party-Kracher des Abends und bringt das Publikum zum Mitklatschen.
Setlist Danny Bowes & Luke Morley (Thunder):
1. Gimme Some Lovin
2. Love Walked In
3. Low Life In High Places
4. Dirty Love
Als nächster Künstler beginnt der aktuelle Sänger der Manfred Mann’s Earthband und ehemalige Sänger von Bad Company, Robert Hart, ganz dramatisch mit dem Stück „Bad Company“. Ich finde den Einstieg gigantisch gut gewählt, vor allem weil hier das Orchester perfekt dazu passt. Leider kennen etliche im Publikum das Stück nicht und so verpufft leider der Effekt. Hier wäre mit „Can’t Get Enough“ vielleicht mehr drin gewesen. Doch Hart nutzt die Gunst der Stunde und knallt dem Publikum einige Earthband-Klassiker um die Ohren, die es wirklich in sich haben. Er nutzt die komplette Bühne und genießt es sichtlich, vor so großem Publikum zu spielen. Bei „Davy’s On The Road Again“ wacht das Publikum auf und beginnt, sich aus den Stühlen zu erheben. „Mighty Quinn“ gerät zur Gute-Laune-Hymne, zu der die komplette Arena mitsingt. Hart hat ein Organ, das Felsen zerbersten lassen kann. Der kleine Typ auf der Bühne ist heute Abend definitiv der Größte! „For You“ wird, nachdem es bereits vorbei ist, vom Nürnberger Publikum noch minutenlang weiter gesungen! Auf der Bühne sind sämtliche Musiker von der Begeisterung geradezu überwältigt.
Setlist Robert Hart (Manfred Mann’s Earthband, Bad Company):
1. Bad Company
2. Davy’s On The Road Again
3. Mighty Quinn
4. For You
Nun kommt etwas, was keiner gebraucht hätte. Die Mat Sinner Band spielt „Stairway To Heaven“ von Led Zeppelin. Obwohl hier ohne Ausnahme lauter Spitzenmusiker auf der Bühne stehen, klappt leider fast gar nichts. Der Sound ist furchtbar, was ich so wirklich nicht nachvollziehen kann. Man hört die Solos kaum, etliches geht natürlich dann gnadenlos unter. Alex Beyrodt spielt mit einer doppelhälsigen Gibson SG, was man jedoch kaum mitbekommt. Matt Sinner singt dazu und liegt sowas von neben der Spur, dass man es fast nicht begreifen kann. Dann wird das Stück noch irgendwie abgekürzt und heraus kommt ein musikalischer Flickerlteppich, der einem Schauer über den Rücken jagt. Bitte zukünftig sowas nicht mehr bringen!
Auf den nächsten Sänger bin ich am meisten gespannt. Ich habe Cheap Trick einmal in Coburg auf einem Festival gesehen, damals sogar noch in Originalbesetzung. Ich hatte an dem Tag das große Glück, Gitarrist Rick Nielsen zufällig in der Fußgängerzone über den Weg zu laufen. Er war sehr freundlich und das Konzert von Cheap Trick damals war klasse. Robin Zander startet mit dem Budokan-Klassiker „Hello There“, der ja fast schon zu Ende ist, bevor er losgegangen ist. Passt hervorragend das Ganze und Zander macht stimmlich einen sehr guten Eindruck. Mittlerweile auch schon 67 Jahre alt ist er nicht mehr so agil auf der Bühne unterwegs wie früher, was aber durchaus in Ordnung geht. „Dream Police“ ist der Hammer, hier kann sich das Orchester nach Herzenslust austoben. Das merkt man den Musikern an, die sich hier förmlich um Kopf und Kragen spielen. Der Partykracher „Surrender“ erinnert mich mehrfach an den Film „Detroit Rock City“ und kommt sehr gut beim Publikum an. „The Flame“ ist für mich das Highlight des Abends, auch wenn Zander die hohen Passagen geschickt auslässt. Als Abschluss lässt „I Want You To Want Me“ sämtliche Zuschauer tanzen und mitsingen.
Setlist Robin Zander (Cheap Trick):
1. Hello There
2. Dream Police
3. Surrender
4. The Flame
5. I Want You To Want Me
Joyce Kennedy hat den kürzesten Auftritt des Abends und bringt mit „My Badd“ und dem unnachahmlichen „Baby Love“ lediglich zwei Stücke ihrer Stammband Mother’s Finest. Die mittlerweile 72-jährige Sängerin hat nach wie vor eine fetzige Bühnenpräsenz und ist stimmlich immer noch sehr gut. Warum man ihr jedoch nur zwei Stücke zugesteht, erschließt sich mir nicht.
Setlist Joyce Kennedy (Mother’s Finest):
1. My Badd
2. Baby Love
Das Orchester spielt zu Beginn von jedem Künstler ein Medley seiner bekanntesten Songs. Bei Alice Cooper kommen zu Beginn Passagen von dem Stück „Hello Hooray“, das schon fast Musical-Charakter hat. Danach gibt es einen großen Knall und der Meister des Schockrocks betritt die Bühne. Mit dabei hat er seinen aktuellen Stammgitarristen Tommy Henriksen, der ihn auch auf den sonstigen Touren begleitet.
Alice Cooper ist für mich das typische Beispiel eines Künstlers, der mit viel Theatralik, Bühnenpräsenz und einer gehörigen Portion Charisma jedes Publikum in Windeseile um den Finger wickeln kann. Außerdem singt er immer noch hervorragend und lässt so manchen Nachwuchsstar dabei ziemlich alt aussehen. Die Songauswahl ist der Oberhammer! Ich hätte damit gerechnet, dass er bei dieser Art von Tour auf Nummer sicher geht. Das Gegenteil ist der Fall! Stücke wie „Bed Of Nails“ oder den Soundtrack „He’s Back“ vom Horrorfilm „Freitag der 13. Teil VI“ hätte ich niemals erwartet. Es ist geradezu ein Geschenk an seine beinharten Fans, dass er diese Songs gerade vor diesem Publikum bringt.
Ein bisschen Show muss auch heute sein. Bei „Only Women Bleed“ hat er eine Tänzerin mit am Start, die Elemente eines klassischen Alice-Cooper-Konzerts mitbringt. Das unschlagbare „Poison“ lässt die Nürnberger Arena in ihren Grundfesten erbeben, hier ist mächtig was los. Als finale Zugabe kommen zu „School’s Out“ noch einmal sämtliche Musiker auf die Bühne und die Party geht mit einem richtig guten Schlusssong zu Ende.
Setlist Alice Cooper:
1. No More Mr. Nice Guy
2. Under My Wheels
3. Bed of Nails
4. He's Back (The Man Behind the Mask)
5. Only Women Bleed
6. Poison
7. School's Out
Das Publikum honoriert die tollen Leistungen des Orchesters, der Mat Sinner Band und den jeweiligen Künstlern mit sehr viel Beifall. Ich bin sehr zufrieden und freue mich, die Künstler in einer derartig guten Verfassung mit dem tollen Orchester live gesehen zu haben. Nach ein paar Wochen Abstand bekommt das Ganze noch eine ganz andere Note. Seit dem Wochenende ist nichts mehr wie es vorher war, das Corona-Virus grassiert weltweit um sich und legt das komplette Leben lahm. An Konzerte ist auf absehbare Zeit nicht mehr zu denken, selbst Besuche bei Freunden sind auf zwei Wochen erst einmal nicht mehr erlaubt.
Ich hoffe inständig, dass diese Krise vorbeigeht und es wieder möglich ist, Konzerte zu besuchen.
Erst wenn man etwas nicht mehr hat, weiß man was einem fehlt!
Stefan Graßl
Zurück zur Artikelübersicht |