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Dass “Abschied” in irgendeiner Weise Thema dieser Kolumne werden würde, war mir von vorneherein klar. Im Februar 1995 endete das halbe Jahr, das ich im Predigerseminar in Wittenberg zugebracht habe – eine kurze, aber intensive Zeit in einer Gemeinschaft auf Zeit mit Vikarinnen und Vikaren aus Berlin-Brandenburg, Pommern, der anhaltinischen Landeskirche, aus Westfalen und dem Rheinland. Ich hoffe, ich habe keine Landeskirche vergessen. Alles das sind Landeskirchen der Evangelischen Kirche der Union (heute: Union evangelischer Kirchen), die das Predigerseminar trägt, d.h. Landeskirchen aus dem Gebiet des ehemaligen Preußens, in dem 1817 die Trennung lutherischer und reformierter Kirchen von Friedrich Wilhelm III per Dekret aufgehoben wurde.
In diesem Zusammenhang muss der Name von Peter Freybe fallen, damals Direktor des Predigerseminars, dem es in erster Linie zu verdanken ist, dass sehr schnell eine Atmosphäre großen gegenseitigen Vertrauens in der zusammengewürfelten und durchaus heterogenen Gruppe herrschte, eine Atmosphäre, in der eine sachliche, aber wirklich scharfe Kritik an z.B. Predigten oder der Gesprächsführung in seelsorgerlichen Gesprächen möglich war. So konnten wir sehr viel lernen, gerade weil die wirklich entscheidenden Punkte, an denen es auch einmal weh tun konnte, offen angesprochen und besprochen werden konnte. 25 Jahre danach: ein herzliches Dankeschön an Peter Freybe!!!
Am 22. Februar war endgültig Schluss. Um das Ende erlebbar zu machen, hatte ich den Großteil meiner Sachen in meinem Zimmer über dem Eingangstor zum Predigerseminar zurückgelassen (um sie etwas später mit dem Auto abzuholen) und mich für die knapp 100 km bis nach Berlin-Lichterfelde auf das Fahrrad geschwungen. Auf halber Strecke stellte ich fest, dass ich den Schlüssel meiner Wohnung ebenfalls in Wittenberg zurückgelassen hatte. Dass meine Frau nicht zuhause war, wusste ich. Also an der nächsten Telefonzelle gehalten (Wir befinden uns noch im Prä-Handy-Zeitalter. – Ich besitze bis heute keins!) und bei unserem Sohn in meiner alten Studentenwohnung angerufen, der glücklicherweise dort war. Mit Umweg über Lankwitz, um mir seinen Schlüssel zu unserer Wohnung abzuholen, kam ich dann glücklich in Lichterfelde an.
In der Packtasche hatte ich wohl auch die am 14. Februar erworbene CD Both Worlds von For absent Friends. Und auch das hatte etwas mit einem Abschied zu tun. Es war eine von fünf CDs des holländischen Labels SI Music, die ich an diesem 14. Februar in dem kleinen Musikladen Müller's Music Shop – Ich glaube, er war in der Coswiger Straße. - in Wittenberg erworben habe. Dieser „Massenkauf“ hatte natürlich seinen Grund. Wie ich schon in der Review zu der Kolumnen-CD im September erwähnt habe, war meine Begeisterung für dieses Label damals so groß, das es bereits genügte, das Logo des Labels auf einem Sonderangebots-Tisch zu sehen, um zuzugreifen. Dass dieser kleine Laden überhaupt etwas so Spezielles, wie das SI Label führte, war allein schon etwas Besonderes, aber offensichtlich nichts besonders Lohnendes und der Ladenbesitzer hatte sich wohl entschlossen dieses Engagement zu beenden und die letzten Scheiben preisgünstig raus zu hauen. Mein Glück!
Und als ich dann das Cover der CD Both Worlds sah, auf dem eine Art Priester in ein Licht hinein wanderte, dass sowohl Verheißung, wie Bedrohung ausrücken kann, war mir klar, dass das die perfekte CD für diese Kolumne sein würde.
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