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Info
Zeit: 13.09.2019
Ort: Jena, Kulturbahnhof
Internet:
http://www.kuba-jena.de
https://m.facebook.com/HeavyFeatherRock/
http://www.shophonks.de/
Der Tag, an dem die 2019/20-Konzertsaison im Jenaer Kulturbahnhof beginnt, ist ausgerechnet Freitag, der Dreizehnte – die Ankündigung auf der KuBa-Homepage fordert die Zielgruppe also augenzwinkernd auf, in den Club zu kommen, denn zu Hause sei die Gefahr, dass etwas passiert, viel größer. Und siehe da, die Räumlichkeit ist doch recht ansehnlich gefüllt, obwohl zwei Combos auf dem Programm stehen, die noch nie in Jena gespielt haben und deren Bekanntheitsgrad sich noch in überschaubaren Grenzen hält.
Als Opener spielen die Shophonks, die sich als Seventies-Kolonialwarenladen entpuppen: Sie agieren nicht im Stile eines typischen Powertrios, sondern klauben alles zusammen, was sich zwischen Grand Funk Railroad und AC/DC tummelt, und legieren das dann zu einem durchaus eigenen Stil, den vor allem der Sänger zusammenhält, der zwar keine außergewöhnliche Stimme besitzt, aber im Normalbereich gute Arbeit verrichtet. Bestes Beispiel für seine Fähigkeiten ist das Led-Zeppelin-Cover „Rock And Roll“ an vierter Setposition: Er ist hörbar kein zweiter Robert Plant, zieht sich aber mit ebenjener Normalstimme trotzdem gut aus der Affäre. Led Zeppelin bilden einen weiteren Eckpfeiler des Bandsounds und der Bluesrock per se auch einen – der an dritter Setposition startende „Heartbreakerblues“ macht die Ambitionen der Erzgebirgsbewohner auch in dieser Richtung eindrucksvoll deutlich, offenbart aber zugleich, dass sie, so solide sie grundsätzlich auch rocken und bluesen, noch daran arbeiten müssen, den Spannungsbogen grundsätzlich durchzuhalten: Bauen sie eine Verharrung ein, entwickelt sich nicht die gewünschte nervenzerfetzende Spannung, wann und wie es weitergeht, sondern die diffuse Hoffnung, dass es gleich weitergeht. Dafür überzeugen die Eigenkompositionen aber mit einer gekonnten Interpretation der Vorbildeinflüsse – und mal ehrlich: AC/DC-ähnliche Sounds mit nur einer Gitarre umsetzen zu wollen muß man sich erstmal trauen. Die Shophonks tun’s und gewinnen – zu keiner Zeit kommt in diesen Nummern das Gefühl auf, hier fehle jetzt aber wahlweise Angus oder Malcolm. Für die optische Show sorgt der Basser, der von seinen Bewegungsmustern her sofort in der DDR-Kultsendung „Medizin nach Noten“ eine Anstellung finden könnte, wenn es die denn noch gäbe, der zudem noch pausenlos Grimassen schneidet und seinen Baß so sehr liebt, dass er auch mal in Gene-Simmons-Manier mit der Zunge an ihm entlangfährt. Neben Material von ihrem 2015er Debütalbum Alone On The Road, das immer noch das aktuellste Konservenerzeugnis darzustellen scheint, spielen die Shophonks auch neues Material wie „Ticket To The Moon“, das verdeutlicht, dass sie ihren Weg konsequent weitergehen wollen. Auch das Publikum ist durchaus angetan von der Musik des Trios, und nur die Musiker selber werden wissen, warum sie den schnellen mitreißenden Klopfer „Time Machine“ als vorletzten und den gemäßigt vor sich hinrockenden, guten, aber nicht weiter auffallenden Titeltrack des Debüts als letzten Song des Sets spielen. So ernten sie deutlich mehr als nur freundlichen, aber keinen frenetischen Applaus und auch keine Zugabeforderungen, wodurch dem Auditorium die möglichen Extras „Just Got Paid“ und „Whole Lotta Love“ entgehen.
Die eingangs getroffene Aussage, dass an diesem Abend „zwei Combos auf dem Programm stehen, die noch nie in Jena gespielt haben“, entspricht der Wahrheit – aber sie bezieht sich eben nur auf die Bands als Ganzes und nicht auf die Einzelmusiker. Heavy Feather sind nämlich ein Ableger von Siena Root, und bei denen handelt es sich bekanntermaßen um die „Hausband“ des Cosmic-Dawn-Teams im Kulturbahnhof. Mathematisch aufgeschlüsselt sieht das dann so aus, dass 40% von Siena Root 50% von Heavy Feather entsprechen – oder anders gesagt: Zwei der fünf Siena-Root-Musiker wirken auch im Quartett Heavy Feather mit, nämlich Gitarrist Moppe und der letzte Neuzugang bei Siena Root, nämlich Sängerin Lisa, die umgekehrt den Gitarristen auch in ihrer eigenen, der Lisa Lystam Family Band, beschäftigt. Haben wir das Beziehungsgeflecht nun aufgedröselt, stellt sich logischerweise die nächste Frage: Brauchen wir auch Heavy Feather noch, wenn es die anderen genannten Bands doch schon gibt? Die Antwort ist ein klares Ja. Lisas eigene Band soll eher blueslastig agieren, heißt es (der Rezensent kennt sie nicht von eigenen Höreindrücken), und bei Siena Root schöpfen die Musiker in bezug auf Seventies und Psychedelic Rock aus dem Vollen – Heavy Feather (schönes Oxymoron übrigens) hingegen sind so etwas wie eine äußerst reduzierte Version von Siena Root. Es gibt keine Keyboards – Lisa wirft nur gelegentlich zusätzliche Percussion oder ein paar seltsame Effekte ein, ansonsten stellt die Gitarre klar das Führungsinstrument dar, und da sie auch nur einfach besetzt ist, ergibt sich ein Sound, den absolute Puristen als „auf das Wesentliche reduziert“ loben würden, den man aber auch als Nicht-Purist durchaus schätzen kann, wenn man nicht mit der Erwartungshaltung herangeht, hier Siena Root Mark II serviert zu bekommen.
Heavy Feather haben bisher ein Album veröffentlicht, Débris & Rubble heißt es, und mit seinem Titeltrack starten sie in den Set. Dass der dann überwiegend Material besagten Debüts enthalten würde, war natürlich klar, und siehe da, so mancher Anwesende kennt selbiges bereits, etwa „Where Did We Go“, zu dem auch ein Video abgedreht wurde. Allerdings beschränkt sich das Quartett keineswegs auf dieses Material, sondern spielt auch neue, noch unkonservierte Songs wie „Lovely Lovely Lovely“, die sich stilistisch nahtlos an das bereits veröffentlichte Werk anschließen lassen und klarmachen, dass, falls bis zur Aufnahme des Zweitlings nichts Außergewöhnliches passiert, nicht mit globalen Stilveränderungen zu rechnen ist – wir hören relativ puristischen Seventies-Rock Marke The Free, garniert gelegentlich mit leichtem Schielen zum US-Südstaatenrock. Als Trumpf kommt allerdings Lisas wandlungsfähige und in jeder Gestalt hörenswerte Stimme hinzu, die einen wichtigen Originalitätsfaktor für Heavy Feather darstellt. Und der Terminus „relativ puristisch“ soll hier nicht im Sinne von „four on the floor“ verstanden werden: Die Musiker zaubern durchaus, wenn es darauf ankommt, der Drummer, der von weitem aussieht, als hätte er Corpsepaint aufgetragen, was sich bei näherer Betrachtung allerdings als Trugschluß herausstellt, poltert sehr kompetent und bringt gelegentlich ein Rock’n’Roll-Feeling ein (sollte er derjenige der Musiker sein, der mal bei den Diamond Dogs gespielt hat?), auch der Basser versteht sein Handwerk, und über den Gitarristen noch lobende Worte zu verlieren hieße Königinnen nach Schweden zu exportieren. Dazu die Songs: Gelang es den Shophonks noch nicht durchgängig, eine spannende Atmosphäre zu erzeugen, wo man in den Verharrungen förmlich lechzt, wann und wie es weitergeht, da beherrschen Heavy Feather die Kunst, das Publikum bei der Stange zu halten, schon perfekt. Das wissen auch die Anwesenden im Kulturbahnhof zu schätzen, und so erntet das zudem mit guten Soundverhältnissen ausgestattete Quartett viel Applaus und wird ohne zwei Zugaben nicht fortgelassen, so dass sich eine Gesamtspielzeit von einer knappen anderthalben Stunde ergibt, als „Catch A Train“ dann letztlich Geschichte ist. Wer auf Siena-Root-Coverversionen gewartet hat, geht übrigens leer aus: Heavy Feather covern üblicherweise Hendrix oder Cream (letztere tauchen auch im Bandinfotext auf), aber nicht ihre 50-%-Stammband. Das scheint an diesem Abend freilich niemanden im Rund zu stören.
Roland Ludwig
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