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Info
Zeit: 11.10.2019
Ort: Jena, Kulturbahnhof
Internet:
http://www.kuba-jena.de
https://m.facebook.com/ecstaticvision/
https://m.facebook.com/ManthraDei
https://warptlv.bandcamp.com/releases
Manchmal arbeitet die Logistik gegen die Kunst – aber bisweilen auch nicht ganz so stark wie vorab befürchtet: Valley Of The Sun hatten im Jenaer Kulturbahnhof angefragt, ob sie am Freitag des zweiten Oktoberwochenendes 2019 dort spielen könnten – das KuBa-Team aber hatte kurze Zeit zuvor bereits Ecstatic Vision zugesagt. Beide Touren zusammenzulegen, was in der Vergangenheit in ähnlichen Konstellationen durchaus schon praktiziert wurde, hätte diesmal ein Package von fünf Bands ergeben, was selbst für einen Freitagabend zuviel sind, wenn es sich nicht gerade um ein Hardcore- oder Punkrock-Konzert handelt, wo jede Band maximal eine halbe Stunde spielt, und das wäre hier nicht der Fall gewesen. Ergo gehen Valley Of The Sun und ihr Support The Alligator Wine an diesem Abend in den Jenaer Rosenkeller, was freilich bedeutet, dass sich das Zielpublikum noch stärker atomisieren muß als an besagtem Tag sowieso schon nötig, denn im unweit gelegenen Weimar ist Zwiebelmarkt mit Dutzenden Konzerten aller möglichen Stilistika auf mehreren Bühnen. Ergo gibt es durchaus gewisse Bedenken, was die Publikumskopfzahl im Kulturbahnhof betrifft – so schlimm wie befürchtet kommt es indes dann doch nicht: Der Saal ist zwar keineswegs gedrängt voll, aber ein halber Füllstand ist letztlich doch deutlich besser als das Worst-Case-Szenario.
Warp müssen, als sie eine Dreiviertelstunde nach der eigentlich geplanten Anstoßzeit zu spielen beginnen, allerdings noch mit einer ziemlich leeren Lokalität vorliebnehmen – aber die Besucher tröpfeln dann doch noch schrittweise ein, und als die Israelis die Bühne wieder verlassen, ist der Raum schon nahe an seinem Maximalfüllstand dieses Abends. Das Trio spielt, so könnte es dem Uneingeweihten erscheinen, gerade mal zwei Songs, von denen der erste urlang ist – aber ein genauerer Blick zeigt, dass sie einfach nur eine ganze Menge Songs ohne Pausen dargeboten haben, was dann auch erklärt, warum es keine wiederkehrenden Motive o.ä. gibt, die man in einem Longtrack ja üblicherweise erwartet. Das aktuelle Album der Band ist selbstbetitelt und wartet mit einem der schrägsten Songtitel der letzten Zeit auf: „‚Confusion Will Be My Epitaph‘ Will Be My Epitaph“ heißt das gerade mal einminütige titelverschachtelte Stück. „Schräg“ ist auch ein gutes Stichwort für die Musik des Trios, denn von der Basis der 70er-Black Sabbath unternehmen die Israelis Ausflüge in Stoner- und leicht angeproggte Gefilde, halten zudem das Tempo sehr variabel und lassen ihren Gitarristen gerne und ausladend solieren, wobei der Sound der Leads nicht selten an einen gewissen Tony Iommi erinnert, der im Riffing gar noch stärkere Spuren hinterlassen hat. Unglücklicherweise arbeitet das Trio freilich die Riffs nicht markant genug heraus und nutzt deren Stärken nicht in wünschenswertem Maße – und das liegt nicht nur daran, dass unter den Soli in der Dreierbesetzung ja kein Riffing liegt. Der gelegentliche Progfaktor geht auf das Konto des Drummers, der bisweilen eher abseitige Rhythmen einstreut, die Bill Ward selbst im größten Rauschzustand nie eingefallen wären, und der im Verlaufe des ersten Blocks mal mit einem seiner Becken zu kämpfen hat, das sich gelockert hat – wie er damit bis zur nächsten Stelle, wo er Gelegenheit hat, es wieder richtig festzuschrauben, spieltechnisch umgeht, das verrät einen Könner. Könner sind übrigens alle drei Musiker, wenn es um den Gesang geht, den sie sich teilen, wenngleich nicht ganz im Drittelverhältnis. Den Löwenanteil bestreitet der Gitarrist, der angerauht beginnt, aber später zeigt, dass er auch cleanere Lagen beherrscht. Der Bassist streut anfangs nur einige Gangshouts ein, bekommt aber im hinteren Setteil auch noch Leadgesangspassagen zugewiesen, die er recht expressiv, aber durchaus nicht unmelodisch meistert. Der Drummer schließlich hat die klarste Stimme aller drei und könnte auch in einer AOR-Truppe anheuern, soweit man das im zwar recht transparenten, aber auch ziemlich lauten Klanggewand einschätzen kann. Publikumskommunikation gibt es angesichts der eingangs beschriebenen Spielstruktur selten, aber dem Sympathiefaktor der Band tut das keinen Abbruch, und unter den Anwesenden finden sich sogar einige, die ein paar hebräische Worte mit den Musikern aus Tel Aviv wechseln können. Zu Zugabeforderungen ringt sich das Publikum aber nicht durch, und angesichts der vorgerückten Stunde wäre dafür auch keine Zeit geblieben.
In der Umbaupause läuft als Tribut an den wenige Tage zuvor verstorbenen Cream-Schlagzeuger Ginger Baker „Tales Of Brave Ulysses“, und kurze Zeit später betritt auch ein Powertrio die Bühne, das Cream sicherlich nicht nur vom Hörensagen kennt – schließlich ist das Hauptthema des letzten Songs im regulären Set ein wenig an das von „Sunshine Of Your Love“ angelehnt. Manthra Dei, so der Name der Formation aus Brescia, sind aber natürlich keine Coverband, sondern kochen durchaus ihr eigenes Süppchen und sehen sich selber als so eigen, dass sie sich als „the world first prog stoner band ever“ bezeichnen. Okay, darüber darf diskutiert werden – aber festzuhalten bleibt erstmal, dass nach den Trio-Anfängen und der zwischenzeitlichen Erweiterung um einen Keyboarder an diesem Abend wieder nur das Trio spielt und gute Teile des spacigen und psychedelischen Faktors damit wegfallen, wenngleich auch der Gitarrist sein Instrument gern mal jaulen und quietschen läßt, mit letzteren Tönen durchaus trommelfellgefährdende Bereiche aufsuchend, während der Sound ansonsten auf angenehmem Niveau siedelt. Im Gegensatz zu seinem Warp-Kollegen geht der Manthra-Dei-Trommler oft über längere Strecken eher geradlinig zu Werke, kann aber natürlich auch komplexe Beats beisteuern, wenn es notwendig erscheint. Gitarrist und Bassist hingegen musizieren in den ersten zehn Minuten so gekonnt aneinander vorbei, dass man fast geneigt wäre, es als Absicht zu werten. Irgendwann wird aus zwei Saitenschwingern plötzlich aber doch noch eine musizierende Einheit, wobei auch hier der Materialunkundige im Regen stehengelassen wird, wie viele Songs sich tatsächlich im Set verstecken, der zwei Zäsuren hat und vor der Zugabe noch eine weitere. Viele Passagen morphen streng logisch und werden doch nicht langweilig, da man stets mit Überraschungen rechnen darf bzw. muß, und so entwickelt sich aus schwierigen Anfängen noch richtig interessanter Jamrock, der sich im Direktvergleich etwa mit Cream aber deutlich weniger aus dem Blues speist. Der Gitarrist agiert von den verwendeten Sounds her recht vielseitig, trägt ein Basecap und ist auch für die wenigen Ansagen zuständig, die er teilweise im heimatlichen Italienisch hält – Gesang hingegen gibt es hier keinen, was einerseits natürlich den Eingängigkeitsfaktor senkt, aber andererseits keineswegs als Lücke angesehen werden muß: Auch als Trio vermißt man im Sound von Manthra Dei zumindest als unkundiger Hörer, der die Formation an diesem Abend erstmals erlebt, nichts. Das Publikum ist sehr angetan von dem, was es hört, und trotz gewisser Unschlüssigkeit, ob man nun eine Zugabe einfordern soll oder nicht, gibt der Drummer mit der Frage „More?“ den Ausschlag und die Band somit einen Extrasong zum besten. Als kleine Reminiszenz ans Heimatland der Formation erklingt in der Umbaupause dann noch „Azzurro“ (nein, nicht in der Fassung Der Toten Hosen).
Nennt man seine Band Ecstatic Vision, ruft man bei seinen Hörern eine gewisse Erwartungshaltung hervor – aber das so betitelte Quartett ist, so stellt sich heraus, tatsächlich in der Lage, ekstatische Visionen zu erzeugen, und das tun die Musiker an diesem Abend mit enormer Intensität. Damit ist nicht gemeint, dass sie lautstarken Phonterror betreiben – der Sound ist abermals recht laut, aber nicht überlaut und immer noch klar genug, dass man reichlich Einzelheiten hören kann, aber zugleich ein gehöriges Brett geliefert bekommt. „Heavy Psych Rock“ lautet eine von mehreren Eigendefinitionen, Hawkwind tauchen im Bandinfo gleich mehrfach auf, im Bandsound dagegen nicht ganz so oft, wie man daraus schließen könnte – dafür agieren die Philadelphianer nicht spacig genug, trotz Geräuschesamples im Hintergrund. Für die Hauptdruckfaktoren sorgen die vier Musiker live selbst: Der Drummer agiert enorm kompakt und nicht selten in höheren Geschwindigkeitsregionen, der Sänger besitzt ein recht kratziges, aber nicht unangenehmes oder aggressives Organ und greift oft und gern zur Zweitgitarre – und da ist ja noch der Hauptgitarrist, der auch noch einem Zweit- und Drittjob nachgeht, nämlich als Saxophonist und als Flötist. Spielt er Sax, steht er absichtlich klanglich ein wenig im Hintergrund, so dass man sich stärker auf ihn konzentrieren muß, während die Abmischung der Flöte selbst einen Könner wie KuBa-Stammtontechniker Thomas vor gewisse Herausforderungen stellt, die er allerdings zumindest bis zu einem gewissen Level bewältigen kann. Immerhin spielt das Instrument aber keine so dominante Rolle wie etwa bei Jethro Tull oder Wucan – aber es sorgt für Farbtupfer im ansonsten recht monochromen, deshalb aber keineswegs langweiligen Gebretter, dessen Wirkung durch die Lichtshow noch eine maßgebliche Verstärkung erfährt: Zwei bodennahe Scheinwerfer links und rechts auf der Bühne, oft ihre Farbe wechselnd, sind jeweils über längere Abschnitte mit Stroboskopeffekt aktiv, was für die vorderen Reihen etwas anstrengend sein könnte, im hinteren Bereich, wo sich der Rezensent aufhält, allerdings das Gesamtbild kongenial abrundet. In der Setmitte verlassen der Sänger und der Saxer plötzlich die Bühne und beginnen durchs Publikum zu laufen, wobei der Sänger das Mikrofon und den Dämpfer vor den Schalltrichter des Saxophons hält – hier eine gekonnte Auflockerung und keinesfalls mit der überambitionierten „Session“ von The Great Machine dreizehn Tage zuvor an gleicher Stelle (siehe Rezension auf diesen Seiten) gleichzusetzen. Ecstatic Vision sind songwriterisch intelligent genug, um trotz aller erwähnten Monochromie genügend Variationsbreite ins Material zu bringen, auch wenn die Ruhepole an diesem Abend selten bleiben und man nach Hauptset plus Zugabe irgendwie auch dann platt ist, wenn man nicht in den ersten Reihen das Tanzbein geschwungen hat, wozu es reichlich Gelegenheit gab, und Platz war ja angesichts der überschaubaren Publikumskopfzahl auch. So endet zur halben Geisterstunde ein teilweise sehr intensives Konzert. Under The Influence, die 2018 vor das dritte Album der Amis, For The Masses, eingeschobene EP, ist übrigens eine Coverplatte und enthält „Ecstatic Vision‘s take on some of their favorite songs by some of their biggest influences ranging from Zam Rock to the kings of early Psychedelia and Detroit rock“, sagt das aktuelle Infoschreiben. Das Riff in der Zugabe kam dem Rezensenten tatsächlich diffus geläufig vor – ansonsten hat er aber keine einzige der Nummern erkannt.
Roland Ludwig
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