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Info
Zeit: April 2019
Ort: Lauda-Königshofen - Tauberfrankenhalle
Besucher: 2.500
Internet:
https://www.facebook.com/keepittruefestival
Alle Jahre wieder… kommt nicht nur der Osterhase, sondern kurz darauf heißt es wieder: Keep It True! Bereits zum 22. Mal findet diese kultige Oldschool-Sause heuer statt. Zwei Tage lang im lieblichen Taubertal, im beschaulichen Lauda-Königshofen, in der von vielen ungeliebten, aber doch zur Kathedrale des wahren Stahls gewordenen Tauberfrankenhalle. Seinen Körper hierher zu schleppen hat was von nach Hause kommen und aufgrund der über die Jahre entwickelten Bekannt- und Freundschaften hat das Festival auch immer etwas von Klassentreffen.
Organisatorisch wagte man nach den starken Veränderungen der letzten Jahre keine großen Experimente und ging den eingeschlagenen Weg geradewegs weiter. An den Verpflegungsständen weg vom Bargeld, hin zu aufladbaren Plastikkarten. Allerdings war die Ladestation aufgrund des schlechten Wetters ungeplant gut versteckt worden. Na gut, man konnte sie irgendwann auch finden. Ein Plus war erstmal ein neben der Halle zu findender Toiletten- und Duschcontainer, der stets sauber war. Sehr gut!
Der Eintrittspreis für die Karten vom letzten Jahr von 99,- € wurde beibehalten. Durch die aktuelle Regelung konnte jeder das ganze Wochenende gemütlich ein Ticket für 2020 ergattern. Die langen Schlangen am Einlass hat man nach wie vor nicht wirklich im Griff, aber manches lässt sich aufgrund des Andrangs wohl auch nicht ändern. Dafür gab es in Sachen Sound aufgrund des neuen, von Saxon geprüften Mischers eine leichte Tendenz nach oben. Schwierig genug hier. Das Wetter war durchgehend kalt und regnerisch, was bei einem Hallenfestival ja nicht so wichtig wäre. Dafür war dieses Mal nix los mit ausgedehnten Biergartensessions im Freien.
Wirklich zu beanstanden gab es dieses Mal nicht, eben nur Kleinigkeiten, die einem das Ganze nicht abspenstig machen. Und deswegen kommen wir am besten auch zum Wichtigsten in diesem Wochenende. Der Musik:
Das KIT am ersten Tag eröffnen zu dürfen ist einerseits eine Ehre und kann der Start einer Karriere sein, auf der anderen ist es auch ein schwieriges Unterfangen. Schließlich stehen viele noch in diversen Schlangen an und möchten nach der Warterei ordentlich einen vor den Latz geknallt bekommen. Da heißt es Gas zu geben. Und daran scheitert es bei SABIRE nicht. Die Band um den Kanadier und Wahl-Australier Scarlett Monastyrski war aber motiviert bis in den Haarspitzen. Der Frontmann, der wie eine Mischung aus dem jungen Spandex-Freddie-Mercury und Blackie Laswless wirkt, steht voll im Fokus des Ganzen und seine Mitmusiker folgen ihm nur. Dafür präsentiert man sich äußerst spielfreudig und haut seinen speedigen Metal, der wie eine Mischung aus W.A.S.P. und Akteuren der jungen, wilden NWOBHM klingt, mit viel Schmackes raus. Songwriterisch an sich nix Besonderes, an diesem Tag aber ziemlich launig. Ein angenehmer Arschtritt zur Mittagszeit. Das hat gepasst. Nur das Cover von Rose Tattoos „Bad Boy For Love“ hätte es vielleicht nicht gebraucht. Da fehlte dann doch etwas die schmierige Asi-Laszivität.
Bei Band Nr. 2 war dann gleich der erste Wiedergänger am Werk. Und zwar Sänger JP Abboud, der bereits zum dritten Mal auf der KIT-Bühne stand. Beim ersten Mal mit den nicht mehr existierenden Borrowed Time und letztes Jahr mit Gatekeeper. Doch dieses Mal ging es nicht so episch wie bei letzteren zu Werke, sondern mit lässigem, speedigen Heavy Metal. Und der rockige Stoff von TRAVELER steht dem Mann mit dem irren Blick ein ganzes Stück besser. Denn hier geht er richtig ab. Genauso wie seine vier Mitmusiker, die abseits der Bühne ziemlich unscheinbar wirken. „Speed Queen“ ist ein programmatischer Titel. Ziemlich satt werden hier Riffs der alten Priest- und Maiden-Schule im D-Zug-Tempo durch die Lautsprecher getrieben. Die Jungfrauen selbst huldigt man ganz direkt mit der Coverversion von „Be Quick Or Be Dead“, verstorbene Musikerkollegen (allen voran natürlich Mark Shelton) mit dem eigenen Song „Fallen Heroes“. Den Sack zu macht man mit „Starbreaker“ und man hat als Zuhörer das Gefühl, eine Dreiviertelstunde ziemlich Spaß gehabt zu haben. Oldschool-Metal der guten Sorte mit einem dicken Grinsen zwischen den Backen.
So, dieses Festival lebt natürlich nicht nur von den hungrigen Newcomern, sondern in erster Linie von den wieder aus der Versenkung aufgetauchten alten Haudegen. Die Texaner JUGGERNAUT gehören zu dieser Kategorie. Hier sind mit Ausnahme des Schlagzeugers tatsächlich drei Viertel der Originalbesetzung mit an Bord. Auch nicht gerade gewöhnlich, aber umso authentischer. Und das ist nur von Vorteil bei diesem etwas kauzig-verschrobenen und technisch anspruchsvollen Thrash-/Speedmetal. Zur aktiven Zeit Mitte der 80er hat man nur zwei Alben zustanden gebracht, die auch damals schon nicht gerade zu den Megasellern gehörten. Und so war das Interesse an der Reunion anfangs etwas spärlicher, was die Truppe allerdings nicht so zu stören schien. Vor allem Gitarrist und Grimassenkönig Bob Catlin war mit viel Elan bei der Sache und stürzte sich mit ordentlich Leidenschaft in seine sechs Saiten. Juggernauts Musik sorgt natürlich nicht gerade für absolute Partystimmung. Aber was hier abgespult wurde, war schon ordentlich, beim Erstkontakt aber auch ziemlich sperrig. Zu Bemängeln gab es eigentlich nichts. Nicht mal das abschließende Sex-Pistols-Cover „Holidays In The Sun“. Und einen ziemlich skurrilen Vorfall gab es auch noch. Sänger Harlan Glenn hatte in einem blau-weißen Bierkrug die Asche seines deutschstämmigen Vaters mit dabei, die er während des Konzerts auf der Bühne verstreute. Quasi eine Rückkehr in die Heimat. Na, wenn das das Ordnungsamt mal nicht mitbekommen hat… Tags darauf waren die Boxen im Fotograben jedenfalls immer noch schön grau eingestreut.
Weiter ging’s mit einer weiteren Ami-Band: CITIES. Sie sind bekannt, weil dies eine kurze Station von Twisted-Sister-Drummer A.J. Pero war. In der aktiven Zeit brachte man nur auf eine EP und einer erweiterten Albumversion davon (beide unter dem Namen „Annihilatione Absolute“). Übrig von damals ist nur noch Bassist Sal Italiano (stand während seines kurzen Anvil-Gastspiels ebenfalls mal auf der dieser Bühne). Extra für das Wochenende suchte er sich drei neue Mitstreiter, um die alten Cities-Songs wiederzubeleben. Und das war auch der positive Aspekt an diesem Auftritt. Man sah Sal die Freude an, seine alten Nummern spielen zu dürfen. Gutklassige US-Metal-Stücke, die man sich doch gut anhören kann. Spielerisch gab es hier nix zu bemängeln, auch wenn das Ganze selbstverständlich den Charme einer x-beliebigen Coverband hatte (was auch noch das gespielte „Heaven And Hell“ von Black Sabbath unterstrich). Aber die Erwartungen waren eben auch nicht größer. Schade, dass besonders der Frontmann ziemlich ausstrahlungsfrei und unauffällig über die Bühne schritt. Denn gesanglich hab es nix zu meckern. Ablegen im Fach: mal nett gehört zu haben!
Die nächste Band spielte da natürlich schon einige Ligen höher. ANTHEM sind nämlich neben Loudness DIE Metal-Band aus Japan. In seiner Heimat füllt man die ganz großen Arenen. Doch anders als ihre genannten Landsleute hat man sich bisher nicht live in Europa sehen lassen. Wie gut, dass sich das nun änderte. Denn der Auftritt war verdammt fett! Das Quartett bot schmissigen Oldschool-Metal, welchen man angenehm modern und mit jeder Menge Power präsentierte, die unheimlich mitriss. Die Musiker wissen, wie man sich auf der Bühne präsentiert und die Professionalität beeindruckte einfach. Trotzdem kam die Spiellaune nicht zu kurz. An der Front wuselte man ständig von links nach rechts über die Bühne und klang auf der einen Seite unheimlich locker und dann technisch doch wieder ziemlich beeindruckend. Ein starker Sound, der hier durch die Lautsprecher drückte. Es war ein wahrer Genuss Nummern wie „Wild Anthem“, „Gypsy Ways“, „Bound To Break“ oder auch „Hunting Time“ hören zu können. Das war durchaus Headliner-würdig und die Stunde Spielzeit ging fast schon etwas zu schnell zu Ende. Wirklich GROSS. Hoffentlich darf man das in unseren Breitengraden mal wieder erleben. Bis dahin bleibt nur mal ihr aktuelles, tolles Album „Nucleus“.
Nach diesem Höhenflug folgte dann ein ziemlicher Tiefpunkt. Mit etwas gutem Willen hätte das Gastspiel von Sänger John Cyriis als AGENT STEEL ein wahrer Triumphzug werden können. Wurde es aber leider nicht. Die Vorzeichen waren ja schon schlecht. Im Vorfeld wurden bereits einige Konzerte abgesagt, die Frage war, ob der KIT-Gig auch betroffen sein würde? Es folgte ein Bangen und Warten. Vor allem Warten. Zeitlich war man eh schon später dran und der Sänger mit der legendären Schneidbrenner-Stimme und bekennende Diva setzte dem noch eins drauf und ließ seine Fans noch über eine Stunde mehr ausharren. Das Ende der Umbaupause war ungewiss und seitens der Veranstalter kamen auch keine Worte der Beruhigung. Man hätte es wohl eh nicht geglaubt, dass Cyriis schlicht und ergreifend im Stau stand (während sich seine Band schon lang in der Halle befand). Dazu noch ein paar besondere Befindlichkeiten… ach, lassen wir das. Es war zumindest kein Wunder, dass die Rufe des Publikums nach den Russen Aria immer lauter wurden. Jedenfalls ging es dann doch los. Die frisch zusammen gewürfelte Band, die mittlerweile auch schon wieder Geschichte sein soll, ging gut ab, auch wenn keine Juan Garcia und/oder Bernie Versailles auf der Bühne standen. Dann schlurfte auch die Frontmann auf die Bühne und legte los. Er sah zwar nicht so aus, als hätte er besonders Bock, aber die schrillen Schreie bekam er immer noch hin. Auch wenn man nicht wirklich erkannte, welchen Song er gerade zum Besten gab. Seine Einsätze wirken stellenweise fast willkürlich (da war doch wohl nicht etwas Alkohol im Spiel?). Schade. Am Ende stutzte man das Set dann auf sechs Songs zusammen. Dann war’s auch wieder gut. Schade war das Spektakel für die Band wie für die Veranstalter – und vor allem für wirklich weit gereiste Fans, die sehr lange Strecken genau hierfür zurückgelegt hatten. Hier sollte sich jemand kräftig schämen! Am besten solche Sachen im Vorfeld nicht mehr buchen. Ging ja schon mal schief… Auf der anderen Seite muss man Herrn Cyriis allerdings zugutehalten, dass er nach dem Auftritt sehr geduldig, wenn auch ebenso lustlos, seine anberaumte Autogrammstunde abhielt.
Nach dieser überflüssigen Schmach war das Folgende definitiv eine echte Wohltat. ARIA sind in ihrer Heimat in etwa das, was Iron Maiden bei uns sind und füllen dementsprechend die größten Aren. Bei uns ist man dafür fast ein unbeschriebenes Blatt Trotz jahrzehntelanger Bandgeschichte und einem riesigen Backkatalog. Liegt natürlich auch daran, dass die Band in ihrer Heimatsprache Russisch singt und ihre Tonträger hier auch nie wirklich offiziell veröffentlicht wurden. Ein Deutschland-Debüt war das Ganze nicht. Trotzdem lag ordentlich Spannung in der Luft, als das Quintett die Bühne enterte. Geboten wurde klassischer Stadion-Metal mit tollen Melodien und Hymnencharakter. Schade, dass man wegen der Sprachbarriere nicht wirklich mitsingen konnte. Das störte das Publikum allerdings nicht. Die Stimmungspegel war nämlich von Minute eins an ziemlich hoch und die Lärmkulisse vor der Bühne auch recht hoch. Wahnsinn, was hier abging. Die Halle war komplett gefüllt (inklusive der Ränge natürlich). Damit war der eigentliche Headliner des Tages wohl auch bestimmt. Die Band agierte, ebenso wie Anthem, natürlich hochprofessionell, versprühte aber massenweise positives Wohlgefühl und man merkte, dass es ihr auch Spaß machte vor einem etwas anderen Publikum im (für ihre Verhältnisse) kleineren Rahmen zu spielen. Sozusagen eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Fragt mich nicht nach Liedtiteln, die könnte ich mir eh nicht merken. Aber jeder Song hatte seinen Charme und ging sahnig ins Ohr. Die Aria-Sprechchöre wurden immer lauter und es war kein Wunder, dass man lauthals nach eine Zugabe verlangte. Auch hier hätte man gerner noch mehr gehört. 75 Minuten pure Kurzweil. Sehr toll!
Nach dieser Party brauchte man keine kurze Verschnaufpause. Denn schließlich sollte der emotionale Höhepunkt noch folgen: eine Tribute-Show für MARK SHELTON. Eine Art letztes Geleit von Freunden und Verehrern und das letzte offizielle Konzert von MANILLA ROAD. Vor zwei Jahren stand Mark das letzte Mal auf der Bühne in Lauda-Königshofen. Im letzten Sommer verstarb er überraschend nach seinem Auftritt beim Headbangers Open Air. Zweieinhalb Stunden wurde die Musik von Manilla Road geehrt – 24 Songs lang. Auf der Bühne stand natürlich die letzte Besetzung der Band. Unterstützt von alten Kollegen und Weggefährten, welche die Songs im Wechsel zum Besten gaben. Sänger Bryan Patrick führte durchs Programm. Mit dabei waren unter anderem die alten Band-Drummer Rick Fisher und Randy Foxe. An den Instrumenten Kalli von Abandoned/Masters Of Disguise, Battle-Ram-Gitarrist Gianluca Silvi, Jarvis Leatherby von Night Demon sowie Candlemass-Bassist Leif Endling. Ans Mikro wagen sicht Visigoth-Frontmann Jake Rogers, der derzeitige Bonfire-Sänger Alexx Stahl und für eine weibliche Note sorgte Crystal-Viper-Frontfrau Marta Gabriel. Eigentlich war das Ganze ein rauschendes Fest. Denn es war ein Vergnügen die Songs von Manilla Road noch einmal, vielleicht auch in letztes Mal, live hören zu können. Zudem noch mit soviel Engagement im Vortrag. Auf der anderen Seite verdrückte nicht nur der Hellroadie so manche Träne, sondern ebenso viele alte Fans vor der Bühne. Der emotionale Höhepunkt war dann auch, als Mark Sheltons Mutter auf die Bühne trat und vor Überwältigung den Satz „Thank you for remebering my son“ sprach. Da musste man schon einen Klos im Hals verdrücken. Schade war natürlich, dass, bedingt durch die Verzögerung bei Agent Steel, die Zeit schon ziemlich fortgeschritten war. Das Ganze fand erst weit nach 1 Uhr sein Ende. Der lange Tag forderte so manchen Tribut und die Halle leerte sich zunehmends. Aber: Es war zweifelsohne eine schöne Sache!
Der Tag startete erst mal mit einer Hiobsbotschaft. Leif Endling hatte es so nebenbei während seines Gastauftritts am Abend davor bereits angemerkt: Candlemass können ihren geplanten Headliner-Auftritt wegen eines Pilotenstreiks nicht antreten. Jetzt war es offiziell. Tja, mal wieder Pech mit den Flugzeugen. War auch 2010 schon so, als ein Vulkanausbruch in Island den kompletten Flugverkehr in Europa zum Erliegen brachte. Trotzdem machte die Bezeichnung „Canclemass“ verstärkt die Runde. Man machte das Beste aus der Lage, fing etwas später an und gab der einen oder anderen Band eine etwas verlängerte Spielzeit. Vor allem Satan, die eine Viertelstunde mehr bekamen.
Aber kommen wir zu wirklich positiven Dingen. Und das sind die Bands, welche an diesem Samstag auch wirklich auftraten. In diesem Fall der stilistische Farbtupfer IDLE HANDS. Straighter Metal mit NWOBHM-Einflüsse trifft auf dunkle Stimmung und Gothic-mäßige Stimmung, welche vor allem vom Gesang und den teils cleanen Gitarren her rührt. Bei soviel Oldschool-Charme im restlichen Programm wirkten die Amis wirklich exotisch, rissen aber aus dem Stand mit ihren schmissigen Songs mit. „Nightfall“ drückte gleich mal mächtig mit Drive rein. So mancher wusste anfangs nicht so recht etwas damit anzufangen. Der lässige Gesang und die betont coole Ausstrahlung von Frontmann Gabriel Franco schienen manchem befremdlich. Sein Kompagnon an der Gitarre, Sebastian Silva, gab sich dafür als gut aufgelegter Posingmeister. Brandon Hill am Bass zeigte sich engagiert und brachte ein paar Background-Gesänge mit ins Spiel. Sogar im Mittagslicht funktionierte das Ganze und selbst vermeintlich softe Songs wie „A Single Solemn Rose“ kickten, da die Ausrichtung im Kern doch eindeutig Metal ist. Spannende Band, von der wir sicherlich noch öfter hören dürften.
Nach den Jungspunden durften dann ein paar Oldie ran. SACRED RITE aus Hawaii hatten in den 80ern gute feine Alben veröffentlicht. Zwischenzeitlich gab es immer wieder mal Neustartversuche, welche allerdings nicht von glorreichen Taten geprägt waren. Tatsächlich war das heute die erste Europashow und es standen auch noch zwei Originalmitglieder von früher auf der Bühne. Und man muss schon sagen: irgendwie war die Band ein unerwartetes Highlight, eine echte Überraschung. Die Band präsentierte sich derart lebendig, als hätte es nie eine Pause gegeben und die Songs wären erst gestern geschrieben worden. Sänger Mark ist ein wirklich toller Frontmann und zusammen mit Gitarrist Jimmy bildet er ein tolles Gitarrenduo, das beachtliche Sachen spielte. Ihre neue Rhythmusgruppe entpuppte sich dazu als echter Gewinn. Diese Power und gleichzeitig soviel Groove hört man nicht alle Tage. Ich habe mir die Alben der Truppe mal angehört. Und ich muss schon sagen, das hier war schon noch eine Ecke besser. Sogar das Beatles-Cover „Eleanor Rigby“ fügte sich wunderbar ins Programm ein und war ein angenehmer Farbtupfer. Sacred Rite zogen von Song zu Song mehr Leute an und es war kein Wunder, dass der Applaus immer lauter wurde. Nachträglich betrachtet, hätte man vielleicht eine etwas höhere Billingpositon verdient gehabt. Aber auf der anderen Seite kamen schließlich noch weitere wohlklingende Namen und feine Highlights.
Eines hört auf den Namen WITHERFALL. Mit diesem progressiven Powermetal wurde hier schon eine ganz andere Schiene gefahren. Helle Partystimmung raus, technische Perfektion und große Gefühle rein. Wem nicht klar war, warum die Band als die neuen Nevermore gehandelt wird, sollte seine Lauscher aufsperren. Nicht umsonst hat Sänger Joseph Michael Warrel Danes Nachfolge bei Sanctuary angetreten. Selten hört man einen Sänger mit derart viel Gefühl, Abgründigkeit und Erhabenheit. Hier gab es kein unnötiges Gezappel, dafür viel Beeindruckendes. Bis auf das Auftreten von Michael und die stellenweise Posing-Anfälle des sonstigen Iced-Earth-Gitarrist Jake Dreyer war der Auftritt sogar ziemlich statisch. Aber spielerisch massiv beeindruckend. Sieben Songs wurde dargeboten. Jeder für sich ein kleines Monument. Besonders natürlich das überlange Kunstwerk „Vintage“, welches dem ehemaligen, verstorbenen Bandkollegen Adam Sagan gewidmet war, und das sicherlich nicht nur den Berichterstatter emotional packte. Nur schade, dass die Tauberfrankenhalle mal wieder nicht den richtigen akustischen Rahmen für dieses tolle Klangkino (übrigens der erste vollverstärkte Auftritt der Band in Europa) bieten konnte. Aber irgendwas ist ja immer. Ansonsten: perfekt!
Auch im Weiteren durften die Gefühle Achterbahn fahren. Dabei stand der Auftritt von SOLSTICE im Vorfeld nicht unter dem besten Stern. Überraschenderweise setzte man Sänger Paul Kearns kurz vor dem Auftritt vor die Tür. Als Ersatz sprang kurzerhand Procession-Mastermind Felipe Plaza Kutzbach ein, welcher dereinst schon mal mit seiner eigenen Band auf dieser Bühne stand. Und er war dann mehr als einfach ein Ersatz, sondern integraler Bestandteil der Show. Äußerst souverän animierte er die Massen und sang die Stücke der Band, als hätte er nie etwas anderes getan. Überhaupt Wahnsinn, was der Wahlschwede mittlerweile für eine Bühnepräsenz besitzt. Der Rest der Truppe hängte sich nicht weniger rein. Bassist Daryl Parson und Gitarrist Andy Whittaker genossen ebenfalls sichtlich das Rampenlicht, während Bandboss Richard Walker recht stoisch den Ruhepol bildete und ohne eine Mine zu verziehen sein Riffs spielte. Leider stand Solstice nur eine Dreiviertelstunde zur Verfügung, womit man auch nur fünf Songs zum Besten gab. Davon zwei vom aktuellen Landreher „White Horse Hill“ (neben dem Titeltrack natürlich „To Sol A Thane“), das ebenfalls neuere „Death’s Crown Is Victory“ sowie zwei Hämmer vom Klassiker „New Dark Age“. Nämlich „The Sleeping Giant“ und das großartige „Cimmerian Codex“, bei welchem Felipe von Visigoth-Frontmann Jake Rogers unterstützt wurde. Die Stimmung war in den ersten Reihen die ganze Zeit unglaublich und verursachte die eine oder andere Gänsehaut. G-R-O-S-S!
Auch 2019 hatte man sich für das Festival etwas Besonderes ausgedacht, was dieses Mal auf den Namen TEXAS METAL LEGION hörte. Dahinter verbargen sich u.a. die Saitenfraktion von Juggernaut, Gitarrist Art Villareal (u.a. Karion, S.A. Slayer) sowie die beiden Sänger Jason McMaster (Watchtower) und Michael Soliz (Militia). Gemeinsam tauchte man in die Metalszene Texas‘ der frühen 80er ein und zog zahlreiche Schätzchen von S.A. Salyer, Karion, Militia und Watchtower aus der Schublade. Sprich, technisch anspruchsvollen US-Metal der speziellen Art mit intensiven, hohem Gesang. Coole Sache dieses. Vor allem, da die Chose so locker präsentiert wurde. Vielleicht nicht unbedingt von den Instrumentalisten. Denn bis auf Juggernaut-Gitarrist Bob Catlin war eher Stehfußball angesagt. Dafür rissen die Vokalisten umso mehr mit. Vor allem Jason McMaster, der einfach eine coole Sau ist. Unfassbar auch, welche Stimmgewalt Michael Soliz noch immer innewohnt. Das war nicht schlechter, als beim umwerfenden Militia-Auftritt vor vielen Jahr an selber Stelle. Das Wechselspiel zwischen den beiden war jedenfalls super. Was Unprätentiös mit dem Angel-Witch-Cover „Dr. Phibes“ begann, endete in einem rauschenden Fest. Man entließ die begeisterten Zuhörer mit einem lässig rausgehauenen „Breaker“ (von Accept). Etwas Negatives muss man allerdings auch noch anmerken: Im neuen Zeitplan waren um diese Zeit eigentlich Midnight angesetzt, so dass einige den Texas-Auftritt verpassten. Schade.
Achtung, nach so viel verschrobener Technik war jetzt erst einmal etwas Halli-Galli-Drecksau-Party angesagt. MIDNIGHT waren „in da house“ und zeigten der Meute mal wieder so richtig, wie Rock’n’Roll geht. Wer auf künstlerisch Hochwertiges steht, verließ eh die Halle. Alle anderen hatten mächtig Spaß mit dem dreckigen Geprügel des Trios, das wie eine tiefschwarze Version von Venom und Motörhead klingt. Partymetal der düsteren Art. Brachial und ohne Rücksicht auf Verluste nach vorne. Das war auch mal schön, da das Festival richtig ruppige Combos dieses Mal eigentlich nicht zu bieten hatte. Die Stimmung vor der Bühne war genauso wild, wie das Bühnengebaren der Musiker. Das erste Mal an diesem Wochenende hatte die durch das Summer Breeze geprüfte Security im Fotograben ordentlich was zu tun mit so vielen Crowdsurfern. Die ersten Bierbecher flogen vor lauter Übermut auf die Bühne, was Bandkopf Athenar nur mit „Give us your fucking cups!“ quittierte. Ergo: innerhalb von wenigen Sekunden war die komplette Bühne davon bedeckt. Dieser Becherregen war ein Bild für die Götter und ein Gruß an Bühnenpussys wie Vince Neil. Beendet wurde der Zauber damit, dass Athenar und sein Gitarrist Shaun Vanek kurzerhand ihrem Manager und Night-Demon-Boss Jarvis Leatherby ihre Instrumente umhingen (der im Anschluss recht ratlos dreinblickte) und ein leidenschaftliches Bad in der Menge nahmen. Danach noch schnell die Gitarrensaiten abgerissen und ruckzuck war die Dreiviertelstunde zu Ende. Geil, aber in der Kürze lag hier mal wieder die Würze. Können auch ein drittes Mal hierher kommen. Nette Notiz am Rande: Athenar gab danach auch eine Autogrammstunde. Doch statt sich an einen Tisch zu setzen, stand er plötzlich mitten zwischen den Fans und unterschrieb sehr freundlich und geduldig alles, was man ihm hinhielt und posierte in den wildesten Posen für gemeinsame Fotos. Hat man so auch nicht alle Tage.
Nach diesem Abriss war es nicht verwunderlich, dass die folgenden CULPRIT für einen großen Teil nichts weiter als eine wohlverdiente Pausenband waren. Die Halle leerte sich zusehends. Es ist eh verwunderlich, welche hohe Billingposition und was für eine lange Spielzeit man der Band zugestand. In ihrer aktiven Zeit veröffentlichte die Truppe 1983 nur ein Album („Guilty As Charged“), das zwar gut war, aber ehrlicherweise auch nicht gerade ein Meilenstein. Mit Bassist Scott Earl war sogar noch ein Originalmitglied mit an Bord. Es war auch kaum zu übersehen, dass er der große Chef im Ring ist. Mit geschwellter Brust drängte sich der hochgewachsene Mann voll in den Vordergrund und gab den Rockstar. Sänger Mino Mereu verschwand dafür nach jedem Einsatz von der Bühne. Auch der auffällig gekleidete Gitarrist agierte eher im Hintergrund. Spielerisch hatte das Ganze aber keinen Makel. Schon gut, was die Musiker abzogen. Und zwar an allen Positionen. Besonders sympathisch war es aber (vor allem wegen des Bosses) trotzdem nicht. Ganz am Ende wurde dann auch noch der Bass am Boden zerdeppert und mit voller Pulle ins Publikum geschleudert. Glücklicherweise hat das Ding niemanden getroffen. Das war wohl Entertainment auf Ami-Art.
VICIOUS RUMORS sprangen für die ursprünglich angekündigten Leatherwolf ein, welche mal wieder ohne Frontmann dastehen. Damit man dem Festivalpublikum etwas Besonderes bieten konnte, durfte Keven Gorsky, der Sohn des legendären Carl Albert, nach 2011 noch einmal an die Mikrofront. Und die Band war (nicht nur deswegen) ein absolut würdiger Ersatz. Eigentlich sogar ein Plus! Bereits seit letztem Jahr feiern Goeff Thorpe & Co. das 30-Jährige von „Digital Dictator“ und ebenjenes Programm wurde auch heute auf die Bühne gebracht. Eben mit einem anderen Sänger, der mittlerweile nicht nur fast wie sein Vater klingt, sondern sich mittlerweile auch noch als guter Frontmann entpuppte. Es war wirklich beeindruckend, mit wie viel Wumms die Band ihre alten Schoten immer noch spielte. Die Gitarren sind tiefer gestimmt, was für einen modernen Touch sorgt, und die beiden Neuzugänge an Gitarre und Bass machen den beiden alten Thorpe und Drummer Larry Howe ordentlich Feuer unterm Hintern. Es kam auf jeden Fall mächtig was rüber, sodass auch seitens der Fans laut mitgebrüllt und abgefeiert wurde. Kein Wunder bei Sahnenummern wie „World And Machines“, „Lady Took A Chance“, „Towns On Fire“ oder dem unverwüstlichen Titeltrack. Irgendwann war auch das Ursprungsalbum zu Ende. Aber man hatte natürlich auch noch ein paar Zugaben in Petto. Zum Beispiel „Down To The Temple“ und „Hellraiser“. Zum wuchtigen „Don’t Wait For Me“ gesellte der etatmäßige Sänger Nick Courtney mit hinzu und sang im Vorbeigehen gleich mal Keven in Grund und Boden. Beeindruckend dieser Typ – gesanglich und in Sachen Bühnenpräsenz. Bitte behalten, Goeff! Und dann auch mal wieder Songs in der alten Klasse schreiben. Dann könnte man auf die alten Tage vielleicht doch noch mal verdiente Lorbeeren einfahren. Denn mit dieser an den Tag gelegten Form gehört man noch nicht zum alten Eisen!
Nach so viel groß angelegtem US-Entertainment wurde es durchaus mal wieder Zeit für ein paar europäische Genossen, die nicht auf so übermächtige Gesten stehen und viel lieber die Musik für sich sprechen lassen. Und in diese Schublade gehören SATAN auf jeden Fall. Dabei kann man nur immer wieder stauen, welches Comeback die Truppe mit ihren drei letzten Alben hingelegt hat, was in der Oldschool-Metal-Szene fast einmalig sein dürfte. Nun denn, ab ins Getümmel. Die beiden Oldies „Trial By Fire“ und „Blades Of Steel“ eröffneten den Liederreigen. Im Folgenden wechselten sich schön alte und neue Songs ab und es war nie ein Bruch zu hören. Dafür spürte man umso mehr die Spiellaune der fünf Musiker, die auch nach nach all den Jahren mächtig Bock auf die Sache haben. Muss auch sein, denn nach so langer Zeit werden die Herren auch nicht mehr reich damit. Besonders beeindruckend ist dabei mal wieder das traumwandlerisch agierende Gitarrenduo Ramsey/Tippins. Geht’s denn noch geiler? Sänge Brian Ross bremst das Ganze immer etwas durch seine langen Ansagen, auch wenn er sympathisch, mit viel britischem Humor durchs Programm führt. Seine nerdigen Ausführungen zu Dr. Who, bei denen er sich um Kopf und Kragen redete, sind auch irgendwie originell. Aber am Ende bleibt auf jeden Fall eines: und das sind die Songs. Altgediente Nummern wie „Break Free“ in allen Ehren. Aber neuzeitlicher Stoff wie „Incantations“ oder „Into The Mouth Of Eternity“ kicken sogar noch ein wenig mehr als diese – und das sind nur zwei Beispiele. Machen wir es kurz: Satan waren ebenfalls ein (erwartbares) großes Highlight an diesem Wochenende. Die zusätzliche Spielzeit war zweifelsohne ein Grund zur Freude. Hoffentlich geht’s in dieser Form noch ein paar Jahre weiter.
Veranstalter Oliver Weinsheimer hat jetzt schon mehrfach Unerwartetes auf die Bühne gebracht. Ich nenne beispielhaft John Arch, Cirith Ungol oder Heavy Load als Beispiele. Zwar war Sänger Zouille beim 12. Keep It True mit einem anderen Projekt mit SORTILEGE-Songs zu Gast. Doch mit einem echten Comeback DER französischen Heavy-Metal-Band war nicht zu rechnen. Ich erinnere mich noch ein einen Interviewartikel im Deaf Forever vor einem Jahr, als die alten Mitglieder der Band einer Reunion eine strikte Absage erteilten. Und dann war es doch geschehen. Vier Ursprungs-Mitglieder standen an diesem Abend auf der Bühne, um die Lieder ihrer zweieinhalb Alben zu präsentieren. Im Gegensatz zur letzten Band 2018 wurden Sortilege ihrer Rolle als „Headliner wider Willen“ gerecht. Man hatte augenscheinlich ausreichend geübt (alles klang sehr dicht und voluminöse) und zeigte sich in bester Form, auch wenn die drei aufgelaufenen Gitarristen ihre Rollen immer wechselten, teilweise einander ersetzten. Aber das ist ehrlich. Und es hat auch mit Selbstbewussten zu tun, dass sich Zouille für die ganz hohen Töne Unterstützung von der jungen Sängerin Lynda Basstarde (Furies) holte, die ihm mit etwas unter die Arme griff. Das wirkte sympathisch, denn den ansonsten kam der Mann ziemlich locker-lässig rüber. Besonders in seinen englischsprachigen Ansagen. Der Auftritt selbst war ausgewogen und das Set enthielt sämtliche Highlights, welche man sich im Vorfeld wohl wünschte. „D’ailleurs“, „Métamorphose“, „Chasse le dragon“, „Majesté“ – alles mit an Bord. 16 Songs wurden gespielt und mit der Bandhymne „Sortilège“ machte man den Sack zu. Es war ein an sich recht schöner Abschluss eines tollen Festivalwochenendes!
Im Vorfeld hatte ich etwas Sorge, ob man es dieses Mal mit einem wirklich schlagkräftigen Line-Up zu tun hätte. Jene Sorge entpuppte sich allerdings als unbegründet. Denn auch das diesjährige Programm hatte einiges zu bieten. Es hätte aber gerne noch die eine oder andere härtere Band ihren Weg nach Lauda finden können. Vielleicht wieder im nächsten Jahr. Der Candlemass-Ausfall war schade und für die seltsame Agent-Steel-Show kann man den Veranstaltern nicht wirklich einen Strick drehen. Deswegen schauen wir lieber voraus. Und zwar auf den 24. und 25. April 2020. Denn dann findet die 23. Ausgabe des KIT statt.
Die Vorankündung darauf dürfte einige überrascht haben. Denn als Headliner wurde gleich für beide Abende Cirith Ungol gebucht. Zudem lädt man nach den guten Erfahrungen mit Anthem gleich drei japanische Bands ein: Loudness, Metalucifer und Genocide. Realm dürfen ihre erste Europashow spielen, die Briten Tresspass werden mit einem 80er-Set auflaufen und die junge Garde wird von den Speedmetallern Vulture und den aufstrebenden Visigoth präsentiert. Aber die Zusammenstellung zeigt schon: Es wird immer schwieriger für dieses Festival ein spannendes Programm zusammen zu stellen. Aber für eine Überraschung waren Oliver Weinsheimer und sein Team auf der anderen Seite auch immer gut.
Mario Karl
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