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Artikel

Sir Waldo Weathers hebt in Jena das Funk- und Soul-Erbe

Info

Künstler: Sir Waldo Weathers

Zeit: 11.04.2019

Ort: Jena, Kulturbahnhof

Internet:
http://www.cosmic-dawn.de
http://www.sirwaldoweathers.net

„The Pope Of Funk“ nennt sich Sir Waldo Weathers auch, und seine Reputation liest sich in der Tat ausgezeichnet: Als schwarzer Saxophonist von der Country Music Hall of Fame ausgezeichnet zu werden muß man erstmal schaffen – er war 1985 der erste, dem dies gelang. Anderthalb Jahrzehnte lang spielte er in der festen Begleitband von James Brown, und allein schon das adelt einen Funker natürlich und zeigt, dass Weathers über große Fähigkeiten verfügen muß. Mittlerweile wohnt der aus Kentucky stammende Musiker in der Nähe von Stuttgart, bringt nach wie vor neue Alben heraus und geht gelegentlich auch auf Tour.
Im April 2019 ist er wieder einmal für sechs Shows unterwegs, diesmal mit keiner seiner eigentlichen Formationen, sondern mit einer deutschen Begleitband namens More Is More. Das Quartett dürfte vor noch nicht allzulanger Zeit summiert so alt gewesen sein wie der auf die 70 zueilende Weathers und muß bei diesen Gigs auch noch mit Henning Oppermann als Ersatzbassist antreten, weil der etatmäßige Tieftöner Felix Roch gerade auf Hawaii weilt. Aber die vier jungen Musiker machen ihre Sache zumindest beim letzten Gig der Tour in Jena prima, zeigen sich improvisationsfreudig, überzeugen im Zusammenspiel und kommen auch mit dem „Chef“ bestens zurecht – ein paar kleine Handzeichen, und alle wissen, was an einer bestimmten Stelle zu tun ist. Weathers ist zudem klug genug, den Musikern viel Freiheit zu lassen, fordert Keyboarder Matthias Banse zum Crazy-Werden auf (was der Tastendrücker an dieser Stelle gerne noch intensiver hätte tun, also noch weiter aus sich herausgehen dürfen, aber er macht generell trotzdem einen prima Job) und schickt Gitarrist Marcel Weining gleich dreimal ins Publikum, wo dieser mit minutenlangen Soli quer durch den Saal rockt – die leider eher spärlich gefüllten Reihen bieten genügend Platz dafür. Den Auftakt für diese Verhaltensweisen hat Weathers allerdings selber gesetzt: Bereits während des Openers „Ain’t No Sunshine“ wandert er mit seinem Saxophon durchs Auditorium, und auch ohne Sichtkontakt zu seinen Musikern gelingt das Zusammenspiel in dieser enorm weit zurückgenommenen Nummer hervorragend. Danach dreht der Soundmensch die Anlage lauter, auf ein für Funk ungewöhnlich lautes Gesamtniveau sogar, und auch Drummer Marcel Weishäupl darf die Schlagzahl oft nach oben setzen: Gleich fünf flotte Funk-/Soulnummern reihen sich aneinander, bevor „Man’s World“ eine Ruhepause für die schon reichlich intensiv zuckenden Hintergliedmaßen der Anwesenden bietet und die vielleicht einen Tick zu monotone, andererseits aber den Tanzaspekt definitiv befördernde Tempofolge markant unterbricht, wobei schon „I Know You Got Soul“, also die dritte Nummer des Sets, den ersten Ausflug des Gitarristen von der Bühne markiert. Der Basser ist zu solchen übrigens nicht in der Lage – er spielt mit Kabel ...
Apropos Baß: Funk-Puristen mögen bemängeln, dass trotz all der großen Lautstärke der Baß akustisch eher im Hintergrund steht, im ersten Teil bis „Man’s World“ bei generell eher grell abgemischten Höhen, danach bei ausgewogenerem, aber trotzdem tiefenseitig wenig durchsetzungsfähigem Klanggewand, das somit wenig funktypisch ausfällt, und da auch die Gitarre kaum mal heftigen Riffkrach macht, haben wir auch keinen archetypischen Funkrock vor uns. Das macht freilich nichts – wenn man wie der Rezensent eben nicht zu den Funkpuristen gehört, kann man am gebotenen Mischungsverhältnis definitiv Gefallen finden, zumal es spieltechnisch nichts zu deuteln gibt, zumindest nichts für den Außenstehenden Erkennbares. Die vier More-Is-More-Musiker sorgen darüber hinaus auch noch für gekonnte Backings, und Weathers selbst hört man stimmlich sein Alter zwar ein wenig an, aber generell überzeugt er auch in diesem Metier, weiß seine Vocals vielseitig zu gestalten, besitzt viel Seele in der Stimme, zettelt gerne Wechselgesänge mit dem Publikum an und präsentiert sich auch als Entertainer, der es selbst schafft, sich aus einer prekären Lage, als er ein anwesendes und offensichtlich frisch verknalltes Paar vor übergroßem Optimismus warnt – er sei selbst auch viermal verheiratet gewesen –, gekonnt und für alle Seiten gesichtswahrend wieder herauszumanövrieren, eine Portion Humor immer inclusive. So stimmt auch der Unterhaltungswert der knapp zwei Stunden definitiv, und die Eigenkompositionen wie „Be Friends“ fügen sich problemlos in den Klassikerreigen der Setlist ein, wobei es natürlich keine Überraschung darstellt, dass so manches vom Gebotenen aus dem Repertoire James Browns geläufig ist. Der in einen weißen Anzug gehüllte Weathers begreift sich in der aktuellen Inkarnation wohl eher als Sänger und Frontmann – er greift eher selten zum Saxophon, aber dieses wirkt in den richtigen Momenten dann doch bereichernd bzw. türöffnend, so dass es einen integralen Bestandteil des Ganzen darstellt. Und dieses Ganze macht viel Laune, so dass sich die Anwesenden natürlich nicht mit dem Hauptset zufriedengeben und als Zugabe eine Kombination aus einem eher kurzen Teil von „Georgia On My Mind“ und dem wie schon diverse Songs des Hauptsets durch ausgedehnte Soloeinlagen erweiterten „Sex Machine“ geliefert bekommen. Dann verläßt der Chef die Bühne und überläßt es More Is More, die schon zuvor in der Setmitte eine Nummer komplett im Alleingang bestritten hatten, mit einem instrumentalen Outro den Schlußpunkt unter einen unterhaltsamen Gig zu setzen.

Setlist Sir Waldo Weathers:
Ain’t No Sunshine
Be Friends
I Know You Got Soul/Cold Sweat
Let’s Groove Tonight
Get Up Off That Thing
Man’s World
Independent
Do Ya
Funky Good Time
Get Down On It
I Feel Good
Soul Power
Pass The Jazz
Fighting
--
Georgia On My Mind/Sex Machine

Roland Ludwig


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