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Primzahl ohne Limit: Smoke On The Daughters, Black Book und The Blue Rabbit erhöhen die Frauenquote im Bandhaus Leipzig

Info

Künstler: Smoke On The Daughters, Black Book, The Blue Rabbit

Zeit: 16.03.2019

Ort: Leipzig, Bandhaus

Internet:
http://www.bandcommunity-leipzig.org

Verspätete „Frauentagsfeier“ im Bandhaus Leipzig: Acht Tage nach dem Internationalen Frauentag stehen drei Bands mit summiert 13 Mitgliedern auf der Bühne, von welchletzteren vier weiblich sind, und diese besetzen jeweils Führungspositionen. Das ist, wie der Mathematiker feststellt, zumindest auf den puren Personalbestand bezogen natürlich immer noch längst nicht eine exakt gleiche Quote (was bei 13 Personen indes allenfalls theoretisch erreichbar wäre, auch nicht mit Mitgliedern eines dritten Geschlechtes, da die 13 nun mal eine Primzahl darstellt), aber trotzdem ein deutlich höherer Prozentsatz als allgemein in der Rockwelt. Zur Feier des Tages haben außerdem alle Frauen freien Eintritt, wobei allerdings auffälligerweise viele Pärchen anwesend sind.

Der vorgelagerte Termin des Rezensenten dauert länger als geplant, und so trifft er erst im Bandhaus ein, als The Blue Rabbit schon ihren dritten Song „Messed Up My Day“ spielen, die offenbar das Intro bildende und auf der Setlist vermerkte Jam nicht mitgerechnet. Das Quartett pendelt zwischen Alternative, klassischem Siebziger-Rock und gelegentlichen Funkanflügen und bastelt in „On The Way“ auch noch Americana-Elemente ein – was in der Aufzählung wie ein beliebiges Gemisch klingt, erweist sich live allerdings als durchaus mit Homogenitätsfaktoren ausgestattet, und die sind in drei markanten Personalstilen verankert. Der Gitarrist besitzt offenbar ein Classic-Rock-Herz und bringt das immer wieder in ausladenden traditionell anmutenden Soli zum Ausdruck, die Sängerin singt zumeist normal im besten Sinne, verfügt über eine gute Stimme in angenehmer mittelhoher Lage und kann, wenn es darauf ankommt, auch stärker aus sich herausgehen – der auffälligste der vier Musiker ist aber der Bassist. Das betrifft einerseits die Optik mit seinem kunterbunten Baß, seinem gelegentlichen wilden Herumhüpfen und Bangen sowie der Tatsache, dass er sich zur Freude etlicher weiblicher Anwesender schon nach „Messed Up My Day“ seines Shirts entledigt, andererseits aber auch den musikalischen Aspekt, indem er nicht nur die durch das Vorhandensein lediglich eines Gitarristen bedeutsame Rhythmusfunktion ausübt, sondern originelle Läufe spielt, die seinem Baß fast die Rolle eines zweiten Leadinstruments übertragen. Dass man das sehr eindrucksvoll wahrnehmen kann, ist das Verdienst von Tontechniker Christian, der einen enorm klaren Sound in sehr angenehmer Lautstärke zusammenzaubert. Die vier Hallenser haben gerade am Vorwochenende ihre erste EP aufgenommen, deren Material natürlich auch im Set steht, und sie sind immer dann besonders stark, wenn sie epische Breite zulassen, was sie beispielsweise in „It’s You“ oder dem Setcloser „Iron Zeppelin“ tun, wenngleich letzterer anfangs einige etwas unmotiviert wirkende Generalpausen enthält und erst allmählich in den angestrebten Fluß findet. Das Publikum zeigt sich sehr angetan und spendet fleißig Applaus, aber das Wort „Zugabe“ nimmt am Ende niemand in den Mund, und so entgeht den Anwesenden das offenbar als solche eingeplante „N.I.B.“.

Setlist The Blue Rabbit:
Jam
Dreams Of A Spirit Seer
Hear The Dog
Messed Up My Day
Limited Dreamland
It’s You
Fly Away
On The Way
Iron Zeppelin

Der blaue Hase macht anschließend Platz für das schwarze Buch. Das einzige Quintett des Abends hat auch eine Sängerin am Start, allerdings eine stimmlich noch deutlich wandlungsfähigere als ihre Bühnenvorgängerin, und im Gegensatz zu deren etwas scheu wirkender Performance entpuppt sie sich schnell als totale Plaudertasche, die die Songs nicht nur ansagt, sondern auch lang und breit erklärt, das aber auf so sympathische Art und Weise macht, dass kein Moment Langeweile aufkommt. Außerdem ist sie der bewegungstechnische Aktivposten auf der Bühne, überzeugt gesanglich fast auf ganzer Linie (einzig in den extremen Höhen offenbart sie leichte Schwächen, aber diese Lagen meidet sie deshalb auch fast durchgängig) und steuert gelegentlich auch noch ein paar Keyboardlinien bei, die etwa gleich dem Opener „Apothekerin“ an den betreffenden Stellen einen leicht psychedelischen Touch verleihen oder dafür sorgen, dass „Lazy 8“ im Mittelteil etwas spacig klingt. Bisweilen intoniert sie am Tasteninstrument allerdings auch „nur“ simple Melodielinien, die ihr Scherflein zum etwas seltsam anmutenden Mix der Musik beitragen: Black Book pendeln zwischen knochentrocken-basischem und ambitioniertem Hardrock hin und her und hinterlassen dabei nicht immer den treffsichersten Eindruck. Als typisches Beispiel darf „Nightmare“ gelten, in dem das instrumentale Quartett einen klassischen Achtziger-Metal-Songeinstieg auf die Bretter legt, wie er klassischer nicht sein kann – daraus entwickelt sich aber kein klassischer Achtziger-Metal, sondern eine unentschlossen anmutende modernisierte Variante. Verwirrend ist auch der Setaufbau an sich: Drei eher simple Rocknummern (mit dem Psychedelikeffekt in „Apothekerin“ als einzigem Aufhorcher) eröffnen den Set, erst „In The Mood“ beginnt sich etwas zu öffnen, wobei seltsamerweise aber auch die anspruchsvoll gedachten Elemente teilweise mit ausgesprochen simplen Mitteln wechselnder Effektivität umgesetzt werden. „Welcome“, der Titeltrack des justament erschienenen Debütalbums der Leipziger, variiert ein bekanntes Led-Zeppelin-Thema, und am stärksten zu überzeugen wissen die beiden Setcloser, auch wenn das bisherige Soundproblem, dass der rechte Gitarrist etwas im akustischen Abseits steht, durch ein anderes, nämlich dass der Baß etwas zu dröhnig daherkommt, ersetzt worden ist: „My Decision“ besticht mit einem abermals eher unkomplizierten, aber enthusiastisch umgesetzten Doppelsolo, und das finale Epos „Cherubim“ ist dynamisch geschickt aufgebaut und besitzt einen abermals simplen, aber effektvollen Schlußgong. Black Book warten nun aber nicht erst auf Zugabeforderungen des abermals reichlich applaudierenden Publikums, sondern spielen „These Boots Are Made For Walking“ gleich noch – erst am Vortag einstudiert, überzeugt die Version durchaus, wenngleich sie keine Bäume ausreißt.

Setlist Black Book:
Apothekerin
Lovesong
Still Fighting
In The Mood
Lazy 8
Nightmare
Welcome
New Song
Rain
My Decision
Cherubim
--
These Boots Are Made For Walking

Smoke On The Daughters haben die Gleichberechtigung numerisch durchgesetzt, denn das Quartett ist paritätisch besetzt – sie sind, wie mancher Kritiker der Feminismusbewegung per se vorwirft, auch gleich noch übers Ziel hinausgeschossen, denn die beiden Herren wurden an den Baß und ans Schlagzeug verbannt, während die beiden Damen die unbestrittenen Führungsrollen spielen. Immerhin haben alle vier ein Mikrofon vor der Nase, und Drummer Patrick darf sogar einige Songs als Solist singen. Außerdem fliegen die Ansagen hin und her, man verulkt sich gegenseitig und macht von Anfang klar, dass Humor und Unterhaltung hier Trumpf sind. Das betrifft auch den musikalischen Sektor: Wir haben eine Coverband vor uns, die sich kreuz und quer durchs Liedgut der 80er und 90er mit gelegentlichen Ausflügen in frühere oder jüngere Jahrzehnte spielt und die Vorlagen mit Können, aber auch mit viel Witz umsetzt. Beide Damen singen Leads (und machen das hervorragend), beide spielen Akustikgitarre, beide bringen aber auch gelegentlich andere Instrumente zum Einsatz, etwa eine Nasenflöte, ein Stylophon, eine Triola oder eine Blockflöte. Um einen Eindruck zu gewinnen, was da abläuft, versuche man sich Rammsteins „Engel“ vorzustellen: Patrick singt die Strophen eher derb, Denise und Maria säuseln den Refrain, und letztere intoniert das Hauptthema auf der Blockflöte und spielt, wenn sie die Hände frei hat, die zweite Akustikgitarre. Alles klar? Nein? Gut – das ist auch schwer zu beschreiben, was die Combo da anstellt, und man sollte es sich am besten selber anhören bzw. ansehen. Diverse Songs werden auch dann zu Medleys zusammengefaßt, wenn sie original wenig miteinander gemein haben, und generell ist dem Quartett in puncto Songauswahl sowieso nichts heilig – eröffnet wird beispielsweise mit „Wonderwall“, während später u.a. noch „T.N.T.“ erklingt, und wer Oasis und AC/DC in ein und demselben Konzertprogramm verwurstet, braucht schon Mut, den die vier Leipzigerinnen und Leipziger aber definitiv haben. Was an diesem Abend nicht erklingt, ist der Quasi-Namensgeber „Smoke On The Water“, aber das macht nichts – der Set ist auch so äußerst unterhaltsam, und man bemerkt aber auch anerkennend, dass hier sehr gute Musiker auf der Bühne sitzen (ja, sitzen – alle vier sitzen üblicherweise, nur Denise steht gelegentlich und stellt sich zum Schluß sogar noch auf einen Stuhl, womit sie fast bis an die Decke des Bandhauskellers reicht). Worauf das Quartett zumindest an diesem Abend verzichtet, ist Material von Denises Ex-Band Weiss Heim, die ihrerseits ja auch gerne Coverversionen spielten, wenngleich ohne humoristische Note, allerdings auch äußerst kompetent, wie sich der Rezensent im Mai 2003 im Mühlkeller zu Leipzig überzeugen konnte (siehe Review auf www.crossover-netzwerk.de), seit welchselbigem die Refrainmelodie von „Fight For Glory“ in seinem Hirn herumspukt. Aber angesichts des Gesamtpakets, das Smoke On The Daughters an diesem Abend im Bandhauskeller schnüren, kann er das locker verschmerzen, zumal das Quartett trotz der Instrumentenvielfalt mit einem exzellenten Soundgewand ausgestattet ist und man zudem alle vier Mikrofone klar und deutlich hört und daher eben auch die ganzen Frozzeleien prima verstehen kann. Der Unterhaltungswert liegt also enorm weit oben, der reine musikalische Wert aber durchaus ähnlich hoch, und das Publikum spendet reichlich Applaus, wenngleich erstaunlicherweise so gut wie niemand zum Schwingen des Tanzbeins schreitet, obwohl es dafür reichlich Gelegenheit gegeben hätte. Zugabeforderungen bleiben diesmal aber nicht aus, und diese erfüllt die Band mit einem 90er-Dancefloor-Medley, in welchselbigem „No Limit“ als strukturgebendes Element fungiert und noch so manche andere technozide Schote in richtige handgemachte Musik umgewandelt wird, optisch unterstützt durch flackernde Ohrringe und weitere Accessoires. So endet ein Abend, der auch ganz unabhängig von der „Frauenfrage“ definitiv musikalischen Wert beanspruchen kann.

Roland Ludwig


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