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Zeit: 06.11.2018
Ort: Nürnberg - Der Cult
Treat sind gerade mit ihrem neuen Album Tunguska live unterwegs, die Anzahl der Gigs in Deutschland ist dabei überschaubar. Umso schöner, dass sie mit Nürnberg einen Spielort in Franken ausgewählt haben! Insgesamt tummeln sich ca. 200 Gäste im Cult, um sich den melodischen Hardrock der Schweden rein zu ziehen. Vor Treat treten zwei Vorbands auf, was den Preis von gerade mal 24,90 Euro fast lächerlich wirken lässt.
Die erste Vorband JESSICA WOLF ist mir bis dato völlig unbekannt. Die blonde Sängerin aus Finnland hat mit ihrem aktuellen Album Grounded gerade die zweite Scheibe am Start. Nebenbei arbeitet sie als Stuntfrau und treibt sehr viel Sport, was man ihr auch ansieht. Gesanglich bringt Jessica für mich nicht das rüber, was ich mir erwartet hätte. Das Stimmchen ist teilweise doch recht dünn, die Songs gleichförmig und ohne einprägsame Melodien. Die Band harmoniert sehr gut, kann über diese Mankos hinweg jedoch nicht überzeugen. Das Nürnberger Publikum ist wie immer sehr fair und belohnt die engagierte Arbeitsleistung. Für mich hätte man sich diese Vorband durchaus sparen können.
Ganz anders sieht es mit DARK SKY aus. Die Band aus Rottweil gibt es schon seit 1988, hat jedoch aufgrund finanzieller Probleme ihrer damaligen Plattenfirma erst im Jahr 2000 das erste Album Believe in Deutschland veröffentlicht. Auch hier bin ich völlig blank, ich habe von der Band und von deren Musik bis heute noch nie etwas gehört. Dark Sky haben schon als Support von den Scorpions, Magnum oder Thunder namhafte Bands begleitet und mittlerweile auch schon fünf Alben veröffentlicht. Und diese Routine merkt man sofort, als die Jungs auf die Bühne kommen. Sänger Frank Breuninger nimmt im Gegensatz zu Jessica Wolf viel Kontakt zum Publikum auf und hat die Menge sehr schnell im Griff. Die Songs liegen irgendwo zwischen den Pretty Maids und Axxis, Breuninger klingt ähnlich wie Bernhard Weiß, nur, dass er im Gegensatz zu Weiß sympathisch rüberkommt und zum Glück nicht so viel labert. Ansagen gibt es kaum, die prächtig aufeinander eingespielte Truppe haut einen Song nach dem anderen heraus und weiß zu überzeugen. Die Stücke gehen ins Ohr, haben Substanz und werden von der Band mit sehr viel Herz und Spielfreude dargeboten. Die 45 Minuten vergehen wie im Flug und das Publikum ist zurecht begeistert. So muss eine Vorband agieren!
Nach einer kurzen Umbaupause, bei der TREAT-Schlagzeuger Jamie Borger sein Drumkit höchst persönlich einstellt, kommen die Schweden unter großem Jubel des Publikums auf die Bühne. Mit „Skies Of Mongolia“ fungiert ein Stück vom Coup De Grace-Album als Opener. Der Sound passt perfekt, es ist nicht zu laut und man hört sämtliche Feinheiten. Sänger Robert Ernlund hat sein Stimmchen bestens geölt und fühlt sich auf der Bühne pudelwohl. Den Mikrofonständer lässt er in bester David-Coverdale-Manier kreisen, wobei er aufgrund der niedrigen Decke des Clubs immer ein bisschen aufpassen muss – Spinal Tap lassen grüßen. Treat ruhen sich keinesfalls auf den Großtaten ihrer Vergangenheit aus, sondern bestreiten den Abend zum Großteil mit Stücken, die sie seit ihrem Comeback im Jahr 2006 aufgenommen haben. Den Fans ist das völlig egal, jeder Song wird abgefeiert. Auch die Lieder der neuen CD kommen hervorragend an und fügen sich nahtlos in die Setlist ein.
Musikalisch sind die Schweden über jeden Zweifel erhaben und toben sich nach Lust und Laune aus. Schlagzeuger Jamie Borger spielt mit ordentlich Dampf und peitscht seine Kollegen nach vorne. Bis auf ihn übernehmen alle Musiker Backing-Vocals, das Ganze klingt richtig satt. Die Keyboard-Sounds von Patrick Appelgren klingen verdammt gut und prägen den Sound von Treat enorm. Neuzugang Pontus Egberg am Bass hat mittlerweile die Rasta-Mähne geopfert und trägt die Haare um einiges kürzer. Er ist inzwischen fester Bestandteil des Quintetts und sorgt mit Borger für einen soliden Rhythmus-Teppich. Aktivposten des Abends ist für mich ganz klar Gitarrist Anders Wikström. Der Typ legt eine Einstellung an den Tag, die vorbildlich ist. Er spielt Gitarre wie ein Besessener, animiert die Anwesenden und ist beim Background-Gesang permanent zur Stelle. Das reißt seine Bandkollegen und das Publikum unweigerlich mit, der Auftritt ist ein echtes Erlebnis.
Vom neuen Album gefällt mir „Riptide“ außerordentlich gut, neben dem fabelhaften „Rose Of Jericho“ eins der Highlights. Nur mit neuen Songs geht’s dann doch nicht, mit „Get You On The Run“ kommt ein Klassiker des Debütalbums zum Zuge. Das furiose „Conspiracy“, bei dem die Schweden aus sämtlichen Rohren feuern, beendet gefühlt viel zu früh schon den regulären Teil.
Den Zugabenblock eröffnen zwei Titel des neuen Albums, bevor mit dem Überklassiker „World Of Promises“ der Melodic-Rock-Abend in die Zielgeraden mündet. Nach 90 Minuten ist leider schon Schluss, das Publikum ist hochzufrieden und die begeisterten Musiker gehen ihrem verdienten Feierabend entgegen. So und nicht anders muss ein Konzert laufen! Ich finde es sehr mutig von der Band, dass sie das Programm zum Großteil mit neueren Songs bestreiten, die Reaktion ihrer Fans gibt ihnen Recht. Trotzdem hätte ich mich über „Sole Survivor“ natürlich sehr gefreut…
Setlist Treat:
1. Skies of Mongolia
2. Nonstop Madness
3. Best of Enemies
4. Ready for the Taking
5. Inferno
6. Ghost of Graceland
7. Riptide
8. We Own the Night
9. Papertiger
10. Party All Over
11. Rose of Jericho
12. Roar
13. Get You on the Run
14. Conspiracy
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15. Progenitors
16. Build the Love
17. World of Promises
Stefan Graßl
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