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Zeit: 27.10.2018
Ort: Winterbach - Salierhalle
Mit einer speziellen Deep-Purple-Tour ist „The Voice Of Rock“ seit April 2018 unterwegs. Die Tour läuft hervorragend, momentan sind Auftritte sogar schon bis zum August 2019 bestätigt. Als Fan der Mark III-Phase von Deep Purple ist es für mich natürlich selbstverständlich, hier mal vorbeizuschauen. Ursprünglich war der Auftritt in der Lehenbachhalle angesetzt, wurde dann aber aufgrund des großen Zuschauerzuspruchs in die nicht weit entfernte Salierhalle verlegt.
Eine Vorband gibt es nicht, Glenn Hughes und seine Truppe legen mit 20-minütiger Verspätung los. Umso fulminanter gerät der Auftakt mit „Stormbringer“! Hughes hat diesmal im Gegensatz zu seiner letzten Tour mit Jesper Bo Hansen einen Keyboardspieler mit an Bord, der natürlich auch eine richtig rotzige Hammond mit im Gepäck hat und diese auch nach allen Regeln der Kunst röhren und fauchen lässt.
Hughes präsentiert sich als jung gebliebener Hippie, der mit seinem Outfit, seinen immer noch reichlich übrig gebliebenen Haaren und seinen Koteletten aussieht, als wenn er direkt von einem Albumcover der 70er entsprungen wäre. Auch vom Aktionsradius her wirkt er keineswegs wie ein 66-jähriger – er ist ständig in Bewegung und nutzt die Bühne in ihrer kompletten Breite. Die großen Rockstar-Posen sieht man bei ihm auch, und die sitzen! Der Typ hat eine starke Bühnenpräsenz und spielt einen Hammer-Bass. Bei ihm merkt man, welche Funktion der Bass hat – Rhythmus und Groove. Vor allem beim starken „Sail Away“ bekommt man dies ganz deutlich zu spüren. Seine Backing-Band ist der Hammer, spielerisch lassen die drei mir unbekannten Musiker keine Wünsche offen. Soren Anderson bekommt den Blackmore sehr gut hin und rockt, was das Zeug hält. Im Verbund mit Keyboarder Jesper Bo Hansen fühlt man sich direkt in die 70er zurückversetzt. Schlagzeuger Fer Escobedo sorgt für ordentlich Rhythmus am Schlagzeug und peitscht seine Musiker nach vorne – die Chefposition hat jedoch Mr. Glenn Hughes inne.
Soundtechnisch ist vor allem zu Beginn noch nicht alles perfekt, der Mischer bekommt dies jedoch nach kurzer Zeit in den Griff. Ich stehe sehr weit vorne an der Bühne, hier hört man jedes Instrument hervorragend.
Glenn Hughes ist wie immer bis in die Haarspitzen motiviert. Gesanglich hat er heute nicht seinen besten Tag erwischt, vor allem die Schreie, die er sonst immer einbaut bleiben heute fast komplett außen vor. Ich vermute, dass er sich eine Erkältung eingefangen hat und seine Stimme infolgedessen etwas schonen muss. Trotzdem ist sein Gesang immer noch um Längen besser als vieles, was einem von Sängern seiner Altersklasse sonst präsentiert wird. Hughes ist in Erzähllaune und bringt einige Anekdoten von früher zum Besten. Dabei ist er sehr ehrlich und erwähnt auch, dass er früher eine geraume Zeit „viel zu schnell unterwegs war“ – eine Anspielung auf seinen bekannten Kokain-Konsum, der ihn ziemlich aus der Bahn geworfen hat. Nicht nur musikalisch lässt er sich gerne in die Hippie-Zeiten zurückfallen. Er erwähnt sehr häufig, dass er sein Publikum über alles liebt und haut Sprüche wie „Music is the healer“ und „Love is the answer“ raus – mit der Zeit wirkt das Ganze jedoch ein bisschen arg aufgesetzt.
Musikalisch bekommt man teilweise das geboten, was man von Deep-Purple-Livescheiben wie Made In Europe oder Live In London kennt: hammerhart dargebotene Songs mit einer ordentlichen Portion Improvisation. Wobei es eigentlich geht – am längsten dauern die jeweiligen Soli, die Gitarrist Soren Anderson, Schlagzeuger Fer Escobedo und Keyboarder Jesper Bo Hansen zum Besten geben. Mindestens 10 Minuten präsentieren alle ihr Können. Klar ist das interessant und auch sehenswert, aber ich hätte hier lieber einige Songs mehr gehört. So sieht das Ganze ein bisschen nach Zeitschinderei aus, Hughes ist während dieser Zeit nicht auf der Bühne.
„Gettin‘ Tighter“ widmet er seinem ehemaligen Gitarristen Tommy Bolin, der beim Album Come Taste The Band als Nachfolger von Ritchie Blackmore zur Band geholt wurde. Bolin starb bereits 1976 an den Folgen einer Überdosis Heroin. Hier spielt die Band einen tollen Improvisationspart, den man von einigen Live-Alben bereits kennt. Markant sind die beiden Stücke „Mistreated“ und „You Keep On Moving“, die für mich beide eine gewisse Ähnlichkeit besitzen. Beide beginnen eher ruhig und nehmen dann später Fahrt auf. Hier fühlt sich Hughes pudelwohl und durchlebt die Stücke förmlich.
Spätestens bei „Smoke On The Water“ hat Hughes die etwas verschlafenen Fans auf seiner Seite, der Gospel-Teil von „Georgia On My Mind“ zeigt, dass er auch ganz anders kann und gesanglich sehr variantenreich ist.
Zum Schluss wird noch mal die Keule ausgepackt. Mit „Burn“ und einem phantastischen „Highway Star“ geht es schnurstracks auf die Zielgerade. Hier lassen sämtliche Musiker noch mal ihr Können aufblitzen und versetzen die Fans in einen wahren Deep-Purple-Rausch. Nach diesen beiden Stücken ist dann leider Schluss. Hughes bekommt sehr viel Applaus und minutenlange „Zugabe“-Rufe vom Publikum, die er jedoch leider nicht mehr berücksichtigt. Aber: nach 120 Minuten kann man schon mal Feierabend machen.
Ich fand das Konzert klasse, wobei mir lieber gewesen wäre, wenn die Soli nicht ganz so lang gewesen wären. Dann lieber nur 90 Minuten und etwas mehr Songs. Für Purple-Fans der Mark III- und Mark IV-Phase gilt natürlich: unbedingt hingehen!
Setlist:
1. Stormbringer
2. Might Just Take Your Life
3. Sail Away
4. Gettin' Tighter
5. You Keep on Moving
6. You Fool No One
7. High Ball Shooter
8. Mistreated
9. Smoke on the Water / Georgia on My Mind
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10. Burn
11. Highway Star
Stefan Graßl
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