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Titel: Ich war der einzige Pirat auf der Party
Verlag: Riva Verlag
ISBN: 978-3-7423-0031-7
Preis: € 19,99
320 Seiten
Ich habe keine Ahnung mehr, warum ich dieses Buch angefordert habe. Irgendwas in der Promo-Mail muss mich angesprochen haben. Ich weiß aber nicht mehr was.
Heute weiß ich: Lindsey Stirling ist eine blutjunge Amerikanerin, die als Geigerin Showstar ist. Sie ist eindeutig keine klassische Geigerin und hat sich ihre (ersten) Sporen mit Youtube-Videos verdient. Das ist eigentlich eine Ansammlung von Gründen sich mit dieser Dame NICHT zu beschäftigen. Man erwartet irgendein unreifes seichtes Gefiedele vor programmierten Sounds.
Aber die Lektüre ihrer Autobiographie, die Lindsey Stirling zusammen mit ihrer Schwester Brooke verfasst hat, hat mir einfach diebisch Spaß gemacht. Ich habe mich auf Anhieb in Lindsey verliebt – und ich habe mich deshalb entschieden, diese Rezension zu schreiben, bevor ich mir auf Youtube anhöre, wie sich ihre Musik anhört.
Ich war der einzige Pirat auf der Party ist eine ungewöhnliche Musikerbiographie. Der übliche Aufbau, sich an den Veröffentlichungen entlang zu hangeln, spielt hier keine Rolle. Man weiß am Ende nicht einmal, wie viel CDs Lindsey Stirling veröffentlicht hat. Ja selbst die Tatsache, dass sie überhaupt CDs veröffentlicht hat, ist eher aus Bemerkungen nebenbei zu schließen, als dass es direkt erwähnt wird.
Lindsey Stirling schildert sich und ihre Gefühle, ihr Verhältnis zum Showgeschäft, zu den Menschen, die ihr dort begegnen, und bringt sich dabei eher in Distanz zum System, in dem sie sich gleichzeitig äußerst selbstbewusst positioniert.
Lindsey Stirling bleibt bis zum Ende das Mädchen von nebenan, das nebenbei auch Musikstar ist. Beispielhaft dafür sind ihre Reflexionen darüber, dass sie immer noch das alte Auto ihrer Eltern fährt, obwohl sie sich problemlos etwas Neueres und Besseres leisten könnte.
Es wirkt erfrischend ehrlich, wie sie darüber spricht, wie sie mehr oder weniger in den Erfolg hinein gestolpert ist. Dabei tut sie nicht so, als wolle sie ihn ganz bescheiden nicht. Im Gegenteil. Sie reflektiert ausdrücklich den Wandel von der Jugendlichen, die irgendwie Youtube Videos produziert, hin zu der Chefin einer Showmaschine, die auch klare Ansagen machen kann.
Ohne großes Pathos hält auch die Tatsache, dass sie Mormonin ist, Einzug in die Autobiographie. Lindsey Stirling will sich als flotte, moderne Entertainerin präsentieren, hält sich aber gleichzeitig an die Schicklichkeitsvorstellung ihrer Religionsgemeinschaft, die ein allzu offensives Darstellen ihrer körperlichen Vorzüge nicht erlaubt. Sie erzählt von ihrem Jahr als Missionarin und sie erzählt das so, dass es als etwas genauso Selbstverständliches und Alltägliches ist, wie der Konfirmanden- oder Kommunions-Unterricht in einer „normalen“ Kirche.
Ein spannendes, vergnügliches Buch, das sich als Unterhaltungslektüre für jeden lohnt, egal ob er etwas mit Lindsey Stirlings Musik anfangen kann oder nicht, denn die ist tatsächlich so nebensächlich, das ich bis heute nicht weiß, ob sie eher Rock oder Folk macht, nahe an der Klassik liegt, diese vielleicht banalisiert, oder ob es blassester US-amerikanischer Mainstream-Pop ist. Lindsey Stirling kommt auch nicht ein einziges Mal auf ihre musikalischen Vorlieben oder Prägungen ein. Erstaunlich!
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