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Zeit: 22.12.2004
Interview: Telefon
Stil: Rock
Wenn man Biffy Clyro alles vorwerfen kann, dann mit Sicherheit nicht Unoriginalität. Was in diesem Zusammenhang auch kaum irgendwelche Parallelen zulässt. Was das Trio aus dem schottischen Glasgow auf ihren dritten Album Infinity Land brachial in Bewegung setzt, ist in seinen Ausmaßen und in seiner Vielseitigkeit mit kaum etwas zu vergleichen, was heute unter dem Pseudonym Rock rangiert. Von dem Modetrend Emo-Core ganz zu schweigen. Denn es ist schon eine Charaktereigenschaft eines Biffy Clyro-Songs, dass man am Anfang nie weiß, wie dieser zu Ende gehen wird.
„Ja, das ist schon richtig,“ bestätigt dann auch Sänger und Gitarrist Simon Neil, der den optischen Bandgegenpol zu den Zwillingen Ben und James Johnston darstellt. „Wir sehen uns auch nie als Band im herkömmlichen Sinn. Wir hören zwar herkömmliche Rock- und Popmusik und beschaffen uns auch hieraus unsere Einflüsse, doch wir wollen Storys erzählen und diesen Storys dann die entsprechende musikalische Untermalung geben. Und da man bei denen auch nicht immer weiß, wie diese denn enden werden, legten wir auch unsere Songs so an. Es gibt nichts langweiligeres, als wenn man schon von Beginn an weiß, in welche Richtung sich ein Song bewegt und somit das ganze Album schon nach dem ersten Durchhören seinen Reiz und seine Spannung verloren hat. In Bezug auf ‚Infinity Land‘ bin ich auf jeden Fall auch der Ansicht, dass es unser bisher gelungenstes Album geworden ist. Ich muss zugeben, dass wir uns bisher noch nie intensiver als Songwriter und Musiker empfunden haben, als hier. Vielleicht ist das so, weil man spätestens mit dem dritten Album weiß, ob man stilistisch beim Publikum ankommt oder nicht und somit auch diesbezüglich etwas sicherer geworden ist.“
Mit Sicherheit heben sich Biffy Clyro vom gegenwärtigen Retro-Trend und dem unsäglichen ‚The‘-Hype ab, mit welchem man sympathischerweise dann auch absolut nichts am Hut hat. „Bands wie The Strokes und Co. haben ihren Retro-Style sowieso nur eins zu eins aus der Vergangenheit übernommen. Diese Bands denken sich, daß die besten Songs sowieso schon geschrieben wurden und es deswegen auch keinen Sinn macht, etwas Neues zu versuchen. Wir haben auch unsere Einflüsse in verschiedenster Weise, versuchten aber auf jeden Fall und immer, diese so zu transferieren, daß es ein neues, nämlich unser Ding wird. Wenn man sagt, die Garagerockbands von heute klingen wie MC5, dann zeugt das nicht unbedingt von Ideenreichtum und Flexibilität. Wir suchen dann schon nach anderen Ausdrucksformen. In dieser Hinsicht halten wir es mit den Bands, die wir bevorzugen, d.h. solchen, deren Entwicklung von Album zu Album nachvollziehbar ist und die immer auch etwas Neues versuchen. Es ist auch das Sinnloseste, was eine Band machen kann, wenn das gerade aktuelle Album genauso klingt wie das vorhergegangene. Wie gesagt: Wir wollen nicht die normale Rockband sein, weswegen wir auch schon einmal intensiv mit elektronischen Sounds, wie am Anfang von ‚Infinity Land‘ zu hören, herum experimentieren.“
Und eben dieses Unorthodoxe, dieses Außergewöhnliche ist es, das Infinity Land und Biffy Clyro zu etwas macht, was in sympathischer Hinsicht auch für die Zukunft nicht ganz vorhersehbar ist, mit dem man aber immer rechnen kann.
Carsten Agthe
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