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Info
Zeit: 09.02.2018
Ort: Wild at Heart, Berlin-Kreuzberg
Fotograf: Norbert von Fransecky
Internet:
http://www.fee-band.de
Musik ist ein Suchtmittel. Anders kann es gar nicht sein. Denn so oder anders hat man es schon oft gehört. Einige von der Musik eigentlich schon lange geheilte Musiker tun sich aus irgendeinem Anlass wieder zusammen „um mal wieder so zwei oder drei Konzerte zu spielen“. Und daraus wird dann ein neues festes Line up, eine mehr oder weniger lange Tour und vielleicht sogar mal neues Material. So ähnlich klang das auch bei Fee, als sich Norbert von Fransecky vor dem Konzert im Berliner Wild at Heart mit Neu-Sänger Adrian und Band-Urgestein Lothar unterhielt. Anlässlich des 25. Jahrestages eines der letzten Fee-Konzerte am 23. April 1992 im Braunschweiger Atlantis, wurde nicht nur der Live-Mitschnitt als limitierte CD veröffentlicht, sondern es wurden auch besagte zwei, drei Konzerte gespielt, die die alte Sucht entfacht und zu einer neun Gigs umfassenden Kurztour geführt haben. Der vorletzte Termin fand am 9. Februar in Berlin statt. Norbert war vor Ort.
Kurz nach 22 Uhr geht es los. Sechs sehr unterschiedlich wirkende Typen (einer davon weiblich) quälen sich durch’s Publikum, um vom Backstage-Raum (der alles andere als back-Stage ist) auf die Bühne zu kommen. Diese “Bühne“ befindet sich am hinteren Ende eines freien Raumes, den man erreicht, wenn man sich durch einen schmalen Gang an einer
langen Theke vorbei bewegt hat. Er ist groß genug, um darin ein gemütliches Wohnzimmer einzurichten. Man kann aber auch an einer Seite ein niedriges Podest errichten, diese Podest Bühne und den Schlauch plus “Wohnzimmer“ Club nennen. Dann ist das Ganze „Wild at Heart“ und stellt eine fast ideale Location für Konzerte mit Besucheranzahlen zwischen 40 und 100 Personen dar. Fee dürfte etwa in der Mitte davon gelegen haben, so dass der Laden voll war, ohne dass man Platzangst bekommen musste.
Fast ideale Voraussetzungen also, die Fee vom Start weg nutzten. Obwohl: Sind das hier eigentlich wirklich Fee? Eine Frage, die sich bei vielen langjährigen, oder wiedervereinigten Bands stellt. Und auch bei Fee sind von der Urbesetzung nur noch Keyboarder Lothar Brandes und Drummer Reinhard Lewitzki dabei, die am hinteren Bühnenrand meistens im optischen Schatten der vier Neulinge stehen. Fee gehen die Authentizitätsfrage offensiv
an und nennen sich offiziell Fee – total recall - und machen das, wie Sängerin Jule Frenk während des Konzertes erklärt, mit ausdrücklicher Zustimmung der anderen Ur-Mitglieder, die sich selber nicht an der Reunion beteiligen wollten.
Sie und vor allem Sänger Adrian Polewka, der sich als echte Rampensau erweist, verkörpern den Witz, die (inhaltliche) Bissigkeit und die (punk)rockige Lebensfreude von Fee als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Immer wieder steht Polewka mit einem Fuß auf der Monitorbox und reckt Oberkörper und Arme über das Publikum. Warum die Hosen und nicht diese Truppe Arenen füllen, ist logisch kaum zu erklären. Als Agitator, Anheizer und Clown ergänzt er sich fantastisch mit der Rockröhre Jule, die mit ihren Ansagen auch die Band-Tradition aufrechterhält. Sehr passend. Sie ist, wie sie selber sagt, mit Fee aufgewachsen – als Tochter von Hartmut Frenk, dem Mitgründer des Fee-Vorläufers Holde Fee. Dass sie nicht nur über eine absolute Powerstimme verfügt, sondern auch noch Klasse aussieht, schadet der Sache natürlich auch nicht. (Aber das darf man(n) in #MeToo-Zeiten ja gar nicht mehr bemerken; geschweige denn aussprechen.)
Die beiden dominieren das Bühnenzentrum, wechseln sich ab, werfen sich die Bälle zu und haben die Temperatur schnell auf mehr als Betriebstemperatur gebracht, nachdem schon sehr früh mit „Wahnsinn“ und „Ich muss hier raus“ zwei der stärksten Geschosse der Band an den Start gegangen sind. Blickfang Nummer drei ist Bassist Sven Dillenburger auf dem rechten Flügel, ein riesiger Hüne mit Iro und Schottenrock, der seinen Bass wie eine Streitaxt präsentiert und seine pure körperliche Präsenz mit Gestik und stampfenden Bewegungen noch zusätzlich betont – ein echter Highlander. Seine gesamte optische und akustische Erscheinung sind wesentlicher Bestandteil des druckvollen Erscheinungsbildes von Fee – total recall -.
Während Dillenburger oft den gesamten rechten Bühnenbereich für sich in Anspruch nimmt, verschwindet Gitarrist Oliver Schmidt häufig nahezu in der linken Ecke zwischen Jule, Adrian und der kleinen Keyboard-Burg von Lothar Brandes. Dennoch ist er unverzichtbarer Bestandteil der Fee-Identität. Seine derben Riffs und schreddernden Gitarrensoli sind ein wichtiger Bestandteil, um den Fee-Anspruch einzulösen, keine NDW-Kapelle, sondern eine deutschsprachige Rock-Band am Rande von Punk und Hard Rock zu sein. Das weiß auch die Inszenierung. Immer wieder wird er optisch aus der Versenkung geholt, indem nur er in weißes Spotlight getaucht wird.
Aber die alten Herren sind auch nicht ohne. Besonders Drummer Reinhard Lewitzki hat mich geplättet. Als er nach dem regulären Set die wenigen Stufen der Bühne hinabstieg, brauchte er ein wenig Assistenz. Aber sobald er auf dem Drum-Hocker saß ging er ab wie eine Maschine, und zwar als eine Maschine, die eine absolute Power-Band antrieb. What a Man!
Keyboarder Lothar Brandes hatte seine ganz eigene Zeit. Das lange Vorspiel zu „Mein Guru“ gestaltet er allein. Die restliche Band drückt sich an den Rand der „Bühne“ oder verschwindet im vorderen Teil des Wild at Heart, wo sich der „Back“stage Raum befindet. Da ist dann Zeit für ein kleines Klavierkonzert im (hier nicht existenten) Spotlight.
Fazit: So jung, wie diese Band ist nur ein Bruchteil dessen, was sich heute neu auf die Bühne schleppt. Wer eine tolle Power-Party erleben will, sollte die Live-Dates auf der Fee-Seite checken, die dort hoffentlich bald angeziegt werden. Denn diese Band darf einfach nicht auf dem heimischen Sofa sitzen bleiben.
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