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Info
Zeit: 28.10.2017
Ort: Nürnberg - Der Cult
Fotograf: Karl-Friedrich Wild
Internet:
https://www.facebook.com/briandowneysaliveanddangerous/
Thin Lizzys Live And Dangerous wurde 1978 veröffentlicht und stellt ein Referenzwerk in Sachen 70er Jahre-Hardrock dar. Was hier tatsächlich live ist, wurde schon öfters kontrovers diskutiert. Fakt ist: Die Scheibe rockt wie Hölle und jede Band wäre froh, so eine Konzertatmosphäre auf LP zu bannen. Ich glaube hier die Version der beteiligten Musiker die beteuern, dass lediglich ein paar Vocals nachbearbeitet wurden. Brian Downey, der legendäre Schlagzeuger von Thin Lizzy, tourt derzeit mit jungen, bei uns unbekannten Musikern durch Europa. Dabei spielt er genau dieses Album komplett, inklusive ein paar Überraschungen. Für mich ganz klar ein Pflichttermin – wann sieht man diesen grandiosen Schlagzeuger schon mal in einer so kleinen Location?
Der Club „Der Cult“, in dem das Konzert stattfindet, befindet sich zwischen Nürnberg und Fürth und fasst vielleicht 200 Zuschauer. Der Laden ist sehr gemütlich eingerichtet, Party kann man hier sicher gut machen. Es sind vielleicht 100 Fans anwesend, die wegen Brian Downey und der Thin-Lizzy-Songs gekommen sind. Wir vom MAS-Team kommen an dem Abend über Gästelistenplätze rein, ein feiner Zug vom Konzertveranstalter.
Man merkt, dass ab 22 Uhr „Gothic-Night“ ist und Halloween kurz bevorsteht. Alles ist in Schwarz gepackt und etliche Skelette hängen in der Gegend herum. Aufgrund dieser Tatsache geht das Konzert auch um Schlag 20 Uhr los. Brian Downey und seine „Buben“ kommen auf die Bühne und fackeln nicht lange herum. „Jailbreak“ eröffnet den Klassikerreigen. Als Sänger und Bassist Matt Wilson zu singen beginnt, klappt mir erstmal die Kinnlade runter. Näher an den legendären Phil Lynott kann man nicht herankommen. Auch von der Optik her ist hier eine ganz große Ähnlichkeit da – wenn man die Augen schließt, hört man kaum einen Unterschied. Selbst den Bass bedient er wie Phil Lynott. Dass er dafür einen Fender Precision benutzt versteht sich von selbst.
Der Sound vorne an der Bühne ist sehr laut, ich verzieh mich weiter hinten ans Mischpult. „Southbound“ zeigt die Klasse des Gitarrenduos Phil Edgar und Brian Grace. Die beiden spielen die legendären Twin-Leads astrein und kommen vom Sound genau an ihre Vorgänger Scott Gorham und Brian Robertson heran. Sämtliche Musiker auf der Bühne sind waschechte Iren – das hätte Lynott sicher gefallen! Was soll da noch schiefgehen?
Brian Downey, der bescheidene und sympathische Arbeiter im Hintergrund hält die Truppe durch sein präzises und technisch brillantes Spiel zusammen. Völlig problemlos beherrscht er sämtliche Spielarten des Rock – einmal tänzelnd und gefühlvoll wie bei „Dancing In The Moonlight“, um dann wieder brachial in das wuchtige „Massacre“ überzuleiten. Dabei merkt man ihm seine 66 Lenze zu keiner Sekunde an – im Gegenteil. Seine jungen Begleitmusiker scheinen ihn regelrecht zu beflügeln. Ganz klar – er ist das Original und hat den Thin-Lizzy-Sound über Jahre mitgeprägt. Tommy Aldridge war bei der John-Sykes-Ausgabe der „Blechliesel“ natürlich auch nicht von schlechten Eltern, aber hat der Band damals einen wesentlich metallischeren Sound verpasst, der manchem Fan nicht gefallen hat.
Die Fans im „Cult“ kommen vollends auf ihre Kosten. Matt Wilson ist nicht nur ein guter Musiker, sondern er versteht es auch hervorragend, mit dem bestens aufgelegten Nürnberger Publikum zu agieren. „Still In Love With You“ ist für mich definitiv das Highlight des Abends. Diesen Song hört man live außer bei Thin Lizzy wirklich nirgends. Hier teilen sich die beiden Gitarristen Edgar und Grace die Soli untereinander auf. Man kann hier keinen qualitativen Unterschied erkennen, beide sind hervorragende Gitarristen. Beim „Cowboy Song“ singt das Publikum textsicher mit, inklusive das Heulen der Coyoten. Matt Wilson lobt das Publikum sehr und erinnert an den letzten Thin-Lizzy-Auftritt mit Phil Lynott in Deutschland, der auch in Nürnberg stattgefunden hat. Dass dies kein leeres Geschwätz war, zeigt sich bei den Zugaben. „Whiskey In The Jar“ wurde sonst nicht oft gespielt, hier hat Nürnberg schon Maßstäbe gesetzt.
Bei „Sha-La-La“ zeigt Brian Downey sein gesamtes Können. Er verdrischt sein Schlagzeug filigran und wuchtig. Klar, das Solo kennt man von der Livescheibe. Aber ihn dabei zu beobachten, ist schon nochmal etwas ganz Besonderes. Auch hier spielt sich der Musiker nicht über Gebühr in den Vordergrund, sondern baut das Solo songdienlich ein. Matt Wilsons Stimme zeigt im Laufe des Sets keinerlei Ermüdungserscheinungen. Er muss manchmal sogar etwas weiter vom Mikro weg, da es sonst zu laut wäre.
Nachdem „I’m A Rocker“ das reguläre Set beendet hat, verlangt das Publikum nach Zugaben und die bekommt es. „Angel From The Coast“ ist ein feiner, unauffälliger Song vom Jailbreak-Album, den ich live noch nie gehört habe. „Whiskey In The Jar“ lässt den kompletten Cult erbeben, hier singt selbst die schwarzgekleidete Bedienung mit, die gleich nach dem Konzert an der Kasse sitzt und die „Schwarzkittel“ abkassiert. Die beiden Powerstücke „Bad Reputation“ und natürlich das mit irischer Geschichte gespickte „Emerald“ setzen den Deckel auf ein atmosphärisches und äußerst stimmungsvolles Retro-Konzert, das die Original Thin-Lizzy-Ausgabe um das Gitarrenduo Brian Robertson und Scott Gorham mehr als würdig ehrt. Mehr Authentizität geht einfach nicht, so viel steht fest! Die Musiker sind sichtlich gerührt und bedanken sich beim begeisterten Publikum.
Etwa 10 Minuten nach Konzertende kommen die sympathischen Musiker zurück vor die Bühne, um Autogramme zu geben und für Fotos zur Verfügung zu stehen. Der gefragteste Mann ist hier natürlich Brian Downey, der geduldig wirklich alles unterschreibt, was er vor die Nase gehalten bekommt. Und das ist eine ganze Menge!
Fazit: Wer auf die Robertson/Gorham-Ausgabe und -Alben der Blechliesel steht, ist hier genau richtig. Sound, Stimme, Songs – hier bekommt man genau das geboten!
Setlist:
Jailbreak
Are You Ready
Southbound
Rosalie
Dancing in the Moonlight
Massacre
Still in Love With You
Johnny the Fox Meets Jimmy the Weed
Cowboy Song
The Boys Are Back in Town
Warriors
Sha-la-la
Don't Believe a Word
Suicide
The Rocker
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Angel From the Coast
Whiskey In The Jar
Bad Reputation
Emerald
Stefan Graßl
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