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Zeit: 15.09.2017
Ort: Jena, Kulturbahnhof
Fotograf: Stian Nybru
Internet:
http://www.cosmic-dawn.de
Nein, Born To Hula, die an diesem Abend als lokaler Support für Orango in Jena spielen, kommen nicht vom Hawaii-Archipel oder sonstwoher aus der Südsee, sondern „aus der Nachbarschaft“, wie der Sänger zwischendurch launig bemerkt, womit er meint, dass der Proberaum des Quartetts in Kranichfeld bei Weimar steht, wo der Rezensent als Kind mehrmals Urlaub gemacht hat, weil der VEB Petrolchemisches Kombinat „Otto Grotewohl“ Böhlen, wo sein Vater arbeitete, in ebenjenem Ort ein Betriebsferienheim besaß. Das ist Jahrzehnte her, und die Einflüsse der Band liegen auch schon einige Jahrzehnte zurück, wenngleich zumindest partiell nicht ganz so weit: Das, was man als Stoner Rock zu bezeichnen pflegt, hoben Kyuss ja erst in den späten Achtzigern aus der Taufe. Born To Hula kombinieren diese Stilistik nun aber, nein, nicht mit Südseerhythmen, sondern mit klassischem Hardrock und einer Prise Grunge und halten zudem das Tempo auch in mittleren bis flotten Lagen, nur in „Kiss My Mind“ ins Doomige herunterschaltend, während „Your Soul“ zwar vom spaßvogelig veranlagten Sänger als langsam angesagt wird, sich aber als schnell entpuppt. Besagter Sänger reißt seinen Mund beim Singen so weit auf wie kaum ein anderer Kollege und klingt wie eine etwas energiegeladenere und rauhere Version von Ozzy; bisweilen kommt auch ein Effektgerät zum Einsatz, ansonsten erweist sich das Quartett aber als ziemlich puristisch veranlagt, und die beiden Saitenbediener entpuppen sich zudem bewegungstechnisch eher als Stoiker, was aber kein Problem darstellt, da der Sänger die Show sowieso im Alleingang schmeißt. Die Band war zwei Jahre inaktiv und der Jena-Gig der erste der Neuzeit, aber dafür präsentiert sich das Quartett als gut eingespielt, und laut dem Sänger arbeite man auch schon an einer neuen Platte. Ob dafür schon Material live angetestet worden ist oder die neun Songs allesamt aus der frühen Aktivitätsphase stammen, müssen Kenner der Bandgeschichte beurteilen, zu denen der Rezensent nicht zählt und ein guter Teil des Publikums offenbar auch nicht. Trotzdem schwingen die Anwesenden schon fleißig das Tanzbein, und auch das klare Klanggewand, das einzig den Sänger ein ganz kleines Stück zu weit in den Hintergrund stellt, überzeugt.
Auch Orango tragen einen räumlich eher irritierenden Bandnamen, kommen sie doch nicht etwa aus einem Land, in dem nach Heinz Erhardt die Pomeronen und Zitranzen wachsen, sondern aus Norwegen, und dort ist es trotz Klimaerwärmung und Golfstrom für den Anbau von Zitrusfrüchten nach wie vor nicht warm genug. Dementsprechend erweitert das Trio seinen Aktionsradius schrittweise in südlichere Gefilde, nachdem es sich in seiner Heimat schon einen ansehnlichen Status erspielt hat (das Debütalbum datiert immerhin schon von 2004), und ist nun bei seinem zweiten Deutschlandabstecher erstmals auch in Jena zu erleben. The Mules Of Nana heißt das neue, bereits sechste Album der Norweger und stellt logischerweise diverse Teile der Setlist, zumal außer ein paar Spezialisten sowieso kaum jemand mit dem frühen Schaffen des Trios vertraut sein dürfte. Selbige neuere Nummern siedeln klar im Sechziger- und Siebziger-Rock basischer instrumentaler Ausprägung, wobei die basische Inszenierung nie zu weit geführt wird. Aber da ist noch ein anderer Fakt: Alle drei Bandmitglieder sind erstklassige Sänger, und obwohl der Gitarrist das Gros des Leadgesangs übernimmt, steuert auch die Rhythmusgruppe Teile dazu bei, und vor allem sind die Norweger in der Lage, dreistimmige Satzgesänge in bester Crosby Stills & Nash-Manier zu inszenieren, die ihrem Material einen ganz besonderen Pfiff geben (höre sich die Youtube-Kostprobe „Heirs“ an, wer einen konservierten Eindruck gewinnen will). Diese Mixtur zündet natürlich auch in Jena und führt abermals zum Schwingen des Tanzbeins, zumal man auch hier wieder durch ein klares Soundgewand alle Feinheiten des Bandsounds deutlich mitverfolgen kann. Gegen Ende packen die Norweger allerdings verstärkt älteres Material aus, und das klingt von Riffing und Melodik her teilweise etwas nach AC/DC, ohne freilich eine Young-Kopie darzustellen – wenn, dann könnte man vielleicht eher The Easybeats als Referenz anführen, allerdings in einer deutlich „zeitgemäßeren“ Variante. Nummern wie „Rubber Lady“ oder „Driftwood“ machen jedenfalls viel Hörspaß, und nur die Band allein wird wissen, warum sie als Setfinale sowie als Zugaben eher zurückhaltende Nummern spielt und damit einen eher lauen Ausklang fabriziert, anstatt nochmal richtig kernig auf die Pauke zu hauen. Für die Einforderung von Zugaben reicht es natürlich trotzdem (sollte die erste tatsächlich Motörheads „Shine“ gewesen sein, woran der Refrain irgendwie erinnert?), aber für die ganz große Feierstimmung fehlt nach dem wirklich guten Hauptteil des Gigs nun das Tüpfelchen auf dem i – ein Problem freilich, für das andere Bands manuell von Norwegen nach Jena rudern würden, und zugleich ein Anreiz, das bärtige Trio bei nächster Gelegenheit noch einmal unter die Lupe zu nehmen.
Roland Ludwig
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