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Titel: Punk Rock Blitzkrieg. Mein Leben mit den Ramones
Verlag: 2015 I.P.Verlag, Berlin
ISBN: 978-3-940822-06-2
Preis: € 22,90
336 Seiten
Prolog
Die History von Punk-Bands ist klar. Irgendwann tun sich drei bis fünf Jungen zusammen, die sich von Pubertät und Testosteron geplagt ein paar Instrumente schnappen, um ihren Frust über Lehrer, Eltern, Schule und bei politischem Anspruch auch gegen das Schweinesystem herauszuschreien. Sollte diese Band es schaffen mehr als ein Album aufzunehmen, fragen sich die Kritiker spätestens beim dritten Album, weil die Jungs mittlerweile gelernt haben, ihre Instrumente zu spielen, ob das überhaupt noch Punk ist.
Ob das bei den Ramones so war, erfahren wir von Punk Rock Blitzkrieg nicht. Wir erfahren überhaupt so gut wie gar nichts über die Anfänge der Ramones, weil das hier keine Bandbiographie ist. Es ist die Biographie des Schlagzeugers Marc Bell. Und als aus ihm auf Seite 106 Marky Ramone wird, existierten die Ramones bereits seit vier Jahren und Marc Bell war seit fast 10 Jahren in andere0n Bands aktiv.
Leben in New York City
Für Marc Bell gilt das oben beschriebene Punk-Klischee allemal nicht. Vor seiner Karriere bei den Ramones hat er erst bei der Schülerband The Uncles gespielt, dann unter anderem bei Dust, bei Richard Hell & the Voivods und bei Wayne County and the Backstreet Boys. Er war vor seiner Zeit bei den Ramones also bereits ein gestandener Nicht-Punk Musiker.
Für Ramones-Fans ist das nicht nur deshalb interessant, weil sie etwas über den langjährigsten Drummer ihrer Lieblingsband erfahren, sondern weil Marc Bell das soziale Biotop beschreibt, in dem auch die Ramones groß geworden sind, die New Yorker Musikszene in der ersten Hälfte der 70er. Wir lernen einen Marc Bell kennen, der bereits mit 13 Jahren Schlagzeug bei den Uncles spielte und dabei sicher stellte, dass seine Bass Drum noch ein paar Zentimeter größer war, als das Monstrum von John Bonham. Später wird er Teil der Underground Szene New Yorks, verkehrt in den entsprechenden Clubs und formiert mit Freunden die Band The Dust, die wohl eher klassischen 70er Jahre Rock spielt und in ihren besten Zeiten in Detroit vor 12.000 Zuschauern aufgetreten ist. Bald gilt er als fähiger Drummer, der zu den Household Names der Szene gehört und gleichzeitig in irgendwelchen Löchern zwischen Brooklyn und Manhattan haust – und so das Klischee des Rockmusikers voll erfüllt.
Wenn er von seinem Umfeld erzählt, dann fallen Namen wie die New York Dolls, Blondie aber auch der der Ramones. Nicht weil er zu ihnen eine große Nähe hat, sondern weil sie in denselben Läden in Manhattan spielten, wie seine Bands, in Max’s Kansas City, dem CBGBs oder dem 82 Club.
Leben in der Familie / der Irrenanstalt
1978 wird den Ramones klar, dass sie mit Gründungsdrummer Tommy Ramone an eine Grenze gestoßen sind. Marc bekommt das Angebot einzusteigen. Ein problemloser Vorgang in seiner Darstellung. Er passt in jeder Hinsicht wie Arsch auf Eimer, und Tommy ist mit dem Vorgang einverstanden. Er hilft Marc sogar beim Einstieg. Aus Marc Bell wird Marky Ramone.
Dass das Verhältnis nicht ganz so brüderlich ist, wird eher zwischen den Zeilen deutlich. Explizit erklärt er, dass er vollwertiges Bandmitglied ist mit entsprechendem Einfluss auf die musikalische Produktion. Nur nebenbei wird einmal erwähnt, dass Marky deutlich schlechter bezahlt wird, als die Ur-Ramones. Gelegentlich wird deutlich, dass er macht, was verlangt wird, wenn man seine Ideen ignoriert.
Marc distanziert sich mit keinem Wort vom Verhalten der Band, schildert aber eine Atmosphäre, die erschreckend ist, wenn man das Buch einmal zur Seite legt, sich aus dem packenden Erzählfaden löst und reflektiert, was eigentlich abgeht. Vor allem seine Rolle wirft dann Fragen auf, da er der einzige normale Mensch an Bord zu sein scheint.
Joey erscheint als mehr oder weniger unzurechnungsfähig. Ohne die Betreuung von Manger Monte ist er nicht in der Lage auch nur einen Termin wahr zu nehmen. Man fragt sich mehrfach, warum er nicht in Behandlung ist. Dee Dee ist ein Wrack, das sich alles einwirft, was irgendwie nach Pille oder Pulver aussieht. John ist ein autoritärer Diktator, der sich mit rechten und rassistischen Sprüchen profiliert und seine ständig besoffene Frau permanent verprügelt und einsperrt, damit sie Ruhe gibt.
Marc Bell erzählt das alles aber so, dass es als relativ normales Bandleben erscheint, ein Leben, das Probleme hat, wie jedes Leben, aber eigentlich das Leben in einer tollen Band ist. All das kippt, als er ein Band-Gesetz übertritt. Gesoffen wird in einer Punk-Band selbstverständlich, aber die Ramones werden hier als klare Profis dargestellt, die vor und während der Konzerte und Studiotermine nichts trinken. 1983 hat Marc seine Sucht aber nicht mehr in Griff und als seine Alkohol-Flasche auf dem Proberaum-Klo gefunden wird, fliegt er postwendend.
Der Missionar
Mit Hilfe der Anonymen Alkoholiker gelingt Mark der Ausstieg aus der Sucht. Ein schwieriger Weg, aber ein Weg der möglich ist – und der ihm vier Jahre nach dem Rauswurf den Wiedereinstieg möglich macht. Bis zur Auflösung der Band 1996 bleibt er der Schlagzeuger der Ramones. Die Darstellung der letzten Jahre steht ganz massiv unter dem Vorzeichen, dass er sie als trockener Alkoholiker erlebt, der diese Möglichkeit allein den AAs verdankt. Auch sein Versuch Dee Dee mit ihrer Hilfe von seiner Drogensucht zu befreien wird ausführlich geschildert.
Epilog
Heute sind die Ramones nicht nur als Band Geschichte. Marky Ramone hat alle vier Gründungsmitglieder überlebt. Als letzter starb 2014 Tommy Ramone, sein Vorgänger am Schlagzeuger.
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