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Zeit: 26.05.2017
Ort: München - Königsplatz
Eine von Amerikas Aushängeschildern, Aerosmith, haben unter dem Motto „Aero-Vederci Baby“ für 2017 ihre Abschiedstour angekündigt, die sie unter anderem nach München führt. Als Support-Band konnten Foreigner bestätigt werden. Für Classic-Rock-Fans ein durchaus gelungenes Package. Im Vorverkauf wurden die Tickets für über 100 Euro angeboten, für den Bereich vor der Bühne sogar noch um einiges mehr. Das war mir zu teuer, aber ich konnte auf Ebay für 90 Euro je zwei Tickets ersteigern.
Der Königsplatz in München ist für so ein Event allererste Wahl. Über 22.000 Zuschauer sind an dem Abend gekommen, um die Hardrock-Giganten Aerosmith ein letztes Mal in Deutschland zu sehen. Das Publikum ist bunt gemischt. Trotzdem fällt auf, dass verhältnismäßig viele jüngere Musikfans unter den Beteiligten sind. Das Wetter ist mit strahlendem Sonnenschein auch noch mit von der Partie, sodass einem gelungenen Konzertabend nichts mehr im Weg stehen kann.
FOREIGNER mit dem einzig übrig gebliebenen Originalmitglied Mick Jones beginnen um 20 Uhr mit „Double Vision“. Der Sound stimmt, mit dem Song kann man auch nichts falsch machen und so ist das Publikum auch gleich von Beginn an gut dabei. Sänger Kelly Hansen lässt an dem Abend rein gar nichts anbrennen und röhrt, was das Zeug hält. An Einsatz mangelt es auch nicht bei Bass-Urvieh Jeff Pilson, der mit wahrer Hingabe sein Instrument bearbeitet. Dabei übernimmt er noch große Teile des Backgrounds und nutzt die Bühne in ihrer kompletten Breite, um teilweise fast ein bisschen zu schroff zur Musik abzurocken. Tom Gimbel, der Tausendsassa bei Foreigner übernimmt auch heute wieder ein Klasse-Saxofon-Solo bei „Urgent“, das mittlerweile zu seinem Markenzeichen geworden ist.
An sich alles in Ordnung sollte man meinen, oder? Musikalisch gibt es auch nichts auszusetzen, die Truppe ist sehr gut. Allerdings hat die Darbietung der Songs dann schon teilweise ZDF-Fernsehgarten-Niveau. Wenn aus dem eigentlich sehr aggressiven „Juke Box Hero“ eine Art Sommernachts-Reggae-Nummer geschnitzt wird, die insgesamt 15 Minuten dauert, ist mir das ein bisschen zu viel. Auch die restlichen Songs wirken teilweise blass und arg gefällig präsentiert. Von Rock'n'Roll ist hier nicht mehr viel übrig. Von daher: Musikalisch perfekt gemacht, aber der Rotz fehlt mir leider gänzlich.
Setlist Foreigner:
1. Double Vision
2. Head Games
3. Cold as Ice
4. Dirty White Boy
5. Feels Like the First Time
6. Urgent
7. Keyboard and Drum Solo
8. Juke Box Hero
9. Long, Long Way From Home
10. I Want to Know What Love Is
11. Hot Blooded
Ich bin sehr gespannt, wie sich AEROSMITH an dem Abend präsentieren. Auf der neuesten Live-DVD, die vor ein paar Jahren veröffentlicht wurde; machte die Truppe einen perfekt eingespielten, wuchtigen Eindruck. Doch das ist nun auch schon wieder drei Jahre her…
Um 21 Uhr flimmert ein eindrucksvolles Intro über die Bühne, das Aerosmith im Laufe der Jahrzehnte zeigt. Blutjung, teilweise fertig und von Suchtmitteln gezeichnet. Die Band hatte gute und schlechte Zeiten, und vor allem die „Toxic Twins“ Steven Tyler und Joe Perry haben großes Glück, dass sie überhaupt noch unter den Lebenden sind. „Let The Music Do The Talking” eröffnet den Klassikerreigen. Bereits hier wird klar, wohin die Reise geht: Immer voll auf die Zwölf. Mit einem fulminanten Taktgeber wie Joey Kramer am Schlagzeug hat die Band auch gar keine andere Möglichkeit. Er drischt wie ein Irrer auf die Felle und heizt damit seinen Vorderleuten ziemlich mächtig ein. Steven Tyler ist wie man ihn kennt: Ein Wirbelwind, den es zu keiner Sekunde an einer bestimmten Stelle auf der Bühne hält. Ständig ist er unterwegs und mit seinen 69 Jahren klingt seine Stimme schlichtweg fabelhaft. Ich bin überwältigt, was der für eine Wucht in seinen Stimmbändern hat. Dabei ist er einfach cool bis zum Abwinken. Auf seine Arme hat er sich mit einem Lippenstift „Leck mich“ drauf schreiben lassen - eine Marotte, die man schon länger von ihm kennt.
Leider hat der Mischer während der ersten 30 Minuten seine Arbeit nicht ganz im Griff. Die Gitarre von Joe Perry hört man bei den Solos fast gar nicht und eine Bass-Drum beim Schlagzeug überhaupt nicht. Dies schadet dem Sound sehr und trübt den Hörgenuss beträchtlich. Insgesamt bessert sich der Sound um einiges, das Schlagzeug bleibt jedoch während der kompletten zwei Stunden die Achillesferse des Konzerts.
Aerosmith spielen Hit auf Hit. Es wird mir im Laufe des Abends wieder einmal bewusst, wie viele geniale Songs diese Truppe zustande gebracht hat. Und wenn man bedenkt, welche erstklassigen Perlen erst gar nicht gespielt wurden, ist das schon sehr beeindruckend. „Rag Doll“ wird von Joe Perry im Sitzen gespielt. Dabei bearbeitet er im Stil eines Bluesers eine Original Pedal-Steel-Guitar, der er geniale Töne entlockt. Eine besondere Form der Darbietung erhalten die Songs „Hangman Jury“ und das unvergleichliche „Seasons Of Wither“. Auch hier sitzen Tyler und Perry, die Songs sind eher im Halb-Akustik-Gewand gehalten. Wahnsinnig gut! Auch hier wird klar, welche songwriterische Klasse hinter den Stücken steht. Auch die Balladenfraktion wird an diesem Abend bestens bedient. „Cryin’“ kommt bereits zu Beginn, das starke „Janie’s Got A Gun“ und natürlich der Gigant „I Don’t Wanna Miss A Thing“ folgen später. Keiner schmachtet und leidet so schön wie Steven Tyler, das steht schon mal fest!
Im Hintergrund der Bühne ist eine riesige Videoleinwand postiert, auf denen man die Musiker bestens beobachten kann. Beeindruckend ist das starke Zusammenspiel der Band. Die Gitarren verschmelzen zu einer Einheit mit blindem Verständnis. Brad Whitford und Joe Perry sind hier und heute bockstark, wobei Whitford eher im Hintergrund glänzt und Perry spektakulärer auf der Bühne wirkt. Bassist Tom Hamilton hat bei “Sweet Emotion“ seinen großen Auftritt, den er mit sichtlicher Freude präsentiert. Alterserscheinungen auf der Bühne sind für mich kaum erkennbar. Klar, die Musiker gehen alle auf die 70 zu. Aber sie spielen beherzt und walzen dabei in einer einzigartigen Rock n Roll-Dampfmaschine alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt.
Die Beatles-Nummer „Come Together“ sorgt für einen entspannten Party-Faktor, der etliche Fans hinter uns dazu animiert, in großem Maße Kräuterzigaretten abzufackeln. Die Fleetwood-Mac-Nummern „Stop Messin’ Around“ und das düstere „Oh Well“ machen die Luftschmiede zu ihren Stücken, beides klingt stark. Für die Zugaben wird ein Flügel auf die Bühne gehievt, an dem ein überglücklicher Steven Tyler Platz nimmt. Er spielt ein bisschen vor sich hin und schlägt dann die Akkorde von „Dream On“ an. Die Ballade von ihrem Debüt-Album hat für Aerosmith alles verändert und ihnen den Weg ins Musikbusiness geebnet. Mir läuft es eiskalt den Rücken runter, Tyler singt gigantisch gut. Zum Solo gesellt sich Joe Perry dazu und steigt kurzerhand auf das Piano. Auch das gehört zu Aerosmith, wenngleich sich dieser Showeffekt als der einzige des Abends entpuppt. Sie lassen lieber die Musik sprechen, was viel gehaltvoller ist.
Alles hat einmal ein Ende. Jenes wird dann mit „Walk This Way“ eingeläutet. Auch hier wird noch mal alles in die Waagschale geworfen, die Fans auf dem Königsplatz tanzen und feiern. Überhaupt ist die Stimmung sehr gelöst und fast schon familiär. Danach ist leider Schluss. Aerosmith bedanken sich kurz beim Münchener Publikum und verlassen dann ziemlich zügig die Bühne. Das Wort „Abschied“ nimmt Tyler nicht in den Mund, überhaupt wird hier kein Wort in diese Richtung abgegeben. Das wirkt für mich ein bisschen seltsam. Allerdings ist Tyler eh nicht der große Redner, es gibt während des kompletten Konzerts kaum Ansagen.
Der Auftritt war für mich grandios, auch wenn man von den Anfangsschwierigkeiten vom Sound mal absieht. Die Truppe lebt und rockt! Eigentlich schade, dass sie aufhören, aber soll man das nicht bekanntlich dann machen, wenn’s am schönsten ist? Vielen Dank für eure tollen Songs - it was amazing!!
Setlist Aerosmith:
1. Let the Music Do the Talking
2. Young Lust
3. Cryin'
4. Livin' on the Edge
5. Love in an Elevator
6. Janie's Got a Gun
7. Stop Messin' Around
8. Oh Well
9. Jaded
10. Hangman Jury
11. Seasons of Wither
12. Sweet Emotion
13. I Don't Want to Miss a Thing
14. Rag Doll
15. Come Together
16. Dude (Looks Like a Lady)
17. Dream On
18. Walk This Way
Stefan Graßl
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