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Auf dem internationalen Duo Blackfield ruhten nach ihrem gutklassigen, selbstbetiteltem Debut Album hohe Erwartungen: Würden der israelische Singer/Songwriter Aviv Geffen und Porcupine-Tree-Sänger und -Gitarrist Steven Wilson ein Live Programm zusammenstellen können, dass mit dem Albumsound mithalten kann, ohne weitgehend vom Band zu kommen? Können sie mit nur einem Album von gerade mal zehn Songs ein abendfüllendes Konzert spielen?
Bevor diese Fragen eine Auflösung fanden begab sich zunächst Porcupine-Tree-Keyboarder Richard Barbieri auf die Bühne, der Material von seinem demnächst erscheinendem Debut Soloalbum Things Buried zum Besten gab. "Solo" ist hierbei wörtlich zu nehmen, denn Steven Wilsons Bandkollege spielt rockigen, komplett instrumentalen Ambient, der weitgehend vorprogrammiert ist. Das hat durchaus etwas originelles, denn so hat man Ambient noch nicht gehört: Die oft basslastigen Stücke dröhnen mit extremer Lautstärke aus den Boxen, erzeugen ein fast unwillkürliches Kopfnicken und werden vom Publikum sehr wohlwollend aufgenommen. Nach 30 Minuten war es dann aber auch gut, den Kompositionen fehlt es doch zu sehr an Abwechslung und Tiefgang um über längere Zeit faszinieren zu können - und so blieb nicht viel mehr hängen als die treffende Bemerkung meiner Begleitung: "Toll, meine Hose vibriert!"
Es ist erstaunlich, wie schnell sich Blackfield eine Fanbasis in Deutschland erspielen konnte: Bereits jetzt waren zahlreiche Besucher in aktuellem Tour-Merchandising gekleidet. Ansonsten sah man einige Porcupine-Tree-Shirts und tatsächlich auch den einen oder anderen Metaller, auffällig viele sogar im Nevermore-Look (!). Ein einzelner Fan - der später beim Konzert mit ständigen "Aviiiv!" Rufen auffiel, die von diesem allerdings vollständig ignoriert wurden - war sogar in israelischen Nationalflaggen eingewickelt.
Gleich beim ersten Stück "Blackfield" zeigt die Band, dass sie keinesfalls nur im Musikstudio hervorragende Songs fabrizieren kann. Die Songs kommen live sehr originalgetreu 'rüber, klingen durch die (vielleicht etwas zu) hohe Lautstärke und die sehr engagierte Live Band, die Blackfield für ihre Tour angeworben haben, allenfalls etwas rockiger als auf Konserve. Bemerkenswerte Unterschiede gab es nur in "Lullaby", das ohne Streicher und Hall deutlich schlanker daherkam, und in "Scars", dem man im Intro und an den ruhigen Stellen geringe Wandlungen anmerkte. Ansonsten wurde das gesamte Album gespielt, einschließlich des Bonus Tracks "Where is my Love?". Außerdem präsentierte Blackfield bereits zwei neue Songs vom nächsten Album, die ich hier in Anlehnung an die jeweiligen Texte mal ganz dreist auf "Loneliness" und "Waiting" taufe. Beide sind ausgesprochen eingängig und rockig, haben viel Potential und lassen - wenn diese Stücke den künftigen Standard bilden - auf ein ganz hervorragendes Album hoffen.
Bevor die Band mit "Hello" das reguläre Set beendet, motiviert Steven Wilson, der im Vergleich zum manchmal etwas schüchtern wirkenden Aviv Geffen die aktivere Rolle auf der Bühne übernimmt, das Publikum noch zu einem kleinen Geburtstagsständchen für Tour-Keyboarder Daniel und entschuldigt sich für die leider bereits ausgehenden Songs. Nach ausgiebigem Applaus gab es als Zugabe trotzdem noch den Porcupine Tree Song "Feel so low" mit Aviv am Schlagzeug (von Steven Wilson kommentiert mit einem ironischen "Aviv, ich habe dich noch nie Schlagzeug spielen sehen!"). Als das Publikum die Band dann immer noch nicht gehen lassen wollte wurde abgestimmt, welcher Song noch einmal gespielt werden sollte - Sieger war mit Abstand "Cloudy Now". Das Versprechen, bei der nächsten Tour mit neuem Material und einem längeren Live-Programm zurückzukommen, nehmen wir beim Wort!
www.blackfield.org
Hendrik Stahl
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