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Artikel

Im Auge des jüdischen Tigers: Die Jewish Monkeys bringen Leipzig zum Tanzen

Info

Künstler: Jewish Monkeys

Zeit: 09.03.2017

Ort: Leipzig, Werk 2, Halle D

Fotograf: Jean Trouillet

Internet:
http://www.greedyforbestmusic.com

Dass sich die Jewish Monkeys nur bedingt an die Konventionen des Musikbusiness zu halten gedenken, ist Eingeweihten mittlerweile bekannt. Selbige Nonkonformität erstreckt sich auf die verschiedensten Ebenen, angefangen bereits beim Musikstil: Der selbstdefinierte Klezmer Punk erfüllt zunächst nicht die Erwartungen derjenigen, die beim Terminus „Punk“ an Dreiakkordmusik denken, dürfte aber auch das Herz so manchen Klezmer-Anhängers in nervöse Aktivitäten versetzen. Punk meint hier eher die erwähnte Nonkonformität, wird allerdings gepaart mit einer musikalischen Wundertütenvielfalt, die sich außer aus dem Klezmer auch noch aus diversen anderen Stilistika speist, wozu etwa balkanische Elemente treten und das nicht nur in entsprechend thematischen Nummern wie „Romenia“. Ungewöhnlich ist aber auch die Tatsache, dass die Band ihr neues Album High Words betourt, obwohl selbiges noch gar nicht auf dem Markt ist. Die Tour durch sieben deutsche und eine polnische Stadt steht Anfang März an, High Words aber erscheint erst am 28. April, bildet materialseitig indes trotzdem das Gerüst der Setlist und wird komplett durchgespielt. Dass diese Songs dem Auditorium folglich noch unbekannt sind, von einigen Ausnahmen wie „Titina“ mal abgesehen (zu selbigem hat’s nämlich vorab schon ein Video gegeben, und es ist zugleich auch schon auf der 2016er Global Warming-Tour gespielt worden), tut der positiven Stimmung dieses Abends in Leipzig allerdings keinen Abbruch.

Die Basis für ein gelungenes Konzert legt die Band gleich mit dem urlangen Instrumentalintro, das zum einen schrittweise verschiedene der zu erwartenden Stilistiken vorstellt, zum zweiten beweist, dass man diese problemlos sinnvoll miteinander verknüpfen kann (wenn man denn einen Ran Bagno in der Band hat, der über ebenjene Fähigkeit verfügt), und zum dritten ein paar Fremdthemen locker-flockig einflicht, darunter Survivors „Eye Of The Tiger“ – und wer sich selbiges in einer Klezmer-Punk-Variante vorstellen kann, der ahnt das freudige Grinsen, das damit in die Gesichter der kundigen Anwesenden gezaubert wird. Leicht getrübt wird das allenfalls durch den Fakt, dass man Bagno zwar gut hören kann, wenn er Akkordeon spielt, er aber ein wenig zu weit im klanglichen Abseits landet, wenn er an die Keyboards wechselt – ein Problem, das im Verlauf des Konzerts zwar in einigen Songs gelöst werden kann, aber immer mal wieder auftaucht, dankenswerterweise allerdings das einzige Soundproblem des Abends bleibt, denn Posaunist Moran Baron auf der anderen Bühnenseite ist stets klar durchhörbar und die hintere Reihe der Musiker, also Gitarrist Omer Hershman, Bassist Yoli Baum und Drummer Henry Vered, auch.



Im Vergleich zum letztjährigen Leipzig-Konzert (Review auf www.crossover-agm.de) sind die Jewish Monkeys übrigens um einen Bühnenaktiven angewachsen – und nein, das bedeutet nicht, dass der damals abwesende Band-Co-Gründer Roni Boiko diesmal mit an Bord wäre: Seinen Platz im Gesangstrio, der 2016 kurzerhand leer geblieben war, nimmt Neuzugang Assaf Pariente ein, aber der fügt sich prima in die Formation ein, sowohl gesanglich als auch humortechnisch. Gesanglich bekommen wir in bewährter Weise die volle Breitseite vom energischen Shouten bis hin zu lupenreinen Trio-Chorsätzen, und dass die Ansagen den anarchistischen Humor der Band trefflich widerspiegeln, ist dem Kenner gleichfalls seit langem bekannt und für die Neulinge im Publikum ein Quell des Frohsinns, zumal es sich Jossi Reich als einziger Deutschkundiger der Sänger nicht nehmen lässt, seine Bandkollegen ein ums andere Mal zu verladen, wenn er mit dem Publikum in Deutsch kommuniziert, und ihnen dann nur das zu erzählen, was sie hören sollen. Trotz der nicht eben großen Bühne (man hat die schon nicht große Halle D so umgestaltet, dass nicht die Haupt-, sondern eine kleinere Seitenbühne bespielt wird) herrscht auch reichlich Bewegung auf den Brettern, getoppt natürlich durch selbige in den ersten Reihen des Publikums, das die Gelegenheit zum Tanzbeinschwingen in den gesamten reichlich anderthalb Stunden des Gigs dankbar annimmt.

Die setinterne Dynamik zeichnet sich durch eine geschickte Steigerung aus: Nach „Post Midlife Dance“ bleiben Tempo und Intensität zunächst noch im übersichtlichen Bereich und nehmen erst schrittweise mehr Fahrt auf, so dass dann in Nummern wie „Hit Me With Your Rhythm Stick“, zu dem es auch ein von Assaf selbstgedrehtes Handykameravideo auf Facebook zu sehen gibt, in welchem sich der anarchistische Zugang der Band wohl am besten spiegelt, der Bär vollends tobt, wenn man sich nicht gerade wieder über eine der Ansagen schlapplacht.

Die Truppe versteht es, auch ernste Themen wie die Ölabhängigkeit („Caravan Petrol“) gekonnt ins humoristische Fach zu ziehen, und ist in der Gesamtbetrachtung erfreulich politisch unkorrekt (was ihnen in Israel durchaus nicht nur Freunde eingebracht hat). Ein Bisschen jiddische Melancholie findet sich in verträglichen Dosen gleichfalls eingestreut, aber die Partystimmung überwiegt, und da trotz einiger fest installierter Tische im Auditorium immer noch genug Platz ist, bietet sich reichlich Gelegenheit zum Tanzbeinschwingen, auch wenn man einer solchen Band natürlich viel lieber eine knackevolle Halle wünschte und dafür in Kauf nähme, das Tanzbein nicht so intensiv schwingen zu können. Das Oktett zeigt sich äußerst spielfreudig, ist bei bester Laune, geht auch direkt aufs Publikum ein und wird folgerichtig ohne drei Zugaben nicht wieder weggelassen. Kuriosum am Rande: In der ganzen Setlist finden sich lediglich drei Stücke in Durtonarten – alles andere kommt in Moll. Aber die Fähigkeit, daraus trotzdem ein fröhliches Konzertereignis zu machen, ist nur eine der weiteren Nonkonformitäten, die diese Band bietet und die sie so wertvoll machen. Bei passender Gelegenheit: Hingehen!

Setlist:
Intro
Post Midlife Dance
So Nice
High Words
Black But Sweet
Alter Kaker
Luba Lubavitcher
I Wonder
Johnny Is A Goy For Me
Briggita
Shprizich Mir
Old Pticha
Caravan Petrol
Hit Me With Your Rhythm Stick
Romenia
Titina
JM Fever
--
Pupik
Add It Up
Alter Kaker

Roland Ludwig


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