Artikel
Info
Zeit: 22.11.2004
Interview: Telefon
Stil: Chaos-Hardcore
Internet:
http://www.grizzlytwister.tk
Mit dem Grizzly Twister fegt eine ungemein intensive Lawine auf uns zu, die eruptionsartig alles wegzufegen droht. Da werden wirklich alle Naturgewalten vereint. Gerade haben sie mit Kill The Autopilot ein großes Album veröffentlicht, das jeden wegblasen wird, der auf Musik zwischen Blood Brothers, JR Ewing und The Locust steht. Nachdem sie erst vor einem Monat von ihrer letzten Europa-Tour zurückgekommen sind, plant man für den Frühling schon die nächste. Jonas, der Sänger, verrät uns ein bisschen was über die noch recht unbekannten Schweden.
MAS:
Fredd, euer Gitarrist, hat gemeint ihr hättet heute eine Club-Eröffnung in Gävle.
Jonas:
Ja, da werde ich bald wieder hingehen. Die Statistics spielen da heute.
MAS:
Habt ihr in Gävle überhaupt eine Independant- bzw. Hardcore-Szene in Gävle?
Jonas:
Sogar ne recht große. Wir haben nur nicht so viel Venues. Bisher mussten wir immer in die Nachbarstadt Sandviken gehen.
MAS:
Wie seid ihr zu Hardcore gekommen?
Jonas:
Ich persönlich denke, dass Hardcore-Bands Emotionen sehr gut ausdrücken können. Es ist oft eine Art Ventil. Wenn es dir nicht so gut geht schreist du dir eben die Seele aus dem Leib. Und es sind oft sehr gute Lyrics wie bei Converge zum Beispiel. Deren neues Album „You Fail Me“ ist der Hammer. Das ist echter Emo. Das ist was Emotion bedeutet.
MAS:
Ich habe letztens ein Converge-Interview gelesen, in dem deren Sänger ähnliches über Hardcore als Ventil und Verarbeitungsmöglichkeit gesagt hat.
Jonas:
Das ist cool! Manche Menschen können gute Pop-Songs schreiben, andere heulen irgendein Emo-Zeug rum und wir schreiben eben Hardcore-Songs. Das passt einfach am besten zu unseren Emotionen.
MAS:
Ihr seid erst vor kurzem von der Tour zurückgekommen. Wie ist’s denn gelaufen?
Jonas:
Sehr gut, echt okay. In Frankreich zum Beispiel hat uns noch kein Mensch gekannt. Da kommen auch gar nicht so viel Bands aus dem Ausland hin. Man muss dort auch eher noch französisch singen, wenn man groß werden will. Es hat aber echt viel Spaß gemacht. Manchmal waren viele Leute da, manchmal nur sehr wenige. Aber so ist das eben, wenn du unbekannt bist.
MAS:
Was war die wichtigste Erfahrung auf Tour?
Jonas:
Für uns als Band das lange Zusammensein. Das schweißt einen schon zusammen, wenn man zwölf Stunden non-stop reist, dann direkt einen Gig spielt, beim Veranstalter irgendwo schläft, usw. Das Schöne ist, laufend Leute aus anderen Ländern kennen zu lernen und zu sehen wie die Veranstalter mit Herz dabei sind. Wenn dann das Publikum noch zu unserer Musik tanzt ist das toll. Es ist schon ein Privileg das machen zu können.
MAS:
Müsst ihr zuhause arbeiten?
Jonas:
Ich bin im Moment der Einzige. Ich arbeite bei der Post als Briefträger. Die anderen studieren entweder oder machen eine Art Musikausbildung.
MAS:
Ist da die Organisation von Touren nicht auch ein bisschen schwierig?
Jonas:
Nein, das geht gut. Meine Chefin ist sehr cool und unterstützt mich voll. Sie meint nur, ich soll vorbeikommen, wenn ich wieder daheim bin. Und die Musiklehrer sind auch immer begeistert, wenn ein Schüler tourt. Wir haben großes Glück und können das wirklich gut machen.
MAS:
Wie geht’s deiner Stimme nach einer längeren Tour?
Jonas:
Nach der ersten war sie komplett am Arsch. Das hing aber auch damit zusammen, dass ich mich in Gera erkältet habe und irgendwann richtig krank war. Auf der zweiten jetzt hatte ich keine Probleme. Ich trinke viel Tee und hab es wohl auch irgendwie gelernt meine Stimme zu schonen.
MAS:
Man vergleicht euch gern mit The Locust, den Blood Brothers oder JR Ewing. Waren diese Bands überhaupt ein Einfluss für euch?
Jonas:
The Locust haben uns schon umgehauen. Auf jeden Fall, aber das Einzige, was wir gemeinsam haben ist wahrscheinlich aber schon nur das Geschrei und die Synthie-Sounds. Bei JR Ewing bin ich der Einzige, der die hört. Der Vergleich ehrt aber immer.
MAS:
Eure Songs sind sehr komplex und haben wilde Strukturen. Schreibt einer die Songs recht komplett oder jammt ihr eher rum?
Jonas:
Normalerweise kommt Fredd mit einem Riff, Bass und Schlagzeug haben dann einen Rhythmus, das wird dann verquirlt, ich schreie noch drüber und es kommen noch ein paar Synthie-Sachen dazu. Unsere Songs sind eigentlich immer ein großer Unfall. Vielleicht killen mich die anderen dafür, aber die „Musiker“ in der Band stehen alle sehr auf freakigen Jazz. Das beeinflusst die Strukturen sehr.
MAS:
Schreibst du die Texte?
Jonas:
Ja.
MAS:
Sie sind eher abstrakt bzw. zumindest in viele Richtungen interpretierbar. Zum Beispiel „Kill The Autopilot“ könnte auch politsich verstanden werden. Was ist deine Herangehensweise an Lyrics?
Jonas:
Das ist eine interessante Frage. Schwierig. Ich denke, wir sind alle politisch interessiert und sind da sehr bewusst. Allerdings sind wir nicht in einem politischen Kampf, deshalb können wir uns nicht gerade eine politische Band nennen. Ich versuche eher Sachen zu beobachten und sie so darzustellen wie ich sie wahrnehme. Ich ergreife dann weniger eine Meinung, sondern beschreibe eher den Zustand. Ich bin kritisch und drücke das so aus. In „Kill The Autopilot“ geht’s darum wie der Mensch ein Sklave der Zeit geworden ist, eine Maschine wird, seine Freunde verliert, die Kontrolle verliert und so eigentlich kein echtes Leben mehr stattfindet.
MAS:
Es gibt in allen Genres sehr viele gute schwedische Bands. Wie erklärst du dir das?
Jonas:
Da haben wir schon oft darüber gesprochen. Auch auf Tour werden wir oft nach Refused gefragt und die Leute meinen, dass die schwedische Indi-Szene viel Einfluss hat. Ich denke, dass hängt zum einen mit den Musikschulen zusammen. Du kannst ab der dritten Klasse ein Instrument lernen, wenn du willst. Allerdings hast du es als Indi-Band hier sehr schwer. Es gibt wenige Möglichkeiten zu spielen. Auch auf Tour zu gehen ist sehr schwierig. Vielleicht gibt’s auch einfach nicht so viel zu tun hier. Entweder man macht Musik, säuft oder spielt Eishockey. Ich habe mit dem Leiah-Drummer letztens auch lange darüber geredet und der meinte, dass Schweden historisch ein gutes Melodie-Gefühl haben. In Deutschland spielt man gut Fußball und in Schweden ist man musikalisch, nicht auf genetische Art, eher was die Tradition, Kultur und frühe Berührungen mit Musik angeht. Das ist nicht meine Meinung, aber es ist eine witzige Idee.
Kevin Kirchenbauer
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