····· Wolvespirit verkaufen Bullshit ····· Rock of Ages - Zusatzshows in 2025 ····· Ally Venable veröffentlicht Video zur neuen Single „Do you cry“ ····· Das zweite Album von Wizrd kommt zum Nikolaus ····· 40 Jahre Helloween - Das muss gefeiert werden ·····  >>> Weitere News <<<  ····· 

Artikel

Ein kurzes, aber immerhin ein Vergnügen: Nazareth mit neuem Sänger

Info

Künstler: Nazareth

Zeit: 22.11.2016

Ort: München - Backstadt Halle

Internet:
http://www.nazarethdirect.co.uk

Nazareth habe ich bisher nur mit Ur-Sänger Dan Mc Cafferty live gesehen. Für mich gehören seine Stimme und seine Bühnenpräsenz untrennbar zu dieser kultigen, knorrigen, schottischen Band. Auch als Person war er mir immer sehr sympathisch. Und die Texte spiegeln seine Art von Humor wieder, die er auf der Bühne zum Besten gegeben hat. Zu einem meiner größten Erlebnisse bei musikansich.de gehört für mich das Interview, dass ich zusammen mit Mario Karl mit Dan McCafferty bei den Rother Bluestagen 2010 durchführen konnte. Ein wirklich cooler und sympathischer Typ - auch abseits der Bühne!

Mich hat es trotzdem sehr interessiert, wie sich eine meiner Lieblingsbands nun mit dem neuen Sänger Carl Sentance präsentiert. Sentance hab ich bis jetzt einmal live auf dem Bang-Your-Head-Festival gesehen, bei dem er damals mit Krokus Anfang 2000 eine glänzende Leistung abgeliefert hat. Der Auftritt der Eidgenossen war eines der Highlights des Wochenendes. Etwas überrascht bin ich, dass der Gig in der Backstage-Halle stattfindet. Hier finden maximal 300 Zuschauer Platz, was für Nazareth doch etwas wenig ist. Die Halle ist sehr gut gefüllt, etliche der Zuschauer dürften Nazareth mindestens schon einmal gesehen haben.

Die Vorband LUKE GASSER bekomme ich nur noch zur Hälfte mit. Gasser präsentiert gerade „Sympathy For The Devil“ der Rolling Stones. In seiner Band spielt ein Bassist und ein Gitarrist mit - die klassische Aufstellung eines typischen 60er-Jahre-Power-Trios. Der Sound ist viel zu laut und sehr undifferenziert. Mich nervt das Gescheppere so, dass ich mich in den Gang bei der Toilette zurückziehe. Das macht das Ganze leider nicht besser. Ich kann der Musik gar nix abgewinnen. Vielen im Publikum scheint es ähnlich zu gehen. Ob es am schlechten Sound liegt oder an den seltsam vorgetragenen Stücken - ich weiß es nicht. Gasser bekommt allenfalls Höflichkeitsapplaus, mehr kann er leider auch nicht erwarten.

Um 21.30 Uhr geht das Licht aus und NAZARETH betreten die für ihre Verhältnisse doch sehr klein geratene Bühne. Ich kann mich nicht erinnern, Nazareth jemals in einem so winzigen Schuppen erlebt zu haben. Der Sound ist um Längen besser wie bei der Vorband. Glasklar, sauber und von der Lautstärke voll in Ordnung. Los geht’s mit „Silver Dollar Forger“, mit dem ich als Opener so nicht gerechnet habe. Sentance präsentiert sich agil und singt bockstark. Er versucht erst gar nicht, Mc Cafferty in irgendeiner Art und Weise zu kopieren oder zu imitieren sondern zieht ganz natürlich sein Ding durch. Das Publikum honoriert dieses ehrliche, authentische Auftreten mit entsprechend Applaus.

Sentance schafft es sogar, Gitarrist Jimmy Murrison ein bisschen aus der Reserve zu locken. Murrison post heute wie ein Weltmeister und lässt sich dabei äußerst gerne von Fotografen in den vordersten Reihen ablichten - und das sogar während des kompletten Konzerts! Stimmlich kommen die Songs natürlich anders rüber als mit Cafferty, aber das war nicht anders zu erwarten. Sie klingen anders, aber keinen Deut schlechter. Pete Agnew, das einzig verbliebene Ur-Mitglied am Bass schießt für mich auch heute wieder den Vogel ab. Der mittlerweile 70-jährige spielt seinen Bass mit einer Präzision und Sicherheit, die immer wieder erstaunlich sind. Allein ihn beim Spielen zu beobachten ist für mich als Bassist schon das Eintrittsgeld wert. Dabei singt er sogar noch den kompletten Background-Gesang mit.

Insgesamt hab ich ein bisschen den Eindruck, dass Sentance der Band eine Art Runderneuerung verpasst hat. Ich möchte McCafferty gewiss nicht schlecht reden, aber gesundheitlich wirkte er bei den letzten Touren teilweise doch sehr angeschlagen. Der Tiefpunkt war für mich bei dem heuer stattfindenden Rock Meets Classic-Konzert in Nürnberg erreicht, wo er auf mich einen körperlich sehr schlechten Eindruck gemacht und sich bei den Songs fürchterlich geplagt hat. Mit Sentance können vor allem die „jungen Wilden“ wie Jimmy Murrison und der ruppige Schlagzeuger Lee Agnew ein bisschen mehr die Sau rauslassen. Und das tun sie auch!

Deutlich wird das vor allem bei den schnelleren Songs wie dem unsterblichen „This Flight Tonight“, der Abrissbirne „Razamanaz“ oder dem coolen „Turn On Your Receiver“. Hier geht mächtig die Post ab. Die Jungs machen auf der Bühne einen sehr gelösten Eindruck und haben Spaß. Sentance agiert viel mit dem Publikum und präsentiert sich als echte Rampensau. Lediglich Lee Agnew wirkt ein wenig angenervt. Der Grund dafür könnte sein, dass das Konzert bei der letzten Tour in München noch in dem weitaus größeren Backstage-Werk stattgefunden hat. Sentance macht darüber ein paar ironische Bemerkungen, über die außer ihm leider keiner lacht.

Die Balladen „Love Hurts“ und „Dream On“, ohne die erfahrungsgemäß kein Naz-Gig ablaufen kann, funktionieren auch mit Sentance. Erfreulich ist, dass sie auch an dem heutigen Abend wieder seltene Stücke wie das lässige „This Month’s Messiah“ spielen. Für „Changin’ Times“ allein hat sich bei mir schon das Eintrittsgeld rentiert. Das Stück klingt live völlig anders als auf der legendären Hair Of The Dog-Platte. Das psychedelisch-bekiffte Morning Dew vom Debütalbum beschließt den offiziellen Teil. Zum Alltime-Klassiker „Broken Down Angel“ kommt die Truppe noch einmal zurück auf die Bühne. Nach dem Stück und nach lediglich 75 Minuten ist dann leider schon Schluss, die Musiker verabschieden sich vom feierlaunigen Publikum.

Pfiffe oder Buhrufe gibt es trotz der unverschämt kurzen Spielzeit nicht. Mich nervt diese Tatsache jedoch sehr. Mit McCafferty hat die Band immer mindestens 90 Minuten gespielt. Jetzt haben sie einen jüngeren Sänger und spielen eine Viertelstunde weniger. Logisch ist das für mich keineswegs.

Fazit: Nazareth kann man sich in der Besetzung ohne Probleme weiterhin anschauen. Allerdings fehlt mir McCafferty sehr. Das Schlitzohr ist für mich nicht zu ersetzen, auch wenn Sentance einen tollen Job macht und sich ganz in den Dienst der Band stellt. Trotzdem wünsche ich den Jungs natürlich alles Gute. Für mich war’s jedoch die letzte Vorstellung!


Setlist:
1. Silver Dollar Forger
2. Miss Misery
3. Razamanaz
4. This Flight Tonight
5. This Month’s Messiah
6. Dream On
7. Holiday
8. Turn On Your Receiver
9. Beggars Day
10. Changin' Times
11. Hair of the Dog
12. Expect No Mercy
13. Love Hurts
14. Morning Dew
15. Broken Down Angel

Stefan Graßl


Zurück zur Artikelübersicht