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Info
Zeit: 02.07.2016
Ort: Großweil - Kreutalm
Internet:
https://www.facebook.com/BSCConcerts
http://www.bscmusic.com
Es tut sich was in Bayern. Wenn schon nicht politisch, dann auf jeden Fall musikalisch. Immer wieder zeigt u.a. das Plattenlabel BSC Music, dass es in diesem von vielen belächelten Bundesland eine äußerst vitale Szene gibt, die keine Berührungsangst davor hat, Mundarttexte mit zeitgenössischer Musik zu verknüpfen. Zusätzlich wird hemmungslos und selbstsicher durch die Genres gesprungen, heimatliche Klänge ungeniert mit Rock, Reggae und Blues gepaart. Das ist Heimatsound im besten und spannendsten Sinne. Unter dem Label „Bavaria Vista Club“ gab vor zwei Jahren ein gleichnamiger Dokumentarfilm einen Einblick in diese Szene. Grundlage dafür war ein kleines Open-Air-Festival auf der oberbayerischen Kreutalm, gelegen zwischen Murnau und dem Kochelsee. Am ersten Juliwochenende fand eine Fortsetzung dazu statt, die nicht nur die Marke „Bavaria Vista Club“ weiter etablieren, sondern die der Startpunkt für weitere Veranstaltungen dieser Art in der Zukunft sein soll. Wir waren dabei.
Die Kreutalm ist ein beschaulicher Ort. Zwar nicht allzu hoch gelegen, hat man doch einen schönen Blick über das Tal und den Kochelsee. Eigentlich genau der richtige Ort für ein gemütliches Open Air dieser Art. Doch Petrus hatte es nicht gut mit Veranstalter Christoph Bühring-Uhle und seinem Team gemeint. Es regnete den ganzen Tag wie aus Eimern und an eine Freiluftveranstaltung war nicht zu denken. Also disponierte man kurzerhand um und verlegte das Ganze in die schön dekorierte Tenne und machte den Bavaria Vista Club zu einem Hallenfestival. Wobei, Halle, na ja, Gaststätte eher - dementsprechende Bewirtung mit deftigen Mahlzeiten inklusive. Das Ambiente somit: urig bis gediegen bayrisch.
Um die anreisenden Gäste ein wenig auf das Bevorstehende einzustimmen und die regnerische Stimmung aufzuhellen, wurde das Duo A DANEEM engagiert. Diese spielten quasi „unplugged“ die Gäste im Eingangsbereich in die Tenne. Eine gute Wahl war das, mit ihren heiter-ironischen Songs, die stets nicht ohne Tiefgang auskommen. Zwar muss man den lakonischen Gesang von Dietmar Forisch mögen. Aber das störte keinen. Vor allem nicht, da die beiden Herren mit einem sozialen Ziel unterwegs waren: sie sammelten nebenbei Spenden für die Hochwasseropfer in Simbach am Inn. Die Spenden landeten in einer alten Sauerkrautbüchse, so dass das Ganze ein zeitgemäßes „Kraut-Funding“ war. Soviel zum Humor von A Daneem.
War man erst einmal in der Tenne angekommen und hatte sich auf an aufgestellten Biertischen platziert, konnte man sich auf einige Stunden beste Unterhaltung freuen. Als eine Art Moderator war MAX HADERSBECK, Gründungsmitglied des schon fast legendären Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinns, engagiert. In Tracht gewandet und mit Akkordeon und scharfer Zunge bewaffnet kündigte er die jeweiligen Bands und Künstler an und unterhielt mit fein gereimten G’stanzln. Soviel Tradition durfte und musste einfach sein.
Der richtige Festivalstart war sogar noch traditioneller. Mitten im Publikum stehend gab HORST BIEWALD mit der Gitarre zuerst seinen geschmeidigen „Bayrisch Groove“ zum Besten. Doch zum Singen war er eigentlich nicht da. Stattdessen lud er das Publikum zum gemeinsamen Jodelkurs ein. Das kam für viele (den Berichterstatter inklusive) etwas unerwartet, so dass die Beteiligung anfangs auch etwas gering war. Doch mit viel Charme und Witz wickelte Biewald seine potentiellen Schüler Schritt für Schritt mehr um den Finger. Etwas skurril, aber irgendwie auch lustig. Man kann den Herren übrigens auch für Betriebsfeiern oder ähnliche Veranstaltungen buchen. Stelle ich mich sehr interessant vor…
Endgültig los ging es dann aber mit dem SCHORSCH HAMPEL TRIO. Der Kenner wusste: Blues ist angesagt. Mit Schorsch Hampel himself stand nicht nur ein Urgestein mit auf der Bühne. Nein, er hatte auch seinen Schlagzeug spielenden Bruder Dr. Will sowie Uli Kümpfel am Kontrabass mitgebracht. Es war also angerichtet für pure gediegene „Blues-Satisfaction“. Entspannt und kernig war das Ganze. Durchaus rau, aber mit einer ansteckenden Leichtigkeit gespielt. Die drei Herren verstehen sich offensichtlich sogar noch im Schlaf. Schorsch Hampel selbst stand wie ein Fels in der Brandung, nahm einen aber mit viel Charisma und seinen Songs mit, bei denen er des Öfteren dem Leibhaftigen an der einen oder anderen Straßenkreuzung begegnet. Stimmungshöhepunkt war eine eingebayerischte Version von Canned Heats „Let’s work together“, die erstmals zum beherzten Mitsingen einlud. Schließlich hieß die Nummer plötzlich „Alle mitnander“. Tolle Vorstellung!
Danach wurde es noch eine Schippe kraftvoller. Die grandiosen Folkrocker IRXN spielten zum Tanz auf. Keltische treffen hier auf mittelalterlich beeinflusste Folk- und zeitgemäße Rocksounds. Dazu mitreißende Geschichten, die manchmal etwas archaisch wirken, aber am Ende doch nur Metaphern für die heutige Zeit darstellen. Mit Geige und E-Gitarre geht es schwungvoll nach vorne und von Liedern wie „Schatten hinter Dir“ und „Irgendwo und irgendwann“ ließ sich das Publikum ziemlich schnell anstecken und schwang das Tanzbein. Was dabei besonders auffiel: live klingt die Musik von IRXN noch ein Stück kraftvoller und ansteckender als auf CD. Hieran hat sicherlich auch Neu-Drummer Axel seinen Anteil, der die Band enorm nach vorne drückte. Das spielerische Niveau war auch hier hoch. Spielfreude sprühte regelrecht von der Bühne. Bei der Bandhymne „IRXN“ konnte man sich nicht mehr auf den Bänken halten und auch hier war eine Coverversion ziemlich das Highlight im Programm: die bayerische Version von Steve Millers „Joker“. Tolle Band, super Auftritt. Hoffentlich bald wieder!
Musikalisch wurde es danach etwas entspannter, aber nicht weniger spaßig. ZWOASTOA, die sich ironisch als „G'stanzl Sound Orchestra“ bezeichnen, boten eine relaxte Mischung aus Reggae, Pop und teilweise auch elektronischer Musik. Wichtig sind dabei vor allem die äußerst positive Ausstrahlung und ihre optimistische Lebenseinstellung. Ihre Songs rufen dazu auf, ebenfalls eine solche zu leben und alles etwas offener zu sehen. Das verfehlte an diesem Tag nicht seine Wirkung. Zwoastoa ist eine ausgesprochene Liveband, die mit ihrem rastabezopften Animator und Sänger Wiggal einen richtigen Sympathiebolzen am vorderen Bühnenrand stehen hat. Selbst wenn einem diese Art von Musik sonst nicht besonders gefällt, kann man gar nicht anders als bei Nummern wie bei „Scheiß da nix“, „Du mit A“ oder „Danndengima“ erfreut mitzuwippen. Damit es auch musikalisch etwas abwechslungsreicher ist, wurde mit „Da Revoluzzer“ ordentlich gerockt oder man ließ das Publikum mit „Lizenz zum fliang“ und trancigen Sounds abheben. Auch hier kann man am Ende nur sagen: Respekt, das hat echt Spaß gemacht!
Mittlerweile war es langsam Abend geworden und die Stimmung ging ihrem Siedepunkt entgegen. Da hatte der Veranstalter eine schlechte Nachricht. Als Abschluss sollte eigentlich der niederbayerische Liedermacher WEIHERER auftreten. Doch dieser konnte aufgrund von Terminproblemen (er bekam überraschend auf einer Veranstaltung des Bayerischen Rundfunks als schon fast altgedienter Musiker einen Newcomerpreis überreicht…) nicht auftreten. Das war schade.
Doch man dachte vorerst nicht allzu sehr darüber nach. Denn das große Highlight folgte nun auf dem Fuße: OANSNO. Viel Zeit blieb ihnen leider nicht, da man pünktlich um 21.00 Uhr das Fußball-EM-Spiel Deutschland vs. Italien übertragen wollte. Doch die vier jungen Münchener nutzen die Zeit mehr als gut. Ihr Instrumentarium (Trompete, Tuba, Akkordeon, Schlagwerk) war zwar recht traditionell, ihre Musik dafür rotzfrech. Man kam fast wie eine räudige Straßenmusik-Version der Mundart-Superstars LaBrassBanda rüber. Das auf einem Bierwagerl montierte Schlagzeug wies auch auf ihre Herkunft hin. Es wurde dem Gerstensaft und der Heimatstadt gehuldigt - aber ironischerweise auch der Klimaerwärmung. Musikalisch besonders spannend war ihr „Musikanten Techno“. Lied für Lied wurde die Stimmung noch ausgelassener und das Publikum wollte die vier Jungs gar nicht mehr gehen lassen. Sogar die Fußballfans hätten über das eine oder andere Lied mehr sicher nichts gehabt. Sehr schade, dass das Ganze so schnell abgewürgt werden musste…
… denn das runde Leder wollte in Frankreich getreten werden. Und mittlerweile muss man als Veranstalter jedweder Feier darauf liebevoll Rücksicht nehmen, will man keine leere Location in Kauf nehmen. Zur Ehrenrettung sei gesagt: Als das Festival vor längerer Zeit geplant wurde, war dieser Samstag noch als spielfrei eingetragen. Die UEFA verschob nachträglich allerdings die Termine nach vorne, so dass man hier durchaus in Konflikt kam. Sehr schade. Eigentlich war beabsichtigt, dass zur gleichen Zeit die nicht fußballwilden Musiker eine spontane Session draußen einlegen. Doch daraus wurde aufgrund des schlechten Wetter nichts, so dass man als Musikfan drei Stunden Leerlauf hinnehmen musste. Oder eben nach Hause gehen. Was der Großteil auch tat, nachdem das musikalische Programm aufgrund des Ausfalls von Weiherer so gut wie zu Ende war.
Doch ein paar ganz Unerschrockene harrten bis zum Ende aus und wurden nach 24.00 Uhr noch mit einer ausgelassenen Jam-Session verwöhnt. Musiker von IRXN, Zwoastoa und Oansno gaben gemeinsam mehr oder weniger spontan eine Ladung Musik zum Besten. Das war mit Verlaub etwas holprig, aber unterhaltsam. Zwar war die Luft nach dem Kickmarathon raus, doch das Bavaria Vista Club Festival fand damit ein positives Ende. Es lief längst nicht alles so, wie es sich der Veranstalter vorstellte. Aber das war dem Großteil des Publikums herzlich egal. Das Ganze macht große Lust auf weitere Veranstaltungen dieser Reihe, die es auch definitiv geben wird.
Folgendes unter dem „Bavaria Vista Club“-Banner steht bereits fest:
- 31.07., Festival D’Amato in Wolfratshausen mit A Daneem, Regina Lindinger, William Wetsox Trio, Zweckinger und d'Housemusi
- 01.10., Bavaria Vista Club Festival in Wolnzach mit Sauglocknläutn, d’Housemusi, IRXN und Oansno
- 19.11., Bavaria Vista Club in München (im Theaterzelt Das Schloss) mit IRXN, Oansno und Zwoasto sowie Jodelkurs mit Horst Biewald und Filmvorführung
Mario Karl
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