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Info
Zeit: 18.06.2016
Ort: Bietigheim-Bissingen - Viadukt
Internet:
http://www.monsters-of-rock-germany.de
Das legendäre „Monsters Of Rock Festival“ wird dieses Jahr erstmals seit 1992 wieder reanimiert und wartet mit einer großen Überraschung auf. Es war eines der bedeutendsten Hardrock-Festivals Europas und wurde allein in Deutschland von 1983 bis 1992 ohne Pause aufgeführt. Allein schon wenn man sich die Billings der einzelnen Jahre anschaut, bekomme ich vor Wehmut fast ein bisschen feuchte Augen…
Als Headliner wird in diesem Jahr Ritchie Blackmore’s Rainbow präsentiert. Diese Nachricht schlug bei Deep-Purple- und Rainbow-Fans ein wie eine Bombe. Etliche Namen wurden gehandelt - Joe Lynn Turner am Gesang, Bobby Rondinelli am Schlagzeug oder Bob Daisley am Bass. Aber Blackmore wäre nicht Blackmore, wenn er genau das nicht macht. Er hat eine Band mit musikalisch eher unbekannten Leuten dabei, einige Musiker sind dabei schon von Blackmore’s Night bekannt. In etlichen Foren wurde dieser Punkt bemängelt. Joe Lynn Turner hat sogar in einem Interview ziemlich über diese Tatsache abgelästert und nur gemeint, dass dann für Ritchie Blackmore am Schluss mehr Geld übrig bleibt - mit bezahlten Mietmusikern. Wie auch immer: Ich bin sehr auf den Auftritt gespannt! Mein erstes Konzert war bei Deep Purple 1994 auf der The Battle Rages On-Tour in Augsburg. Am meisten hab ich mich damals auf Ritchie Blackmore gefreutder ein paar Monate vorher ausgestiegen ist. Seitdem war es mir nicht vergönnt, ihn in einer Rockshow zu sehen.
Das Festivalgelände wirkt sehr malerisch und liegt direkt an dem bekannten Viadukt. Ganz schlimm: Der Radiosender SWR 1, der das Konzert präsentiert, hat aus welchen Gründen auch immer den „Komiker“ Hans Werner Olm verpflichtet, der vor Thin Lizzy und in einer Pause seine „Witze“ und Songs zum besten gibt. Dabei ist er einfach nur schlecht und kommt überhaupt nicht beim Publikum an. Es ist allein die Höflichkeit, die einen nicht pfeifen oder buhen lässt. Er bekommt schlicht und ergreifend keinerlei Reaktion.
Den Abend eröffnen die legendären THIN LIZZY mit einer Best-Of-Show. Aus den Zeiten mit Phil Lynott sind noch Gitarrist Scott Gorham und Keyboarder Darren Wharton mit dabei. Speziell heute wird die Blechliesel von Aerosmith-Bassist Tom Hamilton und Judas-Priest-Schlagzeuger Scott Travis begleitet. Thin Lizzy beginnen natürlich mit „Jailbreak“. Der Sound ist sehr laut und ziemlich schlagzeuglastig, geht aber durchaus in Ordnung. Sänger Ricky Warwick ist super bei Stimme und immer drauf und dran, das Publikum zu animieren, was ihm auch bestens gelingt. „Killer On The Loose“ freut mich ganz besonders, da dieser Song nicht oft gespielt wird und neben dem brachialen „Massacre“ einer meiner Lieblingsstücke ist. Aber das Highlight an sich ist für mich das herausragende „Angel Of Death“. Hier hört man auch mal Darren Wharton, er gibt dem Stück durch seine bedrohlichen Keyboardparts eine beängstigende Atmosphäre.
Lizzy können von den Songs her natürlich aus dem Vollen schöpfen und bringen erwartungsgemäß ihre Klassiker. Das irisch eingefärbte „Emerald“ und das lässige „Rosalie“ sorgen für viel Bewegung im Publikum. Die wohl einmalige Rhythmustruppe macht ihre Sache hervorragend. Tom Hamilton spielt für mich zwar sehr ungewohnt mit Plektrum und absolut unspektakulär, macht seinen Job jedoch sehr gut. Und Scott Travis merkt man an, dass er wieder richtig Spaß hat. Bei Judas Priest macht er ab und an - vor allem wenn die Songs wegen Halford etwas langsamer gespielt werden müssen - schon einen etwas gelangweilten Eindruck. Allein die Gitarrensolos sind bei dieser Truppe schon aller Ehren wert. Wenn Veteran Scott Gorham und der coole Damon Johnson zu den berühmt-berüchtigten Twin-Guitar-Solos ansetzen ist für Liebhaber der Rockgitarre beste Gourmet-Kost geboten. Ricky Warwick singt die Lieder sehr beeindruckend und lässt dabei immer wieder deren Urheber - Mr. Phil Lynott - hochleben.
„Black Rose“ setzt zu einem musikalischen Ausflug auf die grüne Insel an und zeigt, wie wichtig Lynott seine Herkunft und seine musikalischen Einflüsse eigentlich waren. Den Schlusspunkt bildet das von dieser Bandkonstellation überragend vorgetragene „Whiskey In The Jar“, bei dem das komplette Festivalpublikum zum Feiern und Mitsingen ansetzt. Thin Lizzy haben ihren „Anheizerjob“ mehr als gut gemacht, die Band hat Feuer unterm Hintern. Für mich unbegreiflich, dass man die Truppe nicht direkt vor Ritchie Blackmore’s Rainbow auf die Bretter lässt.
Setlist Thin Lizzy:
1. Jailbreak
2. Are You Ready
3. Killer on the Loose
4. Dancing in the Moonlight (It's Caught Me in Its Spotlight)
5. Massacre
6. Angel of Death
7. Waiting for an Alibi
8. Emerald
9. Rosalie (Bob Seger cover)
10. Bad Reputation
11. Don't Believe a Word
12. Cowboy Song
13. The Boys Are Back in Town
14. Róisín Dubh (Black Rose): A Rock Legend
15. Whiskey in the Jar
Diese Aufgabe dürfen stattdessen MANFRED MANN'S EARTH BAND übernehmen. Die Band kommt auf die Bretter und beginnt mit “Captain Bobby Stout”. Hier ist nicht der Rock'n'Roll-Faktor das zentrale wie bei Thin Lizzy, sondern eher feingeistiges, sekundengenaues Zusammenspiel. Außerdem wird der Jam-Faktor großgeschrieben, bei jedem Song wird im Mittelteil ausgiebig musiziert. Das Ganze wird zumindest mir bereits nach 15 Minuten viel zu langweilig und ich schlendere ein bisschen über das Festivalgelände. An diesem Abend ist internationales Publikum vorhanden. Ich unterhalte mich mit Leuten aus England, Spanien und Italien, die nur wegen Ritchie Blackmore hier sind. Es gibt in ganz Europa drei Auftritte, neben dem heutigen noch einer auf der Loreley am Vortag und in Birmingham.
„Father Of Day, Father Of Night“ gefällt mir noch mit am besten, wobei mir nicht ersichtlich ist, warum Gitarrist Mick Rogers nicht lieber den hervorragenden Sänger Robert Hart ans Mikrophon lässt. „Blinded By The Light“ könnte das Tempo ein bisschen anziehen, wird jedoch sehr langsam gespielt und auch hier wieder ewig in die Länge gezogen. Langweilig! Selbst „For You“ erzielt nicht den gewünschten Effekt, da man auch hier wieder nicht auf überflüssige Jams verzichten kann. Irgendwann im Song frage ich meinen Bruder, was die da gerade spielen und er meint nur das wäre immer noch „For You“. Ich hatte es zu dem damaligen Zeitpunkt schon vergessen. Mit „Mighty Quinn“ und einem feierlaunigen Publikum, das hier ausgiebig mitsingt, endet der für mich langatmige und arg statische Auftritt. Ich kann und werde mir die Band definitiv nicht mehr anschauen!
Setlist Manfred Mann’ s Earth Band:
1. Captain Bobby Stout
2. Martha's Madman
3. Father of Day, Father of Night
4. For You
5. Blinded by the Light
6. Hit the Road Jack
7. Davy's on the Road Again
8. Quinn the Eskimo (The Mighty Quinn)
Nun steigt die Erwartung bei mir und bei den meisten Festivalbesuchern spürbar. Rundherum wird diskutiert, mit welchem Song es wohl losgeht oder was generell alles gespielt wird. In der Mitte der Bühne steht eine alte Schweineorgel mit Holzverkleidung, die schon mal Lust auf mehr macht. Es ertönt das von den RAINBOW-Livescheiben bekannte Intro „Over The Rainbow“ vom Film „Der Zauberer von Oz“. Nach und nach laufen die Musiker auf die Bühne. Bereits hier geht im Publikum die Post ab. Als dann als letzter der „Man In Black“, Mr. Ritchie Blackmore, am rechten Bühnenrand auftaucht und lässig ins Publikum winkt, kennt die Begeisterung keine Grenzen mehr. Den ersten Song erkenne ich eigentlich erst sehr spät. Blackmore beginnt für mich völlig unerwartet mit dem Purple-Klassiker „Highway Star“. Das Stück wird im Vergleich zur Live-Version langsamer gespielt, was aber insgesamt in Ordnung geht. Ausnahmekeyboarder Jens Johansson, der normalerweise bei Stratovarius seine Brötchen verdient, lässt es beim Solo richtig krachen und wandelt sicher auf Jon Lords Spuren. Blackmore lässt sich dann nicht lumpen und schiebt sein astreines Gitarrensolo hinterher. Es klingt wie früher, es macht Laune . so soll es sein!
Sänger Ronnie Romero kannte ich bis zur Verkündung des Line-Ups überhaupt nicht. Er sieht optisch ein bisschen zu geschleckt aus, singt jedoch total überzeugend. Seine Stimme hat sehr viel Volumen und klingt dabei sehr rau und druckvoll. Dabei deckt er deckt sämtliche Sänger ab, die bei Rainbow bisher dabei waren. Ich finde, dass er Ronnie James Dio mit seiner Gesangsperformance am nächsten kommt. Mit „Spotlight Kid“ kommt für mich der eigentliche Opener.Die Band, die Blackmore für diese Konzerte zusammengetrommelt hat, sind keine Unbekannten. Der sympathische Bassist Bob Nouveau war lange Jahre bei Blackmore’s Night mit dabei und Schlagzeuger David Keith gehört zur aktuellen Besetzung der Mittelalter-Truppe. Und natürlich kann Blackmore nicht ohne seine Holde Candice Night auf die Bühne, die beim Background gut zu hören ist und den Job klasse erledigt.
Man merkt Blackmore seine mittlerweile 71 Lebensjahre an. Er spielt hervorragend, aber etwas langsamer, als man es von ihm gewohnt ist. Bewegungstechnisch bleibt er meist recht statisch am rechten Bühnenrand stehen. Innerhalb der Band ist er wie früher der Chef im Ring, er gibt ganz klar die Kommandos. Die bedrohliche Aura hat er mittlerweile nicht mehr, es scheint ein bisschen Altersmilde eingekehrt zu sein. Der kultige Regenbogen, der im Bühnenhintergrund postiert ist hat nicht mehr die beeindruckenden Dimensionen wie in den 70er Jahren, passt aber ganz gut ins Bild. Der britische Humor darf natürlich auch nicht fehlen. Bei der Bandvorstellung stellt er Ronnie Romero mit den Worten „Der großartige, der einzigartige… - wie war doch gleich noch mal dein Name?“ vor. Die Lacher hat er damit auf seiner Seite, Romero zieht ein ziemlich langes Gesicht.
Die Songauswahl ist in meinen Augen äußerst gelungen. „Mistreated“ hatte ich nicht auf der Rechnung, „Sixteenth Century Greensleeves“ überzeugt auf ganzer Linie und kommt bestens an. „Man On The Silver Mountain“ wird Ronnie James Dio gewidmet. Spätestens hier merkt man, dass sich Romero das eine oder andere Dio-Video zur Vorbereitung auf diese Tour zu Gemüte geführt hat. Er zeigt verdächtig oft die Pommesgabel, was bei ihm jedoch etwas einstudiert wirkt. „Difficult to Cure“ wird im Mittelteil mit Keyboard- und Schlagzeugsolo etwas ausgedehnt, was mir ein bisschen zu lange dauert. Johansson kann hier klar zeigen was er kann, aber richtig zwingend ist das für mich nicht.
„Catch The Rainbow“ kommt wunderbar aus den Boxen, hier macht er viele Rainbow-Fans glücklich. „Perfect Strangers“ lässt die Menge kollektiv ausrasten, der Purple-Klassiker funktioniert einfach immer. Das anschließende „Stargazer“ ist für mich ganz klar die Überraschung und das Highlight des Abends. Hier wird ein wahres Riff-Feuerwerk abgebrannt. Die komplette Band gibt hier Vollgas und Mr. Blackmore holt hier alles aus seiner abgewetzten, legendären weißen Fender Stratocaster heraus. Wer denkt, dass es besser nicht mehr geht, den überzeugt das anschließende und sicher nicht für möglich gehaltene „Child In Time“ eines besseren. Ronnie Romero macht diesen Song zu seinem und kommt bei den hohen Passagen äußerst treffsicher durch. Diesen Song einmal live zu hören, ist schon etwas ganz besonderes.
Das wenig überraschende „Black Night“ beendet den offiziellen Teil. Das enthusiastische Publikum lässt sich so natürlich nicht abspeisen und verlangt nach einer Zugabe. Die wird mit „Smoke On The Water“ - Blackmores wohl berühmtesten Riff - auch prompt geliefert. Erwartungsgemäß singt hier das komplette Publikum mit, bei diesem Evergreen hält sich keiner mehr zurück. Zurückhaltung wäre auch bei dem Feuerwerk gut gewesen, das viel zu früh gestartet wird. Dabei hat sich der Pyrotechniker vermutlich ein bisschen verrechnet, da einige der Raketen zielsicher in das Viadukt einschlagen und schöne schwarze Brandstellen verursachen. Danach ist allerdings Schluss. Nach zwei Stunden Spielzeit geht das auch durchaus in Ordnung. Blackmore und seine neue Truppe werden unter großem Jubel des Festivalpublikums verabschiedet und gehen verdientermaßen in den Feierabend. Blackmore legt sich dabei auf den Bauch und versucht vom Bühnenrand aus, einige Fans abzuklatschen. Dies geht jedoch leider nicht, da der Graben zu groß ist. Spinal Tap lässt grüßen.
Meine Begleiter und ich sind sich einig, ein gigantisches und einmaliges Konzert, das man so nicht für möglich gehalten hätte, gesehen zu haben. Ich hätte nicht gedacht, dass Blackmore nach so langer E-Gitarren-Abstinenz immer noch in der Lage ist, ein derartiges Spektakel abzufackeln. Der Typ hatte Spaß dabei und man hatte zu keiner Sekunde den Eindruck, dass er es nur des Geldes wegen macht.
Ritchie Blackmore's Rainbow:
1. Highway Star
2. Spotlight Kid
3. Mistreated
4. Sixteenth Century Greensleeves
5. Since You Been Gone
6. Man on the Silver Mountain
7. Difficult to Cure (With Drum and Keyboards solos)
8. Catch the Rainbow
9. Perfect Strangers
10. Stargazer
11. Long Live Rock 'n' Roll
12. Child in Time
13. Black Night
14. Smoke on the Water
Das Festival an sich war toll organisiert und auch der Standort war bestens gewählt. Allerdings hätte man sich bei dem Festival-Merchandising etwas mehr Mühe geben können. Ein hässlicheres T-Shirt habe ich selten gesehen! Was auch zu überdenken wäre: Die Karten direkt vor der Bühne waren rund 10 Euro teurer, als die normalen Tickets. Das Ergebnis war, dass der Platz vielleicht nur halb voll war und dahinter oft ein ziemliches Gedränge. Hier könnten sich die Veranstalter durchaus Tipps bei anderen Festivals holen, denn diese Lösung passt überhaupt nicht. Wäre schön, wenn es im nächsten Jahr wieder dort stattfindet. Dann aber bitte ohne den furchtbaren Hans-Werner Olm!
Stefan Graßl
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