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Zeit: 24.05.2016
Ort: Centralstation Darmstadt
Fotograf: Hans-Jürgen Lenhart
Internet:
http://www.nicolaconte.it
Nicola Conte einzuordnen, ist nicht immer einfach. Der Italiener ist sowohl Jazz-Gitarrist, wie Produzent, Remixer und DJ mit alten brasilianischen Platten. Hauptsache kultiviert. Sein letztes Album widmete er dem brasilianisch eingefärbten Fusionjazz. In Darmstadt präsentierte er dagegen seine Combo mit Reminiszenzen an den Jazz der 1970er Jahre, als sowohl afrikanische Musik wie Soul und Funk in den Jazz Einzug hielten. 40 Jahre später klingt dieser Ansatz zwar anders, ohne ihn jedoch mit Electronica oder Rap aufmotzen zu müssen.
Einiges an der Musik Contes erinnert an die Alben aus Pharoah Sanders Zeit bei Impulse, als sich die Musiker mit afrikanischen Gewändern ablichten ließen und mit viel Perkussion beseelte Grooves und spirituelle Melodien kreierten. Insbesondere die Anfänge der Stücke mit magischen Bass-/Trommel-Riffs zum Draufsurfen wiesen auf diesen Einfluss hin. Doch treten die Musiker heute eher im schicken Sakko auf, wirken weniger wild und existenzialistisch. Ihr Spiel wirkt flüssiger, das Tempo schneller, die Atmosphäre relaxter.
Sängerin Alice Ricciardi pflegt einen zurückhaltenden, balladesken Stil, frei von Scatten oder großen Improvisationen. Mit dem fast schüchtern, aber konzentriert wirkenden Nicola Conte ist sie der ruhende Pol der Band. Das Expressive überließen sie lieber den Mitstreitern Magnus Lindgren aus Schweden am Saxophon, Pietro Lussu am Piano und vor allem dem durchaus fetzigen Gast-Posaunisten Gianluca Petrella. Die beiden in Finnland lebenden Teppo Mäkynen am Schlagzeug und Perkussionist Abdissa Assefah sind zusammen mit Bassist Luca Alemanno im wahrsten Sinne das tragende Gerüst der Musik. Insbesondere Mäkynen und Assefah kommunizierten stark miteinander, wirkten gut eingespielt und legten mehr Wert auf einen starken Groove, den sie ständig variierten, als auf Kraftakte. Speziell ihr Duett mit Snaredrum und a gogo-Glockenkranz kam genauso dynamisch rüber wie die üblichen Exzesse so genannter Drumsoli.
Im zweiten Teil wechselte Alemanno zum E-Bass und Conte setzte sein Wah Wah-Pedal für die E-Gitarre ein. Es wurde tanzbarer. Speziell die funkige Version vom Klassiker „Motherless Child“ hätten Funker wie Fred Wesley & Co auch nicht besser hinbekommen. Hier konnte man auch gut mit verfolgen, wie sich die Stücke von fast laid back bis zu intensiven Soli entwickelten. Contes Combo bot einen guten Einblick in die viel zu unterschätzte Szene des italienischen Jazz.
Hans-Jürgen Lenhart
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