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Info
Zeit: 17.04.2016
Ort: Herford - X
Besucher: ca. 400
Veranstalter: Fish
Fotograf: Wolfgang Kabsch
Internet:
http://www.fish-thecompany.com
Mein allererstes Rockkonzert war die Gruppe Karat auf ihrer "Der Blaue Planet"-Tournee. Ich denke 1983. Mein erstes Konzert einer internationalen Rockband war im Winter 1985 Marillion auf ihrer "Misplaced Childhood Tour". Das Konzert fand damals in der Stadthalle zu Osnabrück statt und es schneite auf Hin- wie Rückweg fürchterlich. Ich saß damals mit meinem Kumpel auf dem Balkon. Zum Glück in der ersten Reihe und wir hatten eine wirklich gute Sicht auf Fish und seine Mitstreiter.
Damals spielte die Band drei oder vier Stücke ihrer ersten beiden erfolgreichen Alben, bevor Fish das letzte Stück ankündigte. Es war gerade mal eine knappe halbe Stunde um, also buhte das Publikum natürlich. Als er es dann jedoch Misplaced Childhood ankündigte, brandete der Jubel natürlich auf, bedeutete dies doch, dass sie ihr Meisterwerk in Gänze aufführen sollten. Was sie später als Zugaben spielten, weiß ich nicht mehr. Trotzdem ist mir das Konzert in einigen Punkten noch heute im Gedächtnis. Danach spielte die Band bekanntermaßen nur noch ein gemeinsames Album ein, die Wege sollten sich dann trennen. Und es sah zunächst so aus, als wenn Fish eine erfolgreiche Solokarriere machen sollte. Diese verlor sich bald darauf leider und endete in einer Indiependent-Karriere mit kleiner, aber feiner Fanbase und durchschnittlichen, aber auch einigen sehr guten Alben.
Seit einigen Jahren tourt Fish nun wieder mit dem Material seiner alten Band. War es zunächst die Clutching at Straws LP, ist es in den letzten ca. drei Jahren eben Misplaced Childhood. Warum er nicht mehr Vertrauen in sein durchaus starkes letztes Album A Feast of Consequences hat, weiß ich nicht (vielleicht, weil nur so die Clubs voll bekommt? - Anm.d.Red.).
Jedoch bot sich mir am 17. April dieses Jahres die Möglichkeit, eine Reise in die Vergangenheit anzutreten. Allerdings hinkte diese natürlich. Denn das X in Herford ist ein mittlerer Club, der so um die 600 Besucher fassen mag. Kein Vergleich also zu einer Stadthalle. Das Konzert war gut besucht, aber bei Weitem nicht ausverkauft. Und natürlich reproduzierte Fish mit seiner Band nur das Album, nicht aber die anderen Stücke der damaligen Tour. So eröffnete er das Konzert mit "Pipeline", einem Stück von einem seiner in meinen Augen besten Alben Sunset in Empires, gefolgt von dem Titelstück seine neuen Albums. Daraufhin erzählte ein gut gelaunter Fish ein paar Impressionen über Fußball und die laufende Tour und anderes, bis seine Laudatio in einer Aussage zu den Attentaten in Paris und der Angst einiger Menschen seitdem, zu Konzerten zu gehen, gipfelte. Sie endete sinngemäß mit den Worten, dass wir uns von niemanden durch Angst unser Leben beeinflussen lassen dürfen. Im Übrigen wie immer in fast perfektem Deutsch.
Daraufhin kam "Long Cold Day" und eine erstklassige Version von "Family Business" von seinem ersten Album Vigil in the wilderness of mirrors. Es folgte das zweite Stück vom Sunset-Album, "The Perception of Johnny Punter".
Dass er dann das Highlight des Abends natürlich mit einer Geschichte über sich und seiner Jugend sowie Berlin (wo das Album ja aufgenommen wurde), anmoderierte, war natürlich klar. Und so begann dann ein ca. 55 Minuten langes Eintauchen in meine Zeit von 1985. Den Start verpazte die Band ein wenig. Das mystische "Pseudo Silk Komono" wirkte in der gespielten Fassung etwas zu steril und bei "Kayleigh" verhaute sich der Gitarrist, weil er aus Versehen den Refrain noch einmal wiederholte, die Band jedoch schon in der nächsten Strophe war. Das belohnte Uncle Fish dem Gitarristen beim nächsten Stück mit einem sehr tiefen Blick in die Augen.
Von da ab wurde das Album dann recht originalgetreu ohne viele Experimente wiedergegeben. Einige der düsteren Passagen in "Bitter Suite" oder vor allem "Blind Curve" wurden etwas keybboardlastiger und dunkler wiedergegeben und das Gitarrensolo am Ende von "Bitter Suite" kam so perlend wunderschön daher, dass es (fast) das Original in den Schatten stellte. Das euphorisch abschließende "White Feather" wurde noch ein Stück weit euphorischer gespielt und somit für mich, dem es schon immer ein Stück weit zu nah am Melodic Rock war, schon fast ein wenig unerträglich. Unter dem Strich bot Fish eine sehr gute Performance und seine Band ein solides Backup, welches die Reproduktion selten in Richtung Neuinterpretation verließ und so dem Publikum das gab, was es wollte: Erinnerungen.
Der Applaus war groß. Noch größer war dieser, als Fish zur Zugabe mit "Market Square Heroes" wieder auftauchte. Damit hatte ich auch nicht gerechnet, galt doch schließlich mal die Aussage, dass Fish kein Material älter als Childhood jemals wieder interpretieren wolle. Sei es drum, es war eine knackige, solide und halt überraschende Version. Standesgemäß beendet wurde das Konzert dann natürlich mit "The Company".
Fish bot mit seiner Band ein solides Konzert, bei dem er seinen Fans, wie oben bereits erwähnt, das gab, warum sie gekommen waren: Eine Rückkehr in ihre Jugend. Und das war allemal gelungen!
Wolfgang Kabsch
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