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Info
Zeit: Mai 2016
Ort: Oberndorf am Lech
Besucher: 500
Internet:
http://www.metalheadz-open-air.de
Nein, es müssen nicht gerade immer die großen Veranstaltungen sein. In den kleineren steckt nämlich umso mehr Herzblut und Leidenschaft. Das gilt im großen Maß für die Bavarian Metalheadz, die bereits zum sechsten Mal in diesem Jahr Metalfans aus ganz Süddeutschland (und teilweise darüber hinaus) ins beschauliche Nordschwaben locken - genauer gesagt nach Oberndorf am Lech nördlich von Augsburg - um eine zünftige Metalparty zu feiern. Aufgrund des Datums hat man damit mehr oder weniger die schwermetallische Freiluftsaison eröffnet. Der Verein hat sich auf die Fahnen geschrieben die einheimische Metalkultur tatkräftig zu unterstützen und so spielen hier in gemütlicher Atmosphäre nicht nur bekannte Namen, sondern es bekommen auch mehr oder weniger unbekannte und frische, junge Acts die Chance sich hier einem feierwütigen Publikum zu präsentieren. Hinzu kommen noch ein paar bekanntere Szene-Truppen und regelrechte Kultacts. Das Konzept des professionell organsierten Festivals ging voll auf und so konnte man mehrere Wochen nach dem Start des Vorverkaufs bereits das „Sold Out“-Schildchen über den Eingang hängen. Alle 500 Karten waren weg. Das Festivalgelände befindet sich in einer kleinen Senke. Ein gemütliches Plätzchen, was sich im Laufe des Wochenendes aber noch rächen sollte. Es gibt nur eine Bühne, ein Party- und gleichzeitiges Versorgungszelt sowie nur wenig Stände mit Krimskrams. Der Kommerzgedanke bleibt sehr schon mal komplett außen vor. Sehr gut!
Den Start in den Tag übernahmen bei warmem, angenehmem Wetter SKULLWINX. Geboten wurde recht gewöhnlicher, leicht episch angelegter Powermetal. Die Band hatte uns als Vorgruppe von Armored Saint in München letztes Jahr schon nicht gerade vom Hocker gehauen. Etwas professioneller sind sie aber geworden, die Herren vom Tegernsee. Trotzdem weiterhin: solide. Als Hintergrundmusik für einen entspannten Plausch mit alten Bekannten und neuen Freunden reichte es aber schon mal.
Geographisch ging es danach noch etwas weiter in den Süden. Genau genommen ins Allgäu. Von dort kommen MOTÖRCULT. Der Name lässt bereits erahnen was es zu hören gab: ruppigen, leicht thrashigen Sound mit großer Motörhead-Schlagseite. Recht rumpelig das Ganze. Aber das erste Bier schmeckte damit nicht schlechter. Zudem riss die Sonne die Wolkendecke auf und erwärmte die Gemüter. Was will man mehr?
Es folgten STORMHUNTER aus Balingen. Damit wurde es schon etwas professioneller. Die Band hat bisher in Eigenregie drei Alben veröffentlicht, wovon man das letzte (An Eye For An I) ordentlich bewarb. Das klang schon irgendwie nach Hamburger Schule, was es hier zu hören gab. Helloween und Running Wild standen durchaus Pate für den Sound der Band. Oder auch die frühe Blind Guardian. Von denen zockten Stormhunter am Ende den Song „Valhalla“, was natürlich gut ankam. Aber auch sonst machte die Band keine allzu schlechte Figur. Für Fans des Genres allemal interessant.
Richtig fett wurde es im Anschluss mit den Erlangern POWERTRYP. Mit Sänger Johannes Korda hat man zumindest ein bekanntes Gesicht in seinen Reihen. Der Mann stand in der Anfangszeit von Atlantean Kodex öfter hinter ihrem Mikro. Bei der eigenen Band ist er aber besser aufgehoben. Ein echtes Bühnentier mit Ausstrahlung und einer kraftvollen Stimme, der die Leute mit seinem Charme mitreißt und der nicht mal verlegen war, eine Feuerspuckeinlage einzubauen. Die Musik: vielleicht nicht gerade ungewöhnlich, aber der amerikanisch klingender Powermetal mit viel Wumms wird allemal stark dargeboten. Wie passend, dass man zum Ende hin „Ton of Bricks“ von Metal Church spielte. In eine ähnliche Kerbe haut nämlich die Band. Die Songs waren eingängig und strotzten vor Kraft. Kein Wunder, dass man Powertryp am Ende ihre Demo-CD aus den Händen riss.
Vor dem vorletzten Song verkündete der Veranstalter, man solle doch bitte seine Zelte sichern, da man eine Unwetterwarnung erhielt. Starker Regen und Sturm war angesagt. Und genau das gab es auch. Nachdem Powertryp ihr Set beendeten, wurde es ziemlich düster und es regnete wie aus Kübeln. Kein Wunder, dass sie die Headbanger in der Umbaupause dicht an dicht ins Zelt drängten. Der Stimmung tat dies vorerst aber keinen Abbruch.
Die Besucher hatten weiterhin Bock auf Metal und nachdem sich die Pause aufgrund der Wetterlage immer weiter in die Länge zog, explodierte die Stimmung regelrecht, als die harten Jungs von WITCHBURNER die Bühne enterten. Eine altgediente Band, die mit ihrem bösen und ruppigen deathig angehauchten Thrash Metal ordentlich einen raushaute. Bei diesem Brett machte auch der Regen nichts mehr aus. Man wollte die Sau rauslassen und es bildete sich sogar so etwas wie ein Circle Pit. Die Band nutzte die Gunst der Stunde und gab ordentlich Gas. Auf Konserve ist das Ganze schon irgendwie eintönig. Doch an diesem Abend hat es gepasst. Der Wettergott sah das allerdings anders und sorgte dafür, dass mitten im Set plötzlich der Saft weg war. Nach einer nicht gerade kurzen Pause wurden diese technischen Schwierigkeiten aber überwunden und Witchburner konnten weiterspielen. Die Luft war allerdings raus. Schade drum.
Noch mehr Regen, noch mehr Kälte, noch mehr Dunkelheit. Irgendjemand meinte es mit den Metalheadz nicht besonders gut. Das Verpflegungs- und Disco-Zelt erwies sich immer mehr als angenehme Zuflucht. Trotzdem war man froh, als sich auf der Bühne wieder etwas rührte. Die Belgier EVIL INVADERS hatten sich angesagt. Irgendwie war das schon ein cooles Erlebnis. Speedmetal auf Steroiden, soviel Bühnennebel und eine düstere Lightshow, dass man die Band eher als Schemen wahrnahm. Hall und Effekte unter der Stimme. Irgendwie kam die Band tatsächlich wie eine außerirdische Invasion rüber. Die Musiker agierten zudem wie von der Tarantel gestochen. Die Songs selber waren zwar wenig markant, aber das Gesamtbild passte. Man konnte davon schon abheben oder sich die Rübe vom Hals schrauben. Cool. Auch wenn 70 Minuten Spielzeit schon sehr großzügig bemessen war. Bei nur 50 Minuten wäre das Ganze noch intensiver geworden.
Langsam wurden die Hähne etwas zugedreht und man durfte sich die Schweden AIR RAID freuen. Deren Auftritt war ein richtiger Metal-Rausch. Das liegt vor allem an der Kombination aus rasanter Performance (coole Gitarrenläufe - yeah, lässige Screams - doppelyeah!) und coolen Songs. Zwar ist Sänger Arthur Andersson mit seiner etwas tuckigen, betont rockigen Performance und seiner hellen Stimmen anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Aber was seine Musiker hinter ihm veranstalten ist schon sehr fein. Hier sitzt jeder Ton und man hat nicht den Eindruck einer Hobbyband beim gemeinsamen Stelldichein zuzuschauen. Ihr powergefärbter Traditionsstahl ist genau das Richtige, um die erkaltenden Knochen richtig in Schwung zu bringen. Und richtig Bock dazu hatten Air Raid zweifelsohne. Bis jetzt tatsächlich das Tageshighlight!
Aber es kamen ja noch die amerikanischen Hardrocker ASHBURY um die Brüder Randy und Rob Davis. Die Band ist eh ein Phänomen. Als man Anfang der 80er sein grandioses Debüt Endless Skies veröffentlichte, spielte man mit seiner von Jethro Tull und Wishbone Ash beeinflussten Musik schon recht altmodische Musik. Dann verschwand man für lange Zeit von der Bildfläche und brachte viel später unter Ausschluss der Öffentlichkeit eine weitere Platte raus. Danach: komplett in Vergessenheit geraten, bis Oliver Weinsheimer die Band auf dem Hammer-of-Doom und dem Keep-it-true spielen ließ. Ein Kult war geboren. Gut so, denn was die Brüder spielen ist in der Livesituation fast magisch. Der warme Gesang und die tollen Gitarrenmelodien sind wunderbar, die Songs große Klasse. Fast ungewöhnlich, dass ein solcher Sound in der Metalszene so abgefeiert wird. Das war auch an diesem Tag so. Die Stimmung war unübertroffen und Ashbury wurden wie verlorene Söhne willkommen geheißen. Da der Band ihre eigenen Songs etwas wenig erschienen, zollte man nebenbei Tribut an Blüe Öyster Cult („Don't fear the Reaper“) und mit dem Triple „Cross-Eyed Mary“, „Locomotive Breath“ und „Aqualung“ an Jethro Tull. Auch das: Stimmung pur. Mit „He plays a good guitar“ gab es sogar eine neue Nummer. Leider war diese etwas zu fluffig. Das ändert aber nichts daran, dass die Fans Ashbury gar nicht mehr gehen lassen wollten. Dementsprechend flossen die Musiker vor Dankbarkeit fast über. Sie hätten wohl nach all den Jahren selbst nicht gedacht, dass sie mal so verehrt werden.
Das war es also mit Tag 1 und man zog sich in sein komplett durchnässtes Zelt zurück. Wer nach Hause fahren wollte, musste sich mit schwerem Gerät erst aus dem Morast ziehen lassen. Trotzdem hat es bis hierhin schon deftig Spaß gemacht.
Der zweite Tag versprach wettertechnisch freundlicher zu werden. Geregnet hat es auch nicht mehr. Dafür wurde es abends und nachts jämmerlich kalt. Aber immerhin besser als wieder im Schlamm zu versinken.
Den Start in den Tag übernahmen die Innsbrucker LIQUID STEEL mit ihrem straighten Sound. Gefolgt von den mit einem Allerweltsnamen ausgestatteten PROWLER aus Leipzig und den wegen ihrer Herkunft (Brasilien) schon fast exotischen Trashern WOSLOM sowie OUTRAGE. Deren angeschwärzter Thrash Metal war schon ein ordentliches Brett, das einem die Frisur nach hinten föhnte. Alles irgendwie ansprechend. Aber ein richtiges Highlight sollte erst danach folgen.
Die Veranstalter - alle große Motörhead-Fans - hatten eine spezielle TRIBUTE-SHOW AN LEMMY KILMISTER auf die Beine gestellt. Das verstorbene Rock'n'Roll-Urgestein schaute grimmig flankiert von zwei Jack-Daniels-Flaschen von einem Bild am Bühnenrand aus zu, während Musiker von u.a. Stallion, Prowler und Blizzen seine Songs runter rockten. Durch das Programm führte Gitarrist Florian Botschek der lokal sehr beliebten Metal-Coverband Inferno. Über eine Stunde lang raste man durch alte und beliebte Songs von Motörhead. Es waren nicht nur die ganz großen Hits wie „Overkill“ und „Ace of Spades“ dabei, sondern auch weniger Erwartetes wie „Too late, too late“ oder „Born to raise hell“. Die Musiker hatten alle mächtig Bock. Man wechselte sich wild an Instrumenten und Mikro ab und die Whiskey-Flaschen gingen beständig reihum. Am Ende waren nicht nur das Publikum knülle, sondern vor allem auch die Herren auf der Bühne. Geschadet hat es nicht. Zwar klang das Ganze immer wieder aufgrund nicht vorhandenen Proben holprig und unkoordiniert. Aber es zählte die Laune und das Verbeugen vor einer Legende. Das Publikum hatte jedenfalls ebenso einen bärigen Spaß und eine derartig ausgelassene Stimmung gab es das ganze Wochenende nicht. Danke Metalheadz, für diese schönen Momente!
Das erwähnte, von allen beteiligten Musikern versteigerte Bild wurde im Anschluss übrigens für einen guten Zweck versteigert. Der örtliche Kindergarten durfte sich über eine Spende von 350,- € freuen. Das sage mal jemand, Metaller hätten kein Herz für den Nachwuchs!
DELIRIUM TREMENS aus Bamberg hatten es danach natürlich nicht besonders leicht anzuschließen. Scheint aber ihnen aber egal gewesen zu sein. Man spielte recht stoisch und mit viel Bock sein Programm. Blickfang war natürlich Sänger Mütze, der optisch mit seinen Nieten, Spikes, Patronengürteln und Schminke im Gesicht betont „böse“ rüberkam, sich aber als lustiger Zeitgenosse entpuppte. Gespielt wurde ruppiger Thrash im Fahrwasser von Destruction, angereichert mit einer ganzen Portion Rock'n'Roll. Nicht besonders filigran, aber mit Arschtrittfaktor. Das machte schon Laune. Vinyl der Truppe fand im Anschluss am Merchandising-Stand großen Absatz.
Nach dieser rostigen Underground-Band ging's im Anschluss eine Liga höher. DUST BOLT aus dem bayerischen Landsberg am Lech (die hätten ja fast herschwimmen können...) gehen es schon professioneller an. Statt Spaß in den Backen gibt man sich aber eher betont aggressiv und aufpushend. Das kommt auf den ersten Blick im Vergleich schon fast übertrieben gespielt rüber. Allerdings zockt die vierköpfige Truppe ein ordentliches Thrash-Brett mit gewissem Skater-Flair. Auf der Bühne ist schon was los. Die junge Truppe fetzt wie von der Tarantel gestochen über die Bühne und bangt wie die Wilden. Mir ist das alles ein wenig zuviel. Den Leuten gefällt's. Die Stimmung ist prächtig und man empfiehlt sich damit durchaus für höhere Weihen. Nächster Halt With-Full-Force? Originellere Bands gibt es in diesem Metier aber durchaus.
Langsam wurde es dunkel und Zeit für den Endspurt. Nochmals eine einheimische Band. Allerdings geht es rüber in den Osten. ALPHA TIGER haben bereits im Vorfeld angekündigt das fünfjährige Jubiläum ihres Debüts Man or Machine zu feiern. Keine schlechte Idee. Was kommt war damit klar. Allerdings nicht, wie es dargeboten wird. Schließlich hat man mit Benjamin Jaino einen neuen Sänger in seinen Reihen. Und meine Herren, dieser junge Typ dürfte mal ein ganz großer werden! Er brauchte den Queensryche-/Crimson-Glory-lastigen Sound viel besser als sein Vorgänger rüber, selbst wenn er besonders während er Ansagen immer wieder latent unsicher wirkte. Die restliche Band gab sich dafür aber keine Blöße und haute ihre Songs mit richtiger Wucht und mit viel Leidenschaft in den Fingern raus. Die nicht immer geradlinigen Songs wurden super aufgenommen und die Band war schon fast eines Headliners würdig. Das abschließende Cover von Iron Maidens „Hallowed by thy name“ war zuerst ungewöhnlich, entfachte aber noch mehr Feuer als bereits der Abschluss-Song des Albums, „Black Star Pariah“. Die Fans wollten die Band gar nicht mehr gehen lassen und man bekam eine spontane Zugabe von Riots „The Flight of the Warrior“. Ein starkes Finales eines starken Auftritts.
Die kauzige US-Kultband MANILLA ROAD war da im Anschluss dann eher etwas für Eingeweihte, so dass sich der Platz etwas leerte. Oder lag es eher an den kalten Temperaturen? Egal. Dafür genoss es der harte Kern umso mehr. Der Start mit einer Ladung Oldschool-Songs wie „Open the Gates“ oder „Divine Victim“ war stark. Die Ausstrahlung der Truppe um Urgestein Mark Shelton ist schon ziemlich einmalig. Dieses Hippiehafte kombiniert mit den epischen Metaltugenden haben etwas Spezielles. Man spielte sich tatsächlich quer durch den Backkatalog, auch wenn der Fokus auf den alten Kamellen lag. Neben dem Titeltrack von Mystification kamen sogar zwei Songs vom Zweitwerk Metal zum Zug („Queen of the Black Coast“ und das seltsame „Cage of Mirrors“). Dabei erwies sich Zweitsänger Bryan „Hellroadie“ Patrick immer wieder als gute, gestenreiche Ergänzung zum Bandboss. Beide ließen auch immer wieder ihren Humor durchblitzen, was sehr sympathisch rüberkam. Die Band nimmt ihre Musik ernst - nicht aber sich selbst. „Crystal Logic“ und „Necropolis“ brachten zum Ende hin das schwindende Publikum verstärkt in Wallung, so dass man das Quartett nicht ohne ein paar Zugaben gehen lassen wollte. Aber selbst der unterhaltsamste Auftritt musste irgendwann ein Ende haben. In diesem Fall hatte er es mit der Nummer „Heavy Metal to the World“.
Der Abschluss gehörte dem Sprecher des Veranstalterteams, der sich unter lautem Jubel und im Vordergrund eines Feuerwerks bei allen Anwesenden und den spielenden Bands bedankte. Das kann man nur zurückgeben. Denn was die Bavarian Metalheadz in ihrer Freizeit mittlerweile auf die Beine gestellt haben, ist aller Ehren wert. Ein tolles, stressfreies und familiäres Festival das wir garantiert wieder besuchen werden!
Mario Karl
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