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Zeit: 22.10.2004
Als Nightwish vor noch nicht allzu langer Zeit als Supportact von Rage die mittelgroßen Clubs unserer schönen Republik beackerten, wagte bestimmt kein einziges Bandmitglied der Finnen auch nur im Traum daran zu denken, dass ihr musikalisches Baby eines Tages die größten Hallen der Republik bis zum letzten Platz füllen würde. Dank der Dauerrotation bei MTVIVA, den ausführlichen "Berichten" in diversen Teeniemagazinen, einem cleveren neuen Plattenlabel und last but not least einem bärenstarken aktuellen Longplayer, ließ der endgültige Durchbruch natürlich nicht lange auf sich warten und dem dazugehörigen Triumphzug durch Europa stand ebenfalls nichts mehr im Wege.
Am 22.Oktober diesen Jahres stoppte der Tourtross in der Nürnberger Arena und dort, wo normalerweise die Anhänger der Ice-Tigers ihren Puckjägern bzw. Goalies zujubeln, warteten über 7000 Fans auf das Konzert von Lady Tarja und ihren wilden Jungs.
Um den "Finnischen Abend" zu komplettieren, unterstützten die Chartstürmer aus dem hohen Norden außerdem noch zwei Supportacts, die ebenfalls im Land der Elche beheimatet sind und das Publikum auf Betriebstemperatur für den Headliner bringen sollten. Eigentlich hätte mich ja schon interessiert was sich denn genau hinter dem Opener mit dem etwas exotischen Namen Timo Rautianen und Trio Niskalaukaus verbirgt, doch wegen des Verkehrschaos rund um den Veranstaltungsort, konnten wir erst gegen Ende des Sets der ersten Vorgruppe unsere Plätze in der Arena einnehmen und deshalb wäre es dieser Band gegenüber auch nicht fair, irgendein Urteil über deren Leistungen an entsprechendem Abend hier kundzutun. Dem Publikum scheinen die mit rammsteinartigen Gitarrenriffing, sowie finnischen(!) bzw. teils deutschen(!) Lyrics ausgestatteten Songs, des mit dem Nightwish-Clan befreundeten Haufens, auf jeden Fall gefallen zu haben und dementsprechend wurden, die in ihrem Heimatland bereits zu Superstars aufgestiegenen Musiker, auch mit Applaus in den Feierabend geschickt.
Ein ähnliches Schicksal wie Nightwish, könnte auch der nächsten Band des Billings in der nahen Zukunft widerfahren, denn nach der (unfreiwilligen) Auszeit von Stratovarius, können sich die Jungs von Sonata Arctica ohne schlechtes Gewissen als Könige in ihrer Gewichtsklasse fühlen. Dementsprechend pompös fiel auch das gewaltige Banner im Hintergrund der Bühne aus, auf dem man das Cover der "Don't Say A Word-E.P. bewundern konnte, welches bei Beleuchtung einen netten 3D-Effekt offenbarte. Nach dem Intro "Reckoning Night", Reckoning Day..." vom aktuellen Album, bot die Truppe ein ca. 45 minütiges Best-Of-Programm, das sich im wesentlichen aus der Setlist des Summer-Breeze-Gigs plus einigen neuen Tracks wie "Blinded No More" oder der in voller Pracht ausgespielten Single "Don't Say A Word" zusammensetzte. So bekamen die Zuschauer an diesem Abend die absolute Schokoladenseite der Band zu sehen, denn neben der gelungenen Songauswahl, benötigte Frontmann Tony Kakko nur wenige Minuten um seine Stimme auf Betriebstemperatur zu bringen und Dank der guten Leistung des Mischers stimmte endlich mal auch der Sound bei einem "Sonata Arctica"-Gig. Das teils nur Mainstreamsound gewohnte Publikum reagierte anfangs jedoch noch etwas verhalten auf die Werke des finnischen Fünfers, doch mit zunehmender Spieldauer freundete sich die Menge immer mehr mit dem progressiven Melodicmetal der Truppe an und als beim nicht ganz ernst gemeinten, traditionell gehaltenen Rausschmeißer, die komplette Nürnberger Arena fleißig mitklatschte, hatte die Band das anwesende Volk wohl endgültig auf ihre Seite gezogen. Hoffen wir also, dass die meisten Konzertbesucher diesen Elan bis zum nächsten Besuch im Plattenladen aufrechterhalten und dann statt zu einer Jeanette-Scheibe auch mal zu einem "Sonata Arctica"-Longplayer greifen. Der Metalgott würde es ihnen auf jeden danken.
Nach diesen leckeren Vorspeisen, wurde es nun Zeit für das Hauptgericht und nach einer, für Konzerte dieser Größenordnung, relativ kurzen Umbaupause, fiel kurz nach zehn Uhr im wahrsten Sinne des Wortes der Vorhang und gab den Blick auf die ganz im Look des aktuellen Albums dekorierten Bühne frei. Schon beim orchestralen Bombastintro konnte man erahnen, welch effektive Lightshow die Finnen für diese Tour gewählt haben und beim Opener "Dark Chest Of Wonders" entfaltete die Lichtanlage erstmals ihre volle Power und unterstützte auch im weiteren Verlauf des Gigs die Songs, der momentan schwer angesagten Symphonic-Metaller. Einen weiteren Augenschmaus stellten die effizient eingesetzten Pyroeffekte, sowie natürlich Frontfrau Tarja Turunen dar, deren Aktionsradius auf der Bühne im Gegensatz zur letzten Tour um einiges zunahm, was den neuen Fans sicherlich gefallen haben dürfte, doch leider nicht so elegant und majestätisch wie das dezente Stageacting in früheren Zeiten wirkte. Gesanglich jedoch war Mrs. Turunen wieder mal nicht von dieser Welt und Basser Marco Hietala, der übrigens auch für die meisten Ansagen verantwortlich war, hatte wahrscheinlich fleißig daheim die Tonleiter geübt, so dass seine Vocals endlich fast so wie auf den Longplayern der Finnen klangen.
Allein an der Tatsache, dass sichere Zugabekanditaten wie die Hammerballade "Sleeping Sun" oder das flotte "Wishmaster" schon im regulären Set verbraten wurden, konnte man sehen, welch gewaltige Setlist das Quintett ihren Anhängern zu diesem Anlass zusammengepuzzelt hatte und wer da nicht auf seine Kosten kam, war wohl selber schuld. Highlight reihte sich an Highlight und so gab es neben den üblichen Standards à la "Deep Silent Complete" oder "Bless The Child", auch ein paar Leckerbissen wie das bezaubernde "Phantom Of The Opera"-Duett zwischen Marco und Tarja, ein Medley aus "Dead Boy's Poem" und "Slaying The Dreamer" (eigentlich eine Schande erstgenannte Perle in der Mitte zu verstümmeln, aber unter diesen Umständen drücken wir mal ein Auge zu.), sowie "Ever Dream", das auf der Langrille recht unspektakulär daherkommt, live jedoch für absoluten Gänsehautalarm sorgte.
Eine Coverversion war diesmal natürlich auch mit von der Partie, doch statt den üblichen Nummern "Walking In The Air" oder "Over The Hills And Far Away" gab die männliche Fraktion der Truppe eine Nightwish-Version des Megadeth-Klassikers "Symphony Of Destruction" zum Besten und widmete diesen Song Politikern wie George Bush, Tony Blair und Co. Die Frage nach dem "Warum" kann sich wohl jeder selbst beantworten.
Zum Abschluss des offiziellen Programms, gab es bei dem bisher erfolgreichsten Nightwish-Song "Nemo" noch mal ein kleines Leckerli für das Publikum, denn die komplette Arena wurde passenderweise mit künstlichen Regen berieselt und die Fans konnten sich mit dem kühlen Nass vor dem Zugabenblock noch ein wenig abkühlen bzw. vom Anfeuern ihrer Lieblinge erholen.
Bevor jedoch die "Extrawürste" serviert wurden, durfte das zahlende Volk, für die Ehefrau des Bassers, die angeblich an jenem 22.Oktober ihr Wiegenfest feierte und höchstpersönlich in der Halle anwesend sein sollte, noch ein gediegenes Geburtstagsständchen singen. Ob diese Tatsache nun der Wahrheit entsprach oder eher ein schlechter Gag von Mr. Hietala war konnte ich bis zum heutigen Zeitpunkt leider nicht herausfinden. Wenigstens waren aber die Stimmen des Publikums nun für den bevorstehenden musikalischen Endspurt bestens geölt.
Für diesen hatte sich Tarja noch mal umgezogen und wirkte in ihrem rot-schwarzen Kleidchen wie eine spanische Flamengo-Tänzerin, doch was da aus den Boxen der Nürnberger Arena drang, war alles andere als Tanzmusik, denn es wurde Zeit für "Ghost Love Score", das wohl ambitionierteste Werk des neuen Albums. Zur Zeit scheint es bei großen Bands ja in Mode zu kommen überlange Songs im Zugabeblock zu verbraten, doch das von einem Konfettiregen unterstützte Stück wurde zu keiner Zeit langweilig und bis auf den Fakt, dass die bombastischen Streichereinsätze "nur" vom Band kamen, hätte man diese Aufgabe auch nicht besser live umsetzen können, als Nightwish an ebenjenen Abend in der Bratwursthauptstadt. Mit der aktuellen Singleauskopplung "I Wish I Had An Angel" verabschiedeten sich die Nordeuropäer nach einem grandiosen Konzert dann endgültig von ihren Fans und ich bin mir sicher dass sich niemand über das abermalige Verkehrschaos bei der Abreise aufgeregte, denn diese Minuten des Wartens brauchte man wohl auch einfach um diesen Abend revuepassieren zu lassen. Ganz großes Tennis!
Manuel Liebler
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