Artikel
Info
Titel: Century Media – Do it yourself. Die Geschichte eines Labels
Verlag: Verlag Nicole Schmenk
ISBN: 978-3-943022-09-4
Preis: € 18,90
208 Seiten
Internet:
http://www.centurymedia.com
Ein verdienstvolles Thema! Neben den Bands sind die Plattenfirmen mit die wichtigsten Akteure im Musikgeschäft. Und Century Media ist nicht einfach eine Firma, die mit Musik ihr Geld macht – Das ist sie natürlich auch! -, sondern sie ist Teil der Metal Szene und ihr entwachsen. Von daher kann man Christian Krumm nur dafür danken, dass er sich daran gemacht hat, das Dortmunder Label zu portraitieren, auch wenn man sich nach der Lektüre wünscht – Das sei schon vorweg gesagt. -, er hätte (noch) andere Akzente gesetzt.
1988 von Robert Kampf gegründet, um das Debüt-Album seiner Band Despair zu veröffentlichen, ist aus Century Media in einem Zeitraum von 25 Jahren ein Global Player geworden. Niederlassungen in Dortmund und Los Angeles, Kooperationen mit Partnern in vielen Ländern und nicht zuletzt ein Vertriebsdeal mit dem Major EMI machen das ehemalige Do it yourself Label zu einer der größten Independent Firmen, die ihre Produkte weltweit anbieten kann.
Krumm zeichnet den gegangenen Weg nach und orientiert sich dabei in erster Linie an den bei Century Media veröffentlichten Bands. Das macht Sinn, denn das rechtzeitige Erkennen und Fördern neuer Trends hat einen nicht unerheblichen Anteil an dem bislang kontinuierlichen Aufstieg der Firma. Genau an dieser Stelle liegt gleichzeitig aber auch die größte Schwäche des Buches. Vor lauter Bäumen (Bands) geht der Blick auf den Wald (das Label) immer wieder verloren.
Biographien, gleich welcher Art, gewinnen dann Leben, wenn die Personen, um die es geht lebendig werden, wenn der Leser ihren Hintergrund, ihre Ziele, Träume, ihren Eros an dem verfolgten Ziel kennen lernt. Christian Krumm hat sich für sein Werk nicht (wie viele Biographie-Autoren) auf Sekundärquellen beschränkt hat. Die Liste der für das Buch interviewten Personen füllt zwei Seiten des Buches. Dennoch gelingt es ihm nicht die Personen wirklich zum Leben zu erwecken.
Woran das liegt, bleibt offen. Musste er an bestimmten Punkten schweigen, weil er über ein Unternehmen schreibt? Sind die Mitarbeiter eben doch keine Fans, sondern schlicht Angestellte, deren persönliche Vorlieben nicht unbedingt etwas mit dem Arbeitgeber zu tun haben? Sind die Interviewten nicht persönlich geworden, weil sie eben Angestellte einer Firma sind – und bleiben wollten?
Dabei liegen viele Fragen auf der Hand.
Aus dem Despair-Do it yourself-Label ist eine Firma mit mehr als einhundert Mitarbeitern geworden. Da muss es Verwerfungen gegeben haben. Aus einer Gruppe Kumpels ist ein Unternehmen Unterschiedlicher geworden. Aus Gleichen sind Angestellte geworden, oder es sind Angestellte hinzugekommen. Da muss etwas passiert sein. Zu erfahren, wie man diese Stromschnellen gemeister hat, wäre spannend zu lesen.
Auf Seite 151 sieht man ein Foto der Los Angeles Dependance von Century Media, die offenbar gleichzeitig die US-Dependance von Nuclear Blast ist, dem wohl stärksten Konkurrenten auf dem deutschen Markt. Wie kommt es zu diesem Gleichschritt in den USA, zumal die beiden Firmen auch noch Vertriebsdeals mit zwei konkurrierenden Majorfirmen haben – EMI bei Century Media; Warner bei Nuclear Blast.
Zum Fazit schalten wir einen Gang zurück. Musikjournalismus hat in aller Regel keinen investigativem Anspruch, sondern ist Teil einer Szene, über sie er berichtet. In diesem Rahmen hat Christian Krumm ein verdienstvolles Werk vorgelegt, das den Rahmen üblicher Band- und Musikerbiographien sprengt. Es wäre wünschenswert, wenn sich weitere Insider aufmachen würden, um vertieft zu dokumentieren, wie sich Undergroundkultur wirtschaftlich und strukturell institutionalisiert und dabei den Spagat zwischen Authentizität und Notwendigkeit meistert.
Persönliches Nachwort:
Century Media scheint mir eine der Firmen zu sein, der das gelungen ist – auch wenn ich dabei auf der Strecke geblieben bin. Ich habe mit dem Musikjournalismus in den Anfangstagen von Century Media begonnen und konnte bald eine Vollbemusterung (wenn auch nur mit Promo-pappen) genießen. Das war in den Anfangstagen, als die Firma noch jede Möglichkeit nutzen musste. Ein paar Jahre später war das anders. Century Media war eine Szenegröße von der alle etwas wollten, die aber nicht so groß war, dass sie alles bedienen konnte. Die Folge war offenbar, dass kleinere Fanprojekte über die Klinge sprangen – wahrscheinlich gegen das Firmenethos, aber wirtschaftlich unvermeidbar. Jedenfalls gab es für mich als musikansich.de-Schreiber nur noch bestenfalls Downloads.
Das ist übrigens kein Spezifikum von Century Media. Bei Nuclear Blast, Massacre, AFM und einigen anderen ging es mir ähnlich. Die Majors konnten es sich noch leisten auszuspucken. Die Kleinen waren froh, dass überhaupt mal wer nachfragte. Und der erfolgreiche Mittelbau musste zusehen, wie er mit seinem Erfolg über die Runden kam.
Darum an dieser Stelle ein ganz herzlicher Dank an all die Label und Promofirmen, die nicht nur große Fische, wie das Rock Hard, Eclipsed oder Riddim, sondern auch kleine eifrige Medien, wie z.B. unser mittlerweile 15-jähriges online Mag unterstützen.
Zurück zur Artikelübersicht |