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An und für sich bietet sich die Musik von Pink Floyd optimal für Filmsoundtracks an. Trotzdem haben sie nur drei offizielle Soundtracks zu Filmen gemacht, davon ist einer nie offiziell komplett veröffentlicht worden (Zabrizki Point, an sich auch noch der beste von allen.) Auch hatten sie bei der Auswahl der Filme ein eher schlechtes Händchen, denn beide Filme, zu denen sie den Score schrieben, waren weder künstlerisch herausragend noch kommerziell besonders erfolgreich. Auf Grund dieser Tatsache führen die beiden offiziellen Arbeiten More und Obscured by Clouds ein Schattendasein, sind bzw. waren jedoch emminent wichtig für die Gruppe selbst.
More entstand 1968 und 69 zwischen den Alben Ummagumma und Atom Heart Mother. Die Pink-Floyd-Biographie schreibt, dass die Band das Album entgegen ihrer sonst eher langsamen und arkribischen Arbeitsweise innerhalb weniger Wochen komponierte und aufnahm. (Gleiches gilt im Übrigen auch für Obscured by Clouds.)
More, der Film, handelt von Hippies, die nach Ibiza aussteigen um ihr Glück zu machen, was dann jedoch nicht so recht gelingt. Ich muss gestehen, dass ich den Film noch nie gesehen habe, jedoch liest man überall, dass die Handlung ziemlich schlecht sein soll, die Bilder hingegen durchaus mitunter beeindruckend. More, das Album, klingt tatsächlich nach dem, was es ist: das Übergangsalbum der noch nach Syd Barretts Abgang nach ihrer Richtung suchenden Band hin zu der experimentierfreudigen Band der 70er-Jahre.
So finden sich auf More absolut songorientierte Stücke wie “Circus Minor“, “The Nile Song“ oder auch die grandiose Ballade “Green ist he colour“. Diese ist in der Studioversion eine herzereißende Mischung aus Folk & Country-Elementen und traumhafter Psychedelik. Wundervolle Harmonien auf Klavier und Gitarre ergänzen sich mit psychedelischen Flötenklängen zu einer wundervollen Traumlandschaft.
Gleiches gilt für “Cymbaline“. Stereotechnisch perfekt abgemischte Perkussionen rollen über den Hörer von links nach rechts. Ein jazziges Piano wird recht lässig gespielt. Gitarre und Bass verrichten einen eher zweckdienlichen Job. Der Spannungsbogen der psychedelisch und eher dunklen Passagen mit dem euphorischen Refrain ist kongenial. Wenn dann am Ende die herrliche Farifasaorgel Wrights diesen wundervoll psychedelischen Teppich ausbreitet, ist es spätestens Zeit den Joint anzuzünden. “Cymbaline“ gehört für mich definitiv zu den Besten Songs der frühen Pink Floyd.
Äußerst erwähnenswert ist natürlich auch das betörende “Main Theme“, welches im Original die zweite LP-Seite eröffnet. Die von links nach rechts hallenden Beckenklänge ziehen den Höer sofort in den Bann, das stoische Schlagzeug zusammen mit dem manischen Bass lassen sofort hypnotische Wirkung entstehen. Die darüber gespielte, eher naive und einfache Keyboardmelodie macht die süchtig machende Wirkung des Instrumentalstückes dann perfekt. Gilmour spielt im weiteren Verlauf dann eine seiner psychedelischsten Gitarrenläufe. Ich behaupte mal, dass Pink Floyd mit diesem Stück einiges der späteren Neopsychedelik und Spacerocksounds vorweggenommen hat.
Mit “Ibiza Bar“ enthält More dann auch noch ein quasi Rockstück der Band. Ein ziemlich simpler Rocksong im Grunde, doch herrlich verziert mit psychedelischen Klängen. Der starke Hall und der wummernde Bass geben durchaus ein wenig Ausblick auf spätere Stoner- und Psychrockentwicklungen. Einen schönen, kräftigen Blues gibt es mit “More Blue“, auf dem sich Gilmour so richtig auslassen konnte.
Dass More eine Vielzahl an wirklich starken Stücken enthielt, lässt sich allein daran ablesen, dass es einige der Stücke in die Setliste ihrer Konzerte schaffte und einige sogar zu richtigen Klassikern wurden. Insbesondere "Green ist he Colour“ und vor allem “Cymbaline“ wurden live zu wahren Improvisationsmonstern und entwickelten Längen bis an die 20 Minuten Grenze.
Zum Abschluss des Albums gibt es mit “Quicksilver“, “A spanish piece“ und “Dramatic Theme“ die eher soundtrackartigen Stücke. So verströmt “Quicksilver“ mit seiner an A Saucerful of Secrets erinnernden Mischung aus Glockenklängen, Beckensounds und Wrights schwebenden Keyboardsounds Psychedelik pur. “A spanish Piece“ ist einfach eine kleine Nummer die das bietet, was der Titel sagt und Dramatic Theme“ wiederum übt sich in feiner, psychedelischer Klangmalerei, welche an “Main Theme“ anknüpft.
auf der anderen Seite auch gewisse Stücke enthalten waren, die im Film wahrscheinlich funktionierten, auf dem Album eher nicht, liegt in der Natur der Sache. Insgesamt empfinde ich More jedoch als sehr gut funktionierendes Album, welches man sich bedenkenlos durchhören kann. Ferner ist More wohl auch das Album, mit dem Roger Waters die Führung übernahm. Wenn auch noch einige Alben folgten, bei denen die gemeinschaftlichen Kompositionen die Alben überstrahlten, so war More zu großen Teilen mit Waters Songs bestückt. In Zahlen bedeutet das, dass fünf der 13 Stücke reine Waters-Kompositionen waren, und diese beinhalteten dann auch gleich die Wichtigsten wie “Green is the Colour“ und “Cymbaline“. Ferner war Waters an sechs weiteren Stücken federführend beteiligt. Hingegen ist David Gilmour auf diesem Album relativ wenig als Autor genannt, er hat „nur“ an sechs Gruppenkompositionen mitgewirkt und mit “A spanish piece“ nur ein einziges, sehr kurzes Stück allein geschrieben. Zusätzlich beinhaltet More mit “Up the Khyber“ ein richtiges Novum, wurde dieses Stük doch von Richard Wright und Nick Mason geschrieben - eine Kombination die meines Wissens nach einmalig ist.
Ich persönlich habe More wie so viele andere Floyd-Alben zunächst in der Bielefelder Stadtbibliothek kennen lernen dürfen. Auch dieses Album gehört zu denen, die mich die nette Dame dort, nachdem ich es mir das dritte oder vierte Mal hatte auflegen lassen, freundlicher, aber verbotener Weise auf Musikkassette kopierte. Nachdem ich dann das Pink-Floyd-Gesamtwerk hatte und auch auf immer mehr neue Musik stieß, geriet More dann bei mir ein wenig in Vergessenheit. Mit Wonne habe ich jedoch jedes Mal gerade den Stücken "Cymbaline" und “Green ist he Colour“ gelauscht, wenn sie auf irgendwelchen Livealben auftauchten. Nochmals: hier ist besonders “Cymbaline“ (Oftmals als Hightime gelistet) zu empfehlen.
Gerade in diesem Jahr jedoch erlebte das Album bei mir eine Art Wiedergeburt. Da ich günstig an eine der vor zwei Jahren veröffentlichten, neu remasterten CD-Versionen kam, zog das Album als tatsächlich letztes nun endlich auch in digitaler Form in mein CD-Regal ein und ich war von dieser neuen Abmischung fasziniert, total begeistert. Die Stereoabmischung ist noch besser und schärfer als sie bereits auf dem Album war, die Klangtransparenz eröffnet hier tatsächlich die Möglichkeit, Klänge und Töne zu hören, die man auf dem alten Vinyl nicht hören konnte. Eine absolut lohnenswerte Anschaffung für den Pink-Floyd-Fan, der an sich sonst alles hat.
More ist im übrigen wahrscheinlich auch das psychedelischste, ich sag mal Popalbum, welches ich besitze.
Wolfgang Kabsch
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