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Artikel

Die Mannheimer Philharmoniker - ein Orchester der besonderen Art

Info

Gesprächspartner: Boian Videnoff / Mannheimer Philharmoniker

Zeit: 26.12.2015

Interview: E-Mail

Stil: Klassik

Internet:
http://www.mannheimer-philharmoniker.de

Mit Träumereien ist gerade die erste, sehr gelungene CD der Mannheimer Philharmoniker erschienen. Dieses noch junge Orchester ist eine Besonderheit in der Kulturlandschaft, hat es sich doch zur Aufgabe gemacht, Hochschulabsolventen die Möglichkeit zu geben, Berufserfahrung zu sammeln, um eine bessere Perspektive für eine Festanstellung in einem professionellen Orchester zu erhalten. Grund genug, mit dem Gründer und Leiter Boian Videnoff ein Interview durchzuführen.

Hallo Herr Videnoff, sie sind Gründer und Leiter der Mannheimer Philharmoniker. Könnten Sie unseren Lesern zunächst etwas zu ihrem musikalischen Werdegang erzählen?

Ich bin in einer Musikerfamilie geboren. Meine Mutter ist Violinprofessorin und Konzertmeisterin eines deutschen Rundfunkorchesters und mein Vater ist Opernsänger. Ich habe zuerst Violine, Klavier, Gesang und etwas Oboe gelernt bis ich dann ganz natürlich zum Dirigieren gekommen bin - habe dann mit Jorma Panula und Gianluigi Gelmetti studiert. In 2009 habe ich parallel zum Studium die Mannheimer Philharmoniker ins Leben gerufen und bin seitdem als künstlerischer Leiter des Orchesters tätig.

Wie kam es zur Gründung des Orchesters im Jahr 2009, denn der Ansatz ein Orchester als Bindeglied zwischen Studium und fester Stelle zu gründen, ist ungewöhnlich?

Ich kannte einige junge Kollegen, die auf Stellensuche waren und mir von den äußerst schwierigen Verhältnissen berichteten. Wenig entscheidende Referenzen in den Lebensläufen und kaum Orchestererfahrung führen jährlich dazu, dass zahlreiche junge Musiker nach dem Studium erstmal aus einer Illusion erwachen. Diesem Momentum wollte ich entgegenwirken und ein Orchester gründen, welches Allen als Erfahrungsplattform dienen könne. So kam es dann zu den Mannheimer Philharmonikern .

Wie muss man sich das vorstellen? Welche Musiker können sich wie bewerben?

Es kann sich jeder Musiker bis zu einem Alter von 33 Jahren ganz unkompliziert auf unserer Webseite bewerben. Wir hören dann jeden Bewerber anhand von den eingereichten Videoaufnahmen an und laden dann die geeigneten Kandidaten zu einem Probeprojekt ein. Bei begehrten Solopositionen finden, sobald diese frei werden, intensive Probespiele statt.

Gibt es ein zeitliches Limit für das Mitwirken bei den Mannheimer Philharmonikern, da das Ziel der Spieler ja ein feste Stelle ist?

Grundsätzlich erneuert sich das Orchester kontinuierlich über einen Zeitraum von 2 Jahren. Über 100 ehemalige Musiker sind inzwischen in Fest- oder Zeitanstellungen an europäischen Kulturorchestern engagiert. Trotzdem kommen sie immer wieder als Tutoren zurück und wirken bei Gelegenheit in manchen Konzerten auch mit. Es herrscht eine besondere Gemeinschaft im Orchester mit einem sehr besonderen Geist vor.

Wie lange sind die Orchestermitglieder im Schnitt im Orchester?

Etwa ein bis zwei Jahre.

Wie ist das Orchester organisiert?

Ich glaube nicht an Hierarchien. Diese ergeben sich in einer Gruppe von Menschen ganz selbstverständlich aufgrund von natürlicher charakterlicher Autorität und überzeugenden fachlichen sowie menschlichen Kompetenzen - und nicht etwa aufgrund von Titeln und Positionen. Daher hat jeder Musiker bei den Mannheimer Philharmonikern die gleiche Stellung und ein Mitspracherecht beim gemeinsamen Musizieren und kann seine Meinung und Ideen mit Allen teilen. Ich möchte Kammermusik im Großen machen und in der Kammermusik sind alle Partner gleichberechtigt.

Bekommen die Musiker ein Gehalt, ein Stipendium oder ähnliches?

Die Musiker reisen aus ganz Europa für die Projektphasen an. Dank Kooperationen mit Hotels und weiteren Sponsoren können wir Ihnen eine Unterkunft zur Verfügung stellen und können ein moderates Stipendium bezahlen.

Wie finanziert sich das Orchester? Ist zum Beispiel auch die Stadt Mannheim involviert?

Wir sind zu 100% privat finanziert. Dies bedeutet, dass wir keine öffentliche Mittel beziehen - auch nicht von der Stadt. Unser derzeitiges Budget von etwa 700.000 € pro Jahr setzt sich aus Spenden, Sponsoring, Ticketeinnahmen und Gastspielhonoraren zusammen.

Wie schwierig ist es für Sie als musikalischer Leiter, immer wieder mit neuen Musikern zu arbeiten?

Es ist schon eine Herausforderung. Andererseits ist es nicht anders als wenn man als Gastdirigent zu einem neuen Orchester kommt. Ich versuche also die Situation mit einer ähnlichen Einstellung anzugehen.

Ist hier eine andere Herangehensweise von Ihnen notwendig im Vergleich zu langjährig stabilen Besetzungen?

Grundsätzlich bereitet mir persönlich die Arbeit mit jungen Musikern sehr viel Freude. Gerade als junger Dirigent empfindet man es als sehr erfrischend wenn man mit seiner Interpretation nicht womöglich gegen festgesetzte Meinungen im Orchester ankämpfen muss, sondern eine offene und probierfreudige Atmosphäre unter den Musikern vorfindet. Selbstverständlich bringt dies auch einiges an Mehraufwand mit sich, da man noch so jede Kleinigkeit im Zusammenspiel des Orchesters erarbeiten muss. Die anschließende Belohnung ist jedoch ein ganz große!

Ihre erste CD "Träumereien" zeigt, dass die Mannheimer Philharmonikern einen feinen, dichten und dennoch differenzierten Klang besitzen. Wie viel Arbeit steckt in dieser gelungenen CD?

Grundsätzlich probt das Orchester eine Woche für ein Programm. Für die CD Produktion haben wir 4 Tage geprobt und 3 Tage mit dem Tonmeister aufgenommen.

Wie wichtig sind Ihnen die Konzerte für das Orchester und seine 'jungen' Mitglieder? Gibt es viele Möglichkeiten für Sie, aufzutreten?

Konzerte sind die wichtigste Erfahrungsplattform, die man als junger Interpret für seine künstlerische Entwicklung benötigt. Wir betreiben eigene Konzertreihen im Mannheimer Rosengarten und dem Konzerthaus in Karlsruhe. Zudem tritt das Orchester inzwischen regelmäßig auf Gastspielen in wichtigen Konzertsälen, wie etwa dem Herkulessaal und der Philharmonie im Gasteig in München, dem Auditorio Nacional in Madrid, der Liederhalle in Stuttgart und der Meistersingerhalle Nürnberg auf. Ebenfalls führen uns Konzertreisen nach China, Russland, Italien, die Schweiz und anderen Ländern.

Wie einfach oder wie schwer gestaltet es sich, renommierte Künstler als Solisten oder Workshop-Leiter zu gewinnen?

Wir können uns glücklich schätzen oft mit großartigen Künstlern zusammenzuarbeiten. So erfreuen wir uns über Solisten wie Mischa Maisky, Sergei Nakariakov, Julian Steckel und vielen mehr. Ebenfalls können wir immer wieder Tutoren für Registerproben aus prominenten Orchestern gewinnen. Ohne viel Idealismus wäre an dieser Stelle hier vieles nicht realisierbar.

Wie wichtig sind diese Meisterkurse und Workshops im Rahmen der Mannheimer Philharmoniker?

Sie sind essentiell, da die Musiker sich so weiterbilden und eine Orchesterkultur erarbeiten.

Gibt es noch etwas, was Sie unseren Lesern sagen möchten?

Viel Spass mit unserer ersten CD. Wir sind stolz darauf und hoffen sie gefällt Ihnen.

Vielen Dank!

Ingo Andruschkewitsch


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