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Fish hat angekündigt, dass er 2017 seine Abschiedstour machen möchte. 2015 führt er ein letztes Mal das Marillion-Album Misplaced Childhood komplett auf. Heute Abend hat man im Backstage die Qual der Wahl. In der Backstage-Halle spielen zeitgleich die Black Star Riders. Hhier fällt die Wahl dann schon schwer. Der Besucherandrang bei Fish ist verhältnismäßig groß. Etliche wollen sich die Aufführung des Klassikeralbums nicht entgehen lassen. Auch Fish nutzt diese Tatsache geschickt für seine Merchandising-Artikel. Sämtliche Shirts sind mit Misplaced Childhood-Motiven versehen und werden rege gekauft. Da stört offenbar der hohe Preis von 35 Euro nicht weiter.
Als Vorband wurde die französische Band LAZULI gebucht. Das neue Album der Band, Nos ames saoules, kommt im Januar 2016 heraus. Die Band hat einen äußerst guten Sound, man hört alle einzelnen Instrumente glasklar heraus und es ist nicht zu laut. Den Stil der Band kann man fast nicht beschreiben. Es sind epische und progressive Elemente, die manchmal an Pink Floyd erinnern und dann wieder härtere Passagen enthalten. Die Band ist unglaublich vielseitig. Es wird ein Waldhorn mit einem irren Sound genutzt, ein Xylophon kommt zum Einsatz und ein Musiker spielt ein Instrument, dass ich noch nie gesehen habe. Es hört sich ein bisschen an wie eine Mischung aus Geige, Dudelsack und E-Gitarre und sieht aus wie ein abgesägter Gitarrenhals (Léode, eine Abwandlung des Chapman-Sticks - Anm.d.Red.). Die Musiker sehen ein bisschen wie gallische Krieger von Asterix aus. Vor allem der Sänger erinnert mich stark an die Titelfigur.
Der ganze Auftritt, die Atmosphäre und die äußeren Umstände stehen an diesem Abend unter dem Einfluss der Terroranschläge in Paris vom 13.11.2015. Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm, die Stimmung ist etwas gedrückt. Die Musiker machen das Beste daraus, spielen sich förmlich in einen Rausch und bekommen dafür sehr viel Applaus. Der Sänger bedankt sich auf deutsch für die „Wärme und Unterstützung“ des Publikums, was ebenfalls mit großem Beifall quittiert wird. Die Vielseitigkeit der Band tritt vor allem bei der Zugabe zutage. Hier spielen alle auf einem Xylophon eine fast sakrale, hypnotische Melodie, die mich total fasziniert. Nach dem äußerst kurzweiligen und musikalisch höchst interessanten Auftritt verabschieden sich die sympathischen Franzosen von einem begeisterten Münchener Publikum. Hut ab, mit so einer tollen Leistung habe ich nicht gerechnet Der Gig war schlicht und ergreifend außergewöhnlich. Checkt die Band mal im Internet an!
Nach einer äußerst kurzen Umbaupause kommt FISH mit seiner Band auf die Bühne. Er ist ein sehr charismatischer Typ. Er betritt die Bühne und die Fans im Backstage brechen in Jubel aus. Der Gig beginnt mit dem Song „Pipeline“, dann kommt als zweites der Titelsong des neuen Albums, „Feast Of Consequences“. Ich bin über seine Stimme anfangs etwas erschrocken. Sie hat über die Jahre doch erheblich abgebaut, er müht sich ganz schön ab. Glücklicherweise dauert es nicht lange, und er ist auf Betriebstemperatur. Spätestens bei „The Perception Of Johnny Punter“ hört es sich schon bedeutend besser an. Fish macht immer wieder seine Witze, die beim Publikum äußerst gut ankommen. Oft spricht der in Karlsruhe wohnende Schotte auf deutsch, auch hier sitzt ihm der Schalk sichtlich im Nacken. Ernst wird er, als es um die Anschläge in Paris geht. Er plädiert hier in eindrücklicher Weise, nicht die Flüchtlinge mit den Terroristen gleichzusetzen, was vom Münchener Publikum mit viel Beifall quittiert wird. Fish lebt seine Songs, er singt sie nicht nur. Die Texte von ihm sind überaus hörenswert und sehr gut gemacht. „Family Business“ beschreibt auf recht eindringliche Weise die Automatismen, die bisweilen hinter der Fassade mancher so genannter „gut bürgerlichen“ Haushalte ablaufen.
Jetzt kündigt er an, eine Zeitmaschine mitgebracht zu haben. Der Bauch würde nun kleiner, die Männerbrüste bilden sich zurück und die Haare beginnen wieder zu wachsen. Er bringt dies so urig vor, dass ein Großteil der Männer im Publikum in lautes Gelächter ausbricht. Die Herrschaften mit Glatze bekommen auch ihr Fett weg. Er bescheinigt ihnen und auch sich selbst, das sogenannte „Shining“ zu haben… Das Highlight des Abends beginnt: Misplaced Childhood wird aufgetischt! Bei einem Spitzensound von Fishs phänomenaler Band beginnt das dunkle „Pseudo Silk Kimono“, das von den meisten Anwesenden lautstark mitgesungen wird. Das anschließende „Kayleigh“ zeigt einmal mehr, dass dies wohl auf alle Zeiten Marillions kommerziell erfolgreichster und beliebtester Song bleiben wird. Stimmlich muss man hier Abstriche machen, aber insgesamt geht die Gesangsleistung in Ordnung.
Das komplette Album wird mit vereinzelten Hintergrundprojektionen untermalt, die auf die jeweiligen Songs abgestimmt sind. Dies passt immer sehr gut zusammen und unterstreicht die textliche Aussagekraft der Lieder. Über Misplaced Childhood muss nicht mehr viel gesagt werden, das Album ist ein Klassiker schlechthin. Nach dem letzten Song des Albums White Feather geht Fish unter großem Jubel der begeisterten Fans von der Bühne. Ohne Zugabe lässt ihn das Publikum natürlich nicht in den verdienten Feierabend gehen. Er betritt mit der obligatorischen Weißweinflasche in der Hand und dem Hinweis, dass es jetzt „Wine O’ Clock“ sei, die Bühne. „Market Square Heroes“ und die Feier- und Saufhymne „The Company“ bilden nach fast zwei Stunden einen harmonischen und äußerst stimmigen Abschluss eines sehr guten Konzerts, das fast keine Wünsche offen gelassen hat. Die Münchener verabschieden ihn euphorisch, er kündigt noch auf der Bühne seine nächste Tour für das Jahr 2017 an.
Ich fand den Auftritt nach anfänglichen gesanglichen Schwächen sehr gut. Fish ist immer noch mit Feuer und Flamme dabei und denkt gar nicht daran, in Altersmilde zu verfallen. Ein großes Lob geht noch an die Vorband Lazuli, die mit ihrer sehr originellen Musik ebenfalls sehr viel Spaß gemacht haben.
Setlist Fish:
Pipeline
Feast of Consequences
Family Business
The Perception of Johnny Punter
Pseudo Silk Kimono
Kayleigh
Lavender
Bitter Suite
Heart of Lothian
Waterhole (Expresso Bongo)
Lords of the Backstage
Blind Curve
Childhood's End?
White Feather
Market Square Heroes
The Company
Stefan Graßl
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