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Info
Zeit: 18.02.2015
Ort: Stuttgart - Schleyerhalle
Internet:
http://www.enniomorricone.org
https://www.facebook.com/maestroenniomorricone
Ennio Morricone, der mittlerweile 86 Jahre alt ist, hat für über 500 Filme die Musik komponiert. Bereits im vergangenen Jahr hat er angekündigt, zusammen mit einem kompletten Orchester seine bekanntesten Kompositionen live auf die Bühne zu bringen - mit sich selbst als Dirigent. Aufgrund von Rückenproblemen mussten die Konzerte auf dieses Jahr verschoben werden.
Bereits auf der Hinfahrt macht der Radiosender SWR 1, der das Konzert präsentiert, Werbung für das Konzert mit Melodien vom Film „Nobody“ oder „Spiel mir das Lied vom Tod“. Es erfolgt der Hinweis, dass es noch Restkarten an der Abendkasse gibt. Das Publikum ist an diesem Abend bunt gemischt. Es sitzen Anzugträger neben Rockfans mit Bandshirts sowie Frauen mit elegantem Abendkleid. Am Merchandising-Stand gibt es auch heute Shirts mit Fotos von Ennio Morricone auf der Vorderseite, etliche CDs und DVDs.
Die Halle ist nicht ausverkauft, teilweise sind von den oberen Rängen ganze Reihen noch leer. Fast pünktlich um 20 Uhr kommen die Musiker des tschechischen nationalen Sinfonieorchesters unter dem Beifall des Stuttgarter Publikums auf die Bühne. Ganz zum Schluss kommt mit schnellen Schritten und aufrechtem Gang der Maestro himself auf die Bühne und der Beifall wird noch lauter. Er verbeugt sich in Richtung Publikum und legt ohne Umschweife los. Sein Alter merkt man ihm zu keiner Sekunde an. Er dirigiert mit einer Wucht und Energie, dass es schier unglaublich ist. Das Orchester spielt hervorragend, es macht von der ersten Sekunde an Spaß, dabei zu sein.
Was ich allerdings auch ziemlich schnell merke: Ich kenne bei weitem nicht alle Filme, für die Mr. Morricone den Soundtrack geschrieben hat. Und das geht auch einem Großteil des Publikums so. Die meisten lauschen andächtig den einzelnen Stücken, wissen aber zum Großteil nicht, um welchen Film es sich dabei handelt. Und hier setzt meine Hauptkritik des Abends an: Ennio Morricone spricht kein Wort zum Publikum. Vor Beginn des Konzerts wird man von einem Ansager begrüßt und eingeladen, einen „wunderschönen musikalischen Abend“ zu verbringen. Ich finde es sehr schade, dass nicht vor den einzelnen Kompositionen zumindest der Hinweis kommt, von welchem Film dieses Stück stammt. Außerdem hätte ein Mann wie Ennio Morricone sicher die eine oder andere Anekdote zu erzählen gehabt.
Das Konzert hat dann jedoch eher den Charakter eines Ramones-Auftritts. Auch hier wurde ohne Ansagen ein Song nach dem anderen ins Publikum geprügelt. Das hat auch seinen Reiz - ich hätte es mir jedoch ein bisschen anders vorgestellt. Musikalisch gibt es an dem ganzen Abend nichts auszusetzen. Die Bühne ist schlicht, jedoch dem Anlass entsprechend gestaltet. Im Mittelpunkt steht ganz klar Ennio Morricone, der ständig von einer Kamera gefilmt und auf den Leinwänden wiedergegeben wird. Auch die Solisten werden je nach Stück gefilmt, sodass ein schöner Eindruck über die jeweiligen Instrumentalpassagen entsteht. Der Sound ist glasklar und von der Lautstärke her optimal ausgesteuert. Das Orchester spielt sehr engagiert und setzt die Vorgaben von Mr. Morricone optimal um. Wenn man den Kompositionen bewusst zuhört, merkt man erst, welch ein genialer Komponist dieser Mann überhaupt ist. Nach der ersten Hälfte wird Ennio Morricone mit „Standing Ovations“ des Stuttgarter Publikums in die Pause verabschiedet.
Die zweite Hälfte gestaltet sich ebenso wie die erste. Es reiht sich Titel an Titel, ohne Ansage oder Hinweis auf den dazugehörigen Film. Die Highlights des Abends sind für mich die Songs die ich am besten kenne: „Es war einmal in Amerika“ und dann natürlich die Western-Themen wie „Once Upon A Time In The West“ und natürlich das legendäre „The Good, The Bad And The Ugly“. Die Filme sind Legende - und die Musik hat einen Großteil zu der Legendenbildung beigetragen. „The Ecstasy Of Gold“ katapultiert mich sofort zurück zu meinem ersten Metallica-Konzert ins Ferropolis nach Gräfenhainichen, bei dem dieser Song als Intro verwendet wurde. Bei diesem Song und bei „Once Upon A Time In The West“ singt eine Sopranistin so ergreifend, dass es mir sämtliche Nackenhaare stellt. Die Musik auf CD zu hören ist noch einmal etwas ganz anderes, als live.
Nach satten zwei Stunden verlässt Morricone die Bühne, um sich drei Mal zu einer Zugabe zurück bitten zu lassen. Schade ist, dass er hier drei Stücke nimmt, die bereits gespielt wurden. So hört man sämtliche Zugaben ein zweites Mal. Wenn man bedenkt, auf wie viele Filmsongs er zurückgreifen könnte, ist das schon ein bisschen schade.
Mit gewaltigem Applaus verlassen er und sein Orchester die Bühne. Jetzt zeigt er einmal kurz ein Lächeln, verlässt dann aber mit schnellen Schritten die Bühne. Insgesamt war es musikalisch ein ganz besonderes Konzert und auch anlässlich des Alters von Herrn Morricone eine tolle Leistung. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass er zu den einzelnen Stücken zumindest die Titel angesagt hätte. Eine weitere Alternative wäre gewesen, den Titel plus den dazugehörigen Film kurz einzublenden. Wer sich an dem Abend hauptsächlich auf die Western-Highlights eingestellt hat, wurde sicher enttäuscht. Wer einen soliden Überblick über die ganze Bandbreite des Schaffens von Ennio Morricone erwartet hat, kam voll auf seine Kosten.
Programm:
The Untouchables
Deborah's Theme
Poverty
Once Upon a Time in America
Legend of 1900
H2S
The Sicilian Clan
Metti una sera a cena
Uno che grida amore
Come Maddalena
The Good, the Bad and the Ugly
Once Upon a Time in the West
A Fistful of Dynamite
The Ecstasy of Gold
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Chi mai
Cinema Paradiso
Malena
The Battle of Algiers
Investigation of a Citizen Above Suspicion
Sostiene Pereira
La classe operaia va in paradiso
Casualties of War
Abolisson
Gabriel's Oboe
Falls
On Earth as It Is in Heaven
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Chi mai
The Ecstasy of Gold
On Earth as It Is in Heaven
Stefan Graßl
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