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Zeit: 17.09.2004
Interview: Telefon
Stil: Alle
Internet:
http://www.novatune.de
NovaTune ist nicht nur eines der ersten Fair-Trade Labels in Deutschland, das es sich zum Ziel gemacht hat, Tonträger zu moderaten Preisen zu verkaufen und dabei auch noch ein gutes Stück auf den Künstler zuzugehen, sondern auch Mitbegründer des inzwischen gestarteten Fair-Trade-Music-Networks. Wir sprachen mit Labelchef Christian Wirsig.
MAS
Seit März diesen Jahres ist NovaTune mit seiner Fair-Trade-Methode inzwischen auf dem Markt - wie läuft's bisher?
Christian Wirsig:
Es geht - es gibt natürlich die üblichen Anlaufschwierigkeiten, aber die Hörer und Musiker, die davon wissen, finden es alle sehr gut. Vor allem natürlich die Musiker, die sonst kaum eine Möglichkeit haben ihre Sachen zu veröffentlichen. Major Labels haben wenig Lust Musik abseits des Mainstream zu veröffentlichen, und da kommen wir ins Spiel. Wir verstehen uns als Künstlerlabel - der Künstler trägt einen Teil der Vorlaufkosten mit und hat dafür alle Freiheiten und bekomment 50% vom Gewinn.
MAS
Während die Plattenindustrie die Preise immer weiter anhebt schafft es NovaTune konstant bei 10 € für ein Album zu bleiben - fast die Hälfte eines Major-Albums. Wie genau wird das erreicht?
Christian Wirsig:
Das wird im Grunde durch die On-Demand-Produktion erreicht. Dadurch, dass wir keine CD's in 100er- oder 1000er-Stückzahlen vorproduzieren und pressen lassen, sondern mit Kopierstation und Digitaldruck selbst produzieren sobald bestellt wird, haben wir kein Lager und keine so große Infrastruktur. Die Herstellung eines einzelnen Albums ist so zwar etwas teurer als bei einer Pressung von 1000 Stück, aber im Endeffekt eben doch wieder günstiger. Wenn man bedenkt, dass Major Labels mit ihren riesigen Auflagen noch weniger Geld für eine Einzel-CD ausgeben müssen, die dann für 15 oder 16 Euro in die Läden kommt, und dass bei uns trotzdem noch mehr für den Künstler rauskommt, dann ist das natürlich ein Vorteil.
MAS
Wenn die Lösung so einfach ist, warum wird sie dann nicht von allen Labels genutzt?
Christian Wirsig:
Große Labels könnten natürlich auch so verfahren, aber bei denen hängt noch viel mehr Logistik mit dran. Es gibt da viel mehr Leute, die an einem Produkt mitverdienen wollen. Wir machen beispielsweise den Vertrieb selbst - für uns kommt zwar durch die 50:50-Verteilung des Gewinns letztlich weniger raus als bei anderen Firmen, aber ich denke das ist auch in Ordnung so. Der Musiker ist schließlich das wichtigste Glied in der Kette, ohne ihn gäbe es auch keine CD's. Da soll er auch ruhig am besten bezahlt werden.
MAS
Die BMG hat vor ein paar Wochen ein neues Preissystem vorgestellt, bei dem Musikalben in drei Versionen veröffentlicht werden. Glaubst du, dass dieses System Zukunft haben wird?
Christian Wirsig:
Ich bin mir nicht so sicher. Das System an sich ist sicherlich ein ganz guter Schritt, wenn ein Big Player wie BMG anfängt, auch günstige CD's auf den Markt zu bringen. Dass da nicht einmal ein Booklet dabei ist finde ich allerdings quatsch. Selbst wir können bei einem 10-Euro-Album ein vierseitiges Booklet mitliefern, da wird das bei den Stückzahlen, in denen BMG produziert, erst Recht möglich sein. Ob hingegen die Luxus-Versionen für 18 oder 19 Euro ankommen weiß ich auch nicht so genau, da die Käufer ja auf derartig teure CD's überhaupt nicht scharf sind. Ich glaube BMG spekuliert da ein wenig auf die richtigen Fans, die sich eventuell alle drei Versionen kaufen. Ob ein Händler wie Media Markt seine Auslage vergrößert, nur weil drei Versionen erscheinen, ist natürlich auch fraglich.
MAS
Zur Zeit veröffentlicht NovaTune hauptsächlich unbekannte Musiker und Bands. Wäre es überhaupt machbar auch größere Acts zu betreuen?
Christian Wirsig:
Es wäre zum Teil sicherlich machbar. Natürlich müsste bei uns einiges erweitert werden wenn ein großer Act kommt, was aber dann auch möglich wäre. Natürlich sind solche Bands in der Regel an andere Labels gebunden, aber wir sind zunächst mal für alles offen, auch für größere Bands.
MAS
NovaTune veröffentlicht alle Bewerber, deren Produkte ein gewisses Minimum an Qualität bieten - keine Angst, dass das Label so den Ruf erhalten könnte ausschließlich musikalisch minderwertige Alben im Programm zu haben?
Christian Wirsig:
Dem muss man Vorbeugen, indem man verhindert, dass solche Alben in das Programm kommen. Es wird schon aussortiert, aber die Sachen, die wir in der ersten Zeit so bekommen haben, hatten durchweg einen gewissen Standard. Es soll ja auch so sein, dass eine Vielfalt gewahrt wird - sofern ein gewisser Produktionsstandard also vorhanden ist, ganz abgesehen vom persönlichen Geschmack, soll ein Album auch veröffentlicht werden. Wir haben auch nur ein-Jahres-Verträge mit den Künstlern - wenn man innerhalb dieser Zeit bemerkt, dass es so nicht läuft, ist die Zusammenarbeit also relativ schnell wieder kündbar.
MAS
Wie viele Bewerbungen bekommt ihr etwa und wieviele werden letztlich angenommen?
Christian Wirsig:
Zur Zeit bekommen wir monatlich etwa sechs bis sieben CD's, die eigentlich auch fast alle veröffentlicht werden. Im Moment ist der Standard von dem, was bei uns ankommt, noch sehr hoch. Sicherlich liegt das auch mit daran, dass die Musiker wissen, dass sie sich an den Kosten mit beteiligen müssen, und ein Künstler, der bemerkt, dass es bei ihm noch nicht reicht, sich gar nicht erst bewirbt.
MAS
Aufnahme und Produktion sind zur Zeit den Künstlern überlassen, während andere Labels häufig eine Rundum-Betreuung bieten. Wird sich in dem Bereich mittelfristig noch etwas ändern?
Christian Wirsig:
Es wird sich dadurch etwas ändern, dass wir demnächst mit anderen Labels ein Partnernetzwerk gründen, das sich Fair-Trade-Music-Network nennen wird. Da wird es auch Labels geben, die ein eigenes Studio haben und auch die Möglichkeit bieten, ihre Technik durch Partnerlabels nutzen zu lassen. Ansonsten ist es so, dass gerade im elektronischen Bereich viele Künstler inzwischen Heim- oder Projektstudios haben und da eigentlich ganz gut produzieren können. Im Rockbereich sieht's dann schon ein bisschen anders aus, da gerade für Gesangsaufnahmen ein professionelles Studio benötigt wird. Da wird es dann innerhalb des Netzwerks Lösungen geben.
MAS
Ist das auch der Grund, weshalb ihr bisher nur relativ wenig Rock-Acts im Programm habt?
Christian Wirsig:
Ich denk schon - die Rock-Produktionen, die wir bisher bekommen haben, sind eigentlich auch die, die im Programm sind (lacht). Also im Rockbereich ist es mit den Demos bisher sehr spärlich gesät, was vielleicht auch daran liegt, dass Rockbands häufig nicht die Möglichkeit haben, Studioaufnahmen zu machen.
MAS
Wer wird alles bei diesem Fair-Trade Netzwerk mitwirken und was genau sind die Ziele eines solchen Zusammenschlusses?
Christian Wirsig:
Es wird zunächst ein Netzwerk als loser Zusammenschluss, später vielleicht auch als offizieller Verband von fairen Labels gegründet. Andere Musikunternehmen wie etwa Booking Agenturen können da aber ebenso mitmachen. Ziel ist es, dass Fair-Trade Standards im Musikbusiness eingeführt und angewandt werden. Es wird auch einen Partnervertrag geben, in dem die Labels z.B. unterschreiben, dass die Künstler eine höhere Gewinnbeteiligung von mindestens 35% bekommen, dass CD's nicht über einen bestimmten Höchstpreis verkauft werden, und dass künstlerische Freiheit herrscht. Mitmachen werden zum Einen wir von NovaTune, wir erledigen dann auch den Vertrieb von den Labels, die keinen eigenen Vertrieb haben. Außerdem Orca Records aus Nürnberg, die eher im Dance-Bereich tätig sind. Das ist das Label von Andreas Wiedel, der bei Ravers Unit ist, die zu den Love Parade Hochzeiten im Technobereich sehr aktiv waren. Es wird auch Trostlos Records mit dabei sein und wahrscheinlich NovaTune aus Amerika. Es soll also auch ein internationales Gütesiegel werden.
MAS
Hast du persönliche Lieblinge im Programm des Labels?
Christian Wirsig:
Eigentlich bin ich mit allen ganz zufrieden, sonst hätte ich sie ja nicht bei NovaTune aufgenommen. Absolute Lieblinge sind die neue Harald Nies - "Space Is Everywhere", ein klassisch-elektronisches Album mit etwas Gitarre, so zwischen Pink Floyd und Tangerine Dream. Außerdem Atumn - "Sulamith and Maria" (Neo-Klassik mit Dark Wave Elementen, etwas düster und vielleicht für manchen gewöhnungsbedüftig), und Lounge natürlich, wo Darren Huss von Psyche singt. Psyche waren in den 80ern im Gothic- und Elektrobereich sehr bekannt.
Aber generell habe ich einen sehr breiten Musikgeschmack, was sich eben auch in dem Label widerspiegelt. Ich höre alle unsere Veröffentlichungen, je nach Stimmung sowohl die World Music Alben wie Headroom Project oder touchingGrace, oder auch die elektronischen Sachen.
MAS
Vielleicht möchtest du uns einen kurzen Überblick geben, welche Veröffentlichungen uns demnächst bei NovaTune erwarten.
Christian Wirsig:
Es wird auf jeden Fall von Virtual Conformity eine neue EP geben, die hatten ja schon ganz zu Anfang eine. Außerdem eine Soloplatte vom Psyche-Keyboarder und eine Art Best-of namens Void Logic mit älteren und neueren Songs von Stephen Huss, dem Bruder von Darren Huss. Im Vertrieb wird auch noch einiges kommen, z.B. verschiedene Dance-Veröffentlichungen von Orca Records. Ich hoffe mal, dass auch der Rockbereich irgendwann besser besetzt wird.
Hendrik Stahl
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