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"... und es ging los mit Motörhead." steht auf Seite 91. Keine Frage, obwohl er der identitätsstiftende Kopf einer der dienstältesten Metal-Bands überhaupt ist, gibt es eine lesenswerte Geschichte von Lemmy Kilmister bereits vor seinem Start mit dem lautesten Trio der Welt. Neben eher sekundären Bands wie den Rocking Vicars kommen dabei die Spacerock-Kings Hawkwind ins Bild, bei denen Lemmy als Roadie begann, um später einen Track für die Legende zu schreiben, der sein weiteres Leben definieren soll. Das Stück hieß "Motörhead".
Um dieses Pensum zu volbringen bedarf es eines weit zurückliegenden Geburtsdatums. Und wer genau nachrechnet, stellt fest, dass Lemmy es am Heiligen Abend des kommenden Jahres tatsächlich geschafft haben wird, seine Pubertät künstlerisch bis zum 60. Geburtstag auszudehnen. Dabei dürfte er der erste Metalhead sein, der dieses Alter auf der Bühne erreicht, ein Privileg, das bislang den Blueser und Jazzern vorbehalten zu sein schien.
Viel Neues bringt White Line Fever im Grunde nicht. Dass Motörhead seit 30 Jahren unbeeinderuckt von aktuellen Trends und eigenen Verkaufszahlen ein Album nach dem anderen an den Start bringen, ist lange bekannt. Dass sich Lemmy (angeblich) vorwiegend von Whiskey, Drogen und Groupies ernährt, ist auch ein eher offenes Geheimnis. Aufhorchen lassen eher Lemmys oft recht rüde Ansichten über Erziehung und Politik. Aber political correctness hat von ihm wohl eh niemand erwartet. Enttäuscht hat mich dabei oft die Oberflächlichkeit, mit der er im Stammtischjargon argumentiert. In verschiedenen Interviews hatte er in der letzten Zeit einen erheblich intelligenteren Eindruck hinterlassen. White Line Fever hinterlässt - bis hin zum Titel - den Eindruck, dass er sein oft provozierend aufgebautes Image ernst nimmt. Schade!
Auf eine besondere literarische Verarbeitung oder eine Analyse der Zeitgeschichte des "Pop-Jahrunderts" sollte man nicht rechnen. Lemmy redet, wie ihm der Mund gewachsen ist. Ob ein Ereignis wichtig genug ist, um es erwähnen, oder gar ausführlich zu erzählen, ist offenkundig nicht das Ergebnis langer Reflektion, sondern schlicht darin begründet, ob sich Lemmy gern - oder ungern - daran erinnert. White Line Fever liest sich wie ein stundenlanger Monolog an der Theke, in dem ein (in diesem Fall tatsächlich berühmter) Rockstar Anekdoten aus seinem Leben erzählt. Wem das reicht - und das dürften viele Motörhead-Fans sein -, der liegt mit dieser sehr selektiven Autobiographie völlig richtig. Er erfährt vieles aus den psychedelischen 70's, und den metallsichen 80ern - immer aus der Perspektive eines Betroffenen, der sich nicht
sonderlich um Objektivität bemüht, sondern das Fett verteilt, wie er es für richtig hält.
Stellt euch also eine Kiste Bier und 'ne Flasche Whiskey zurecht und freut Euch auf einen langen Abend mit Lemmy am Thresen. Und lasst Euch nicht von der lausigen Übersetzung stören, der es nur selten gelingt englische Standardformulierung ("There was this guy...") in auch im Deutschen gebräuchliche Formulierungen umzuformen.
Lemmy Kilmister
White Line Fever - Die Autobiographie
mit Janiss Garza
Deutsch von Klaas Ilse
ISBN 3-931624-25-0
272 Seiten (davon 16 vierfarbige Fotoseiten)
I.P.Verlag Jeske/ Mader GbR
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Norbert von Fransecky
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