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„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Mit diesem Artikel 2,2 stellt das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland mit seiner Inkraftsetzung am 24. Mai 1949 die juristische Gleichheit von Mann und Frau grundsätzlich fest.
Jedenfalls im Prinzip. Denn neben der alltäglichen gesellschaftlichen Realität, die diesem Anspruch noch lange nicht genügte, gab es auch noch reichlich gesetzliche Regelungen, die der Frau deutlich geringere Rechte zubilligte, als Männern. Vieles davon ist im Laufe der Jahre gefallen. Der Name der Frau darf Familienname werden. Frauen dürfen der BRD mit der Waffe in der Hand dienen. Sie brauchen keine Genehmigung ihres Ehemannes mehr, wenn sie einen Arbeitsvertrag unterschreiben. Dafür dürfen Männer in den „Mutter“schutz gehen.
Es hat sich manches getan. Genau genommen war Artikel 2,2 1949 keine Realitätsfeststellung, sondern ein Anspruch, den die junge Republik an sich selbst stellte und den sie von Jahr zu Jahr konsequenter umsetzt. Es hat sich einiges getan im Lande. Als die im westfälischen Münster aufgewachsene Tanita Tikaram am 10. Oktober 1988 ihre Single „Twist in my Sobriety“ vom Debütalbum Ancient Heart veröffentlichte, war die Vorstellung einer Bundeskanzlerin oder einer Verteidigungsministerin pure Science Fiction. Selbst Schulleiterinnen, Pastorinnen, Filialleiterinnen und ähnliche waren bemerkenswerte Ausnahmen.
Dass bis heute noch nicht alles in Butter ist, zeigt die Erwähnung des Geschlechts, wenn Frauen hohe Ämter übernehmen. Als Lothar de Maizere Verteidigungsminister wurde, hat nicht eine Zeitung erwähnt, dass er ein Mann ist. Als Ursula von der Leyen zur Oberbefehlshaberin der deutschen Streitkräfte ernannt wurde, war die Top-Meldung die, dass eine Frau dieses Amt übernimmt. Allein diese Tatsache macht deutlich, dass es eine echte Gleichstellung der Geschlechter noch lange nicht gibt.
Man gewinnt manchmal den Eindruck: je wichtiger ein Gremium ist, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass dort eine angemessene Anzahl von Frauen involviert ist. So gesehen, müsste die MAS-Redaktion eine der wichtigsten Einrichtungen der Welt sein. Seit sich unsere Übersetzerin Karin Schultz verabschiedet hat, sind wir maskuliner als der Vatikan, der immerhin noch Nonnen in dienenden Funktionen kennt. Wir allerdings weisen jeden Sexismus entschieden zurück und rufen alle(!) Frauen der Welt auf, bei uns mitzuarbeiten.
Aber wir sind nur ein kleines Phänomen in einem großen Haifischbecken, in dem es (noch langsamer als in der Bundesrepublik) etwas besser aussieht. Wie deutlich die Benachteiligung von Frauen gerade im Musikgeschäft ist, hat Lucy O’Brien im vergangenen Jahr in der überarbeiteten dritten Auflage ihrer „definitiven Geschichte von Frauen in der Popularmusik“ She Bop dargestellt. Als eines der positiven Beispiele ist dort natürlich auch Tanita Tikaram erwähnt, die es geschafft hat als Interpretin, Texterin und Autorin so ernst genommen zu werden, dass der Produzent ihres Debüts neben ihr kaum Erwähnung fand. Und das war mit Rod Argent alles andere als ein No Name.
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