Artikel
Info
Zeit: 20.11.2013
Ort: Emailinterview
Interview: E-Mail
Stil: Artrock / Art Metal
Internet:
http://www.kitshickers.org/‎
https://de-de.facebook.com/kitshickers‎
kitshickers.bandcamp.com
Mein erstes Kitshickers Album war eigentich bereits Ihr Viertes und begeisterte mich seinerzeit vor Allem mit seinem Gesamtkonzept. .....tht´s the miracle of Life.... botüber eine Stunde sehr raue und streckenweise metallisch harte Rockmusik in einem epischen Konzeptrahmen, der nebenbei noch viele andere Musikstile wie Jazz, Pop und andere mitverarbeitete. Und das Album der sympathischen Luxemburger steckte in einem schön gezeichneten Cover und zusätzlich ergaben die Songtitel aneinander gereiht eine Quasizusammenfassung des Thema als kompletten Satz.
Den großen Durchbruch konnte die engagierte Band leider nicht mit dm Album landen und so entging mir Ihr drei Jahre später erscheinendes Folgewerk, welches das Konzept weiterverfolgte aber in ein weitaus bombastischeres, klanglich besseres und noch vielfältigeres Gewand steckte. (Eine Review zu The Orion Contallation wird in der nächsten Ausgabe folgen). Das dieses Album so unterging lag wohl am eingeschalteten Vertrieb, welcher sich nicht wirklich oder richtig um das Album kümmerte. Deshalb übernahm die Band dies für das neue Album, welches vor allem als Doppelalbum auf Vinyl erscheint (aber auch Downoad) wieder komplett selbst. Als ich die Nachfrage erhielt ob wir über das neue Album berichten wollen war die Antwort also für mich klar und es war ein Vergnügen, die neue Scheibe zu hören und wieder mit der Band zu kommunizieren.
Dabei entsand dann auch folgendes Interview.
Wolfgang Kabsch: Erst einmal Gratulation zum neuen Mammutwerk Horror Vacui. Da mir Euer zwischenzeitlich erschienenes Werk The Orion Constallation entgangen war, ist das neue Album für mich ein wirklicher Quantensprug. Schon Euer Album „…..so that´s the miricale of life….“ war ja bombastisch und episch, doch Euer neues Album erfüllt wirklich den Herzenswunsch eines jeden Artrock Fans mit Hang zum Metal und Symphonischen. Da kann ich nur gratulieren. Wie habt Ihr vor allem diesen grandiosen Sprung in der Klangqualität und Produktion bewerkstelligt?
Gilles Heinish (Kitshickers): Danke für das Kompliment. Das freut uns natürlich, dass es gefällt. Tatsächlich war es so dass unser damaliger Verleger der Schiebe „The Orion Constellation“ nicht wirklich viel Wert auf die Promo legte, und wenn unser neues Album Horror Vacui dann vorliegt erscheint es einem wie ein Quantensprung. Nun ja es sind ja auch seitdem einige Jahre vergangen. Wir begannen an Horror Vacui Ende 2009 zu schreiben. Zwischenzeitlich haben wir aber auch einige kleine Pausen einlegen müssen (Babypausen und Proberaum bauen), wir haben aber versucht uns so oft nur irgendwie möglich zum Komponieren und Proben zu treffen um eben an einem neuen Album zu arbeiten. So wie wir als Mensch wachsen und reifen, so wächst auch unser Songwriting mit uns, aber auch unser Umfeld. Wir arbeiten seit einigen Jahren mit dem gleichen Tontechniker Charel Stoltz und seinem Holtz Studio zusammen. Auch er ist mit der Band gewachsen. Wo „so that’s the miracle of life“ noch in einem Amateur-Studio mit einem schon in seinem Fach sehr gutem Azubi aufgenommen wurde, wurde indessen Horror Vacui in Charel’s neuem voll ausgestattetem Profi-Studio aufgenommen. Außerdem hatte unser Tonmann erfolgreich seine Ausbildung zum Tontechniker absolviert und so einiges mehr an Fachwissen aus London mit im Gepäck.
Womöglich, oder sogar sicherlich, hat auch das Tuning der Saiteninstrumente die Produktion beeinflusst, denn das neue Album ist exklusiv in Dropped C aufgenommen und die Drums sind auch etwas tiefer gestimmt. Dies bringt natürlich sofort eine klangliche Veränderung mit sich, das ganze klingt einfach dann auch etwas brachialer.
Das Album wurde außerdem von James Plotkin (Gitarrist und Mitgründer von Khanate) gemastered. James Plotkin ist bekannt durch seine Arbeit mit Künstlern wie Isis, Pelican, Sunn O))), Earth und durch seiner Zusammenarbeit mit Mike Pattons Label Ipecac Records oder auch Hydra Head. Er verlieh dem Album den letzten Schliff.
Für uns ist „Horror Vacui“ aber einfach die logische Folge in unserem kreativen Prozess, wir haben uns jetzt nicht besonders vorgenommen ein episches Album zu schreiben, wir versuchen halt nur das Beste zu geben und immer wieder neue Sachen auszuprobieren und experimentierfreudig zu bleiben.
WK: Die Songtitel sind wieder Mal sehr kryptisch, und Gesang gibt es wenig. Trotzdem verfolgtet Ihr ja immer neben den klanglichen auch ein inhaltliches Konzept. Welches ist es diesmal?
GH: Das stimmt. Der Gesang ist im großen Ganzen dem Einsatz von Sprachsamples gewichen. Dies auch weil ich mich voll und ganz auf mein Instrument konzentrieren wollte. Was das Konzept angeht ist es so, dass wir seit unserem ersten Album (Mental Rape – 1999), ein Geschichte anhand der Cover schreiben, seit „so that’s the miracle of life – 2006“ regelrechte Konzeptalben. Unser Protagonist, ein hermapohroditer Außerirdischer, befindet sich seit 1999 auf einer Reise und ist mit „The Orion C7onstellation – 2008“ an einem wichtigen Ort (Shangri-La) angekommen - um zu sich zu finden und sich viele Fragen zu stellen. Auf dem aktuellen Album ist das Thema der Songtitel auf das Konzept „der Angst vor der Leere, der Ziffer Null, dem Nichts“ eben Horror Vacui bezogen. So haben (fast) alle Songs irgendeine Beziehung zu der Ziffer Null oder dem Nichts (außer -231.15K, welches 42° C sind.....42 halt....wichtige Zahl um das Universum zu verstehen ;)). Unser Protagonist überwindet diese Angst vor der Leere und wagt seine meditative Reise und das bewusste Infragestellen. Dies spiegelt sich natürlich auch in den Sprachsamples wieder. Der Zuhörer soll genießen können, soll aber auch angeregt werden nicht alles was um uns herum passiert so zu nehmen wie es ist, oder Angst vor der Veränderung zu haben. Es gibt also für den Zuhörer auch in den Songtitel so einiges zu entdecken. Einfach mal etwas durch die Bibliothek oder das Netz browsen.
WK: Die letzten beiden Scheiben grenzen sich in Klang, Wucht und auch Instrumentierung schon deutlich von den Vorgängern ab. Gab es Wechsel in der Band die dazu führten oder andere Gründe?
GH: Unsere ersten Scheiben waren mehr in der Rechnung Punk/Grunge angesiedelt, obwohl wir immer einen Hang zu alternativen Riffs mit einbrachten. 2005 kam es zu einem Wechsel der Rhythmussektion (Drums & Bass) und beide waren genau das was die Band brauchte. Auch wenn wir uns ganz und gar nicht der Produktion der vorhergegangen Alben schämen, so hat die Band ihre wahre Identität erst mit dem Lineup-Wechsel gefunden. Natürlich fließen auch immer persönliche Erfahrungen und Ereignisse mit in den Prozess des Komponierens hinein, so dass ein jeder etwas aus seinem eigenen Leben mit in den Liedern verarbeitet oder sagen will...und dies beeinflusst dann auch Klang, Wucht und Instrumentierung der einzelnen Songs. Außerdem proben wir seit 2010 in unserem, in Eigenregie, von Hand gebautem Proberaum, einen Ort wo wir uns jederzeit zurückziehen können, der uns alleine gehört und, es scheint so, einfach ein sehr gutes Karma hat.
WK: Ihr habt auf Euren Alben immer eine Vielzahl von Stücken (diesmal sind es 19), doch an sich ergeben sich daraus nur einige Suiten die wiederum genauso genommen nur ein Stück, ein Werk ergeben. Entstehen die Stücke tatsächlich einzeln oder unterteilt Ihr die Suiten später in die einzelnen Teile?
vlnr.: Boris Schiertz, Nelson Curado, Pol Lies , Gilles Heinisch |
GH: Unsere Art zu schreiben kann man mit den Jam-Bands der 70er Jahre vergleichen. Wir lassen einfach etwas aus dem Nichts entstehen und lassen uns von der Melodie und unseren Instrumenten tragen und leiten. Wir nehmen eigentlich fast jede Probe auf, so, dass wir zu einem späteren Moment die guten Ideen herausfiltern können und daran arbeiten. So sind aber auch schon Songs von 20 Minuten oder mehr entstanden, die bei der ersten Jam eigentlich schon fast perfekt waren, manchmal unterteilen wir diese dann in einzelne Stücke. Die Songs entstehen größtenteils aber tatsächlich einzeln, was aber auch den Vorteil hat, dass wir bei Konzerten die Reihenfolge etwas ändern können, oder Songs auswechseln können, das ganze dann trotzdem immer noch nach einem einzigen Werk klingt.
WK: Ich kann mir eigentlich kaum vorstellen, das Ihr Eure Stücke lange vorbereitet, an- oder gar durch komponiert und diese dann im Studio nur noch einspielt und verfeinert. Wie entstehen Eure monumentalen Klangwelten wirklich?
GH: Teils, teils. Wir sind eigentlich recht mathematisch was das angeht. Wenn wir eine Jam aufgenommen haben, und gefiltert haben, planen wir doch so einiges durch. Jedoch nicht zu sehr, man will sich ja noch die nötige Freiheit lassen. So entsteht eigentlich ein sehr solides und detailliertes Grundgerüst auf dem wir aufbauen, sowohl live als auch im Studio. Es kann gut sein dass das Endresultat im Studio eine längere Spielzeit hat als eigentlich geplant war, weil es sich halt einfach so ergeben hat. Es mag jetzt überraschen, aber live und um Studio spielt unsere Drummer immer mit einem Click-Track, dies damit unsere Sprachsamples und Lichtshow synchron sind. Wir lassen uns aber die Freiheit die Ende der Songs so offen zu lassen, dass wir uns live auch etwas Platz zum improvisieren lassen, und auf die generelle Stimmung und das Publikum reagieren können.
WK: Erprobt Ihr Euer Material Live und entwickelt es weiter, wie es einst z.B. auch Pink Floyd taten?
GH: Wie schon in der vorhergegangen Frage erwähnt, lassen wir uns den nötigen Spielraum um auch live noch in die Songs eingreifen zu können. So wie die Songs in einer Jam entstehen, so klingen auch einige der epischeren Songs von Konzert zu Konzert anders.
WK: Wie setzt Ihr Euer Material Live um? Arbeitet Ihr mit viel Lightshow oder Projektionen?
GH: Für den Gig auf dem wir das neue Album Live vorgestellt haben, haben wir etwas mehr Aufwand betrieben.
Eine sehr aufwendige Video-Projektion auf 3 Ebenen welche von meinem Bruder Christian Heinisch zusammengestellt wurde. Das ganze Konzert war von Bildern begleitet. Man kann sich davon Ausschnitte unter http://www.youtube.com/watch?v=lNQ3UKmNd4w (ab 12:40min) anschauen. Aber auch bei kleineren Auftritten arbeiten wir gerne mit einer Lightshow, welche wir natürlich zu 100% auf die Musik abgestimmt haben.
WK: Bei der Produktion tauchen Bilder von Adolf Hitler auf. Kannst Du hierzu Stellung beziehen.
GH: Der von dir erwähnte "Hitler" Auszug ist aus Charlie Chaplin's "THE GREAT DICTATOR", für jene die ihn vielleicht noch nicht gesehen haben, eine Satire auf Hitler und den Nationalsozialismus. Charlie Chaplin spielt hier sowohl den Diktator als auch einen jüdischen Friseur. Durch eine Verwechslung steht zum Schluss des Filmes der Friseur vor seinen Truppen und hält eine Rede an das Volk in welcher er an Menschlichkeit und Weltfrieden appeliert.Diese Rede kann mam bei unserem Song -231.15° C hören, eine Rede die wohl von der Message her nicht besser formuliert werden könnte. Die Bilder die man bei unserer Release gesehen hat, sind Auschnitte aus jenem Film.
WK: Ich höre in Euren letzten Alben viel Pink Floyd (vor allen Wish you were here und Animals Phase) oder auch Opeth im Album „…..so that´s the miricale of life….“, im neuem Album wiederum mehr Anathema und vor Allem Godspeed You! Black Emperor. Was sind Euren tatsächlichen Einflüsse.
GH: Damit hast du schon so einige der Künstler erwähnt welche in unserer aller Musik-Sammlungen stehen (bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger ;)). Bands wie Mono oder Mogwai könnte man auch noch erwähnen, aber auch The Ocean, Kyuss, Black Sabbath, ACDC, Baroness, Isis, Clutch, Mastodon, Russian Circles oder Deicide, Pantera, Tool etc.....natürlich auch etwas Jazz oder Swing erklingt dann und wann aus unseren Boxen. Unsere größten Einflüsse sind aber wohl das Leben und wir selbst.
WK: Was sind Eure aktuellen Lieblingskünstler?
GH: Schwierige Frage. Bei mir laufen momentan sehr viele lokale Bands wie „The Majestic Unicorns from Hell“ (sehr geiles Album "Valde Purgamentum"), „Heartbeat Parade“ oder „Mutiny on the Bounty“, aber auch internationale Acts wie The Ocean, Russian Circles oder Isis, Cult of Luna. Ich denke aber, dass ich für jeden aus der Band spreche wenn ich sage, dass wir prinzipiell einfach gerne Musik hören, oft auch etwas ältere Alben und Künstler.
WK:Ihr seit ja Fans des Gesamtkonzeptes und Ihr setzt dementsprechend Eure Musik auch immer in wertigen Formaten in ebensolcher Verpackung um. Aktuell ein erstklassiges Vinyldoppelalbum im Gatefoldcover, beim letzten Album diese wunderbare DVD Box als Träger der CD. Wer gestaltet diese und mit Verlaub, könnt Ihr diesen großen finanziellen Einsatz auch refinanzieren durch die Verkäufe?
Gitarrist Boris Schiertz, Foto © schluck@heavymetal.lu |
WK: Was darf man von Euch demnächst Live erwarten?
GH: Die Cover gehören definitiv zum Gesamtkonzept hinzu. Alle unser Cover werden von „ Gutz“ gutz@pt.lu gezeichnet (per Hand). Er übertrifft sich immer wieder selbst. Auch hat er wieder mal das Thema des neuen Albums perfekt in das Artwork integriert. Denn neben der „Angst vor der Leere“, denn Horror Vacui bezeichnet in der Kunst den Wunsch, alle leeren Flächen, zu füllen, was ihm mit den etlichen Details auf dem Cover wohl gelungen ist.
Wir hatten das Glück, dass wir die neue Scheibe zum Teil über Crowdfunding (Dank unserer Fans) und über einen Zuschuss vom luxemburgischen Kulturministerium finanzieren konnten. Prinzipiell ist es aber so, dass Null von Null aufgeht....so in etwa.
WK: Was unweigerlich zur nächsten Frage führt: könnt Ihr inzwischen von Eurer Kunst Leben?
GH: Leider nicht. Wir gehen alle einer geregelten Arbeit nach. Es ist schwer dieses Genre an Musik an den Mann/die Frau zu bringen, die Songs sind ja nicht unbedingt massentauglich. Natürlich würden wir uns freuen wenn wir durch ein internationales Label und eine Agentur mehr spielen könnten und vielleicht zum Teil davon leben könnten. Aber wir haben zumindest immer genügend in der Bandkasse um neue Alben und Merch zu produzieren oder konnten sogar anhand der Einnahmen durch Urheberrechte unseren eigenen Proberaum bauen...ist doch schon mal was.
Übrigens das neue Album gibt es unter : http://kitshickers.bandcamp.com
GH: Wir versuchen soviel wie möglich Konzerte zu spielen und experimentieren auch immer wieder gerne bei den Konzerten mit Licht und Projektionen. Vielleicht spielen wir auch mal wieder in einem Kino zu einem Film oder so.... Auf Youtube findet man ein paar Videos von dem Release von Horror Vacui.
WK: Kommt Ihr auch endlich mal nach Deutschland? Und wenn, dann wann?
GH: Wir hatten eigentlich vor 2014 eine kleine Deutschlandtour zu machen, gemeinsam mit unseren Freunden von „The Majestic Unicorns from Hell“, es bestehen aber noch keine konkrete Termine. Aber vielleicht findet sich ja unter den Leser von „musik an sich“ der ein oder andere Organisator, Booker oder Band, die uns gerne empfangen würde. Wir sind auch sehr nette und artige Burschen.
Also nochmals: Horror Vacui ist ein wahrer Edelstein der Artrock mit Metaleinflüssen. Es ist für mich ein krönender Abschluss eines musikalisch gesehen sehr starken Jahres 2013. Bleibt zu hoffen, das es endlich den schon lang verdienten Erfolg für die sympathischen Kitshickers gibt.
Foto: De Schluck / Konzept : Kitshickers
Wolfgang Kabsch
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