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Info
Zeit: 09.08.2013
Ort: Frankfurt - Commerzbank-Arena
Internet:
http://www.roger-waters.com
https://www.facebook.com/rogerwaters
Bereits 2011 war Roger Waters, der legendäre Bassist der Band Pink Floyd, mit seinem The Wall-Projekt in den deutschen Hallen unterwegs und erntete überwältigende Kritiken. 2012 kündigte er an, mit The Wall 2013 erneut auf Tour zu gehen. In diesem Jahr fällt die ganze Sache bedeutend größer aus und die Konzerte wurden in Stadien verlegt. Süddeutschland wurde dieses Mal leider komplett ausgespart. Von daher musste der etwas weitere Weg nach Frankfurt in Kauf genommen werden. In der Eintrittskarte zum Konzert ist praktischerweise die Hin- und Rückfahrt zum Stadion inbegriffen. Alles klappt problemlos und innerhalb einer halben Stunde ist man von der Innenstadt an der Commerzbank-Arena angelangt. Etliche Buden verkaufen Essen und Getränke zu humanen Preisen und verdienen sich damit an dem Abend eine goldene Nase. Das Wetter ist super und bietet somit die perfekte Atmosphäre für ein rundum gelungenes Open-Air-Konzert.
Das Konzert beginnt pünktlich um 21 Uhr und es gibt wie auf der Eintrittskarte bereits angekündigt keine Vorband. Bei brachial lautem Sound kommt die Band zu den ersten Tönen von „In The Flesh“ auf die Bühne und entfacht gleich zu Beginn Begeisterung im Publikum. Roger Waters wirkt wie immer topfit und singt glasklar mit einer ausdrucksstarken, druckvollen Stimme. Am Ende des Songs rauscht ein echtes Flugzeug, das vorher über die Plätze im Innenraum fliegt, auf die Bühne und ein wahres Feuerwerk ist die Folge. Bereits die Eröffnungssequenz lässt Großes erahnen. Die Bühne ist links und rechts von einer bereits aufgebauten weißen Mauer flankiert, auf der während der Show Bühnenbilder projektiert werden. Dabei werden die Songs thematisch untermalt und mit teilweise brutalen, aufrüttelnden Szenen unterlegt. Das Konzert ist im Prinzip wie ein Musical aufgebaut und es fällt schwer, sich auf die Musiker zu konzentrieren.
Der komplette Innenraum ist bis auf den hinteren Bereich bestuhlt und so kommt selbst bei „Another Brick In The Wall (Part II)“ nicht die riesige Stimmung auf. Roger Waters animiert das Publikum zwar zum Mitklatschen, was jedoch nicht ganz funktioniert. Dabei wird der aus dem Video bekannte Lehrer von der Bühnendecke herunter gelassen und bewegt sich im Rhythmus zur Musik. „Mother“, das Roger mit einer kleinen Gitarre spielt, wird einmal mehr zum Gänsehautgarant. Die perfekt eingespielte Backing-Band sorgt bei jedem Song für eine absolut perfekte Instrumentierung und Asse wie Gitarrist Snowy White veredeln die Lieder mit entsprechend fesselnden Solos. Roger Waters ist ein sehr politischer Mensch, was er zwischen den Songs immer wieder deutlich macht. Er widmet das Konzert allen politisch und vom Staatsapparat verfolgten Menschen, was einen riesigen Beifall im Stadion auslöst. Es gibt auch Pfiffe, als bei dem Song „Goodbye Blue Sky“ Flugzeuge Bomben in Form von Dollarzeichen, Mc-Donalds-Zeichen und auch dem Mercedes-Stern abwerfen. Doch auch das gehört zur Show - Roger Waters will polarisieren und provozieren. Im Laufe des Konzerts wird die Mauer immer weiter vollendet. Gegen Ende des ersten Sets ist die Mauer komplett zu und man sieht von den Musikern dahinter gar nichts mehr. Das Publikum applaudiert angesichts der fantastischen Leistung der Band und der technisch perfekten Inszenierung der Thematik.
Roger Waters hat die Fans im Vorfeld der Tour aufgefordert, Fotos von im Krieg gefallenen Familienmitgliedern und ein paar Daten dazu zu schicken. Diese Fotos werden in der Pause an die Mauer projektiert und mit sakral anmutender Musik untermalt. Das Ganze ist sehr erschütternd und fast nicht zu ertragen. Ich gehe bewusst raus und decke mich mit Getränken ein. Das zweite Set setzt ein mit „Hey You“ und die Band ist erst einmal nicht zu sehen. Erst gegen Ende des Songs wird ein Stein aus der Mauer entfernt. Der getragene, melancholische Song verfehlt seine Wirkung nicht und das Publikum ist fasziniert und geplättet zugleich. Das fliegende Schwein wird natürlich auch vom Stapel gelassen. Das inzwischen kultig anmutende Ding sorgt für allgemeine Belustigung im Publikum und lockert so die Atmosphäre ein wenig auf. Bei „Nobody Home“ wird aus der Mauer ein Wohnzimmer herausgeklappt. Roger Waters sitzt dabei im Sessel und singt den Song fast komplett im Sitzen. Danach wird das Zimmer wieder hochgeklappt und man kann sehen, dass sämtliche Möbel am Boden angeschraubt sind. „Bring The Boys Back Home“ ist der Song, der aufrüttelt. Im Hintergrund werden Szenen gezeigt, auf denen Kinder ihre aus dem Krieg zurückkehrenden Väter in die Arme schließen. Wenn die Musik nicht spielen würde, könnte man vermutlich eine Stecknadel fallen hören.
„Comfortably Numb“ beendet das Martyrium und die Band fährt vor der Mauer mit Hilfe von hydraulischen Plattformen aus dem Boden. Der Effekt ist der Hammer und sorgt für ein Raunen im Publikum. Das Solo, dass Snowy White und Dave Kilminster hier abliefern, ist einfach nur magisch. Insgesamt wird auch die Färbung der Songs mit „In The Flesh“ wieder etwas positiver. Bei „Run Like Hell“ kommt dann wirklich Stimmung auf. Roger Waters heizt das Publikum an und fordert die Fans auf, aufzustehen und Spaß zu haben. Sicher könnte mehr Stimmung im Publikum sein. Aber die eher melancholische Musik und die beeindruckenden, teilweise bizarren Projektionen sorgen nicht gerade für ausgelassene Feierstimmung. Roger Waters trägt hier seine Uniform, die von Form, Farbe und Symbolik stark an die Nazi-Zeit erinnert. Während des Songs schießt er mit einer Maschinenpistole um sich und man könnte glatt meinen, einen stark durchgeknallten, psychopathischen Diktator vor sich zu haben. „The Trial“ wird mit dem auf den Leinwänden eingeblendeten Richter untermalt. Der ganze Song kommt komplett irre rüber und unterstreicht somit den Text. Zum Schluss wird die Mauer von den Roadies eingerissen. Der Effekt ist klasse und sprichwörtlich hinreißend. Die Band spielt den letzten Song „Outside The Wall“ inmitten der Trümmer. Dabei wird eine Bandvorstellung vorgenommen. Frankfurt applaudiert bei jedem einzelnen Musiker lautstark und sorgt somit für einen bombastischen Ausklang des Spektakels. Roger Waters geht als letzter von der Bühne und bedankt sich herzlich beim Publikum.
Kurz darauf geht das Licht an und das Konzert ist vorbei. Ich bin einfach nur überwältigt und schaffe es in dem Moment nicht, viel über das Konzert zu berichten. Mit ein bisschen Abstand lässt sich sagen, dass es sich bei der The Wall-Darbietung um die perfekte Inszenierung einer Konzeptscheibe handelt. Roger Waters hat das Thema der inneren Zerrissenheit, der Entfremdung eines Stars vom Publikum und eigene Kriegs- und Verlusterfahrungen und Ängste perfekt musikalisch vertont. Die Untermalung mit den Bühnenprojektionen, der Lichtshow und den Gimmicks wie den Figuren des Lehrers, der Mutter, dem fliegenden Schwein und dem Flugzeug bilden das perfekte Gerüst für ein Konzert der Superlative. Der Kontakt zu den Musikern war während des Konzerts nur sehr spärlich, aber dies war auch sicherlich nicht gewollt. Roger Waters will das Thema der inneren Mauer den Zuschauern näher bringen - und ich denke das ist ihm nicht nur bei mir perfekt gelungen.
Setlist:
In the Flesh?
The Thin Ice
Another Brick in the Wall Part 1
The Happiest Days of Our Lives
Another Brick in the Wall Part 2
The Ballad of Jean Charles de Menezes ("Another Brick in the Wall Part 2" reprise)
Mother
Goodbye Blue Sky
Empty Spaces
What Shall We Do Now?
Young Lust One of My Turns
Don't Leave Me Now
Another Brick in the Wall Part 3
The Last Few Bricks
Goodbye Cruel World
Hey You
Is There Anybody Out There?
Nobody Home
Vera
Bring the Boys Back Home
Comfortably Numb
The Show Must Go On
In the Flesh
Run Like Hell
Waiting for the Worms
Stop
The Trial
Outside the Wall
Stefan Graßl
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