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Uriah Heep sind seit ewigen Zeiten eine feste Größe im Live-Sektor und kommen in regelmäßigen Abständen ins Augsburger Spectrum. Auch heute Abend ist wieder mächtig viel los und ich denke, dass der Laden fast ausverkauft ist. Zahlreiche Rockfans gehobenen Alters tummeln sich im Publikum, die mittlerweile zu großen Teilen wieder ihre eigenen Kinder dabei haben. Eine Vorband gibt es nicht und so legen Uriah Heep pünktlich wie die Maurer um 20:30 Uhr mit einer ohrenbetäubenden Lautstärke los.
„Against The Odds“ bläst einem schier das Hirn aus dem Kopf! Der Sound ist glasklar, aber druckvoll ohne Ende. Sänger Bernie Shaw ist einmal mehr ausgezeichnet bei Stimme und beweist dies bereits beim Opener. Der „Neue“ am Schlagzeug, Russell Gilbrook, verdrischt die Felle in einer Manier, dass einem angst und bange wird. Damit setzt er den Rest der „Altherrentruppe“ mächtig unter Druck. Doch statt klein beizugeben, schlagen die Herrschaften zurück. Selten hab ich die Jungs auf der Bühne so überaus gut gelaunt gesehen. Keyboarder Phil Lanzon grinst während des kompletten Konzerts und gibt mächtig Vollgas. Bassist Trevor Bolder bearbeitet sein Langholz mit der Präzision einer CNC-Fräse und auch ihm entweicht ab und an ein Grinsen, das er sich beim besten Willen nicht verkneifen kann. Bernie Shaw ist während der Show die ganze Zeit auf allerhöchstem Gesangsniveau. Nebenbei peitscht er noch das Publikum sehr erfolgreich an und präsentiert sich sympathisch wie immer. Die graue Eminenz am linken Bühnenrand, das einzige verbliebene Ur-Mitglied Mick Box, versteckt sich wie zuletzt immer häufiger unter einer Sonnenbrille. Dadurch geht die Kommunikation mit dem Publikum im Gegensatz zu früheren Jahren etwas verloren, was ich ziemlich schade finde. Spieltechnisch lässt auch er sich von der „neuen Heep’schen Härte“ mitreißen und haut recht brachial in die Saiten.
Schnörkellos geht es mit dem Song „Overload“ vom Wake the Sleeper-Album weiter. Nach einer kurzen Verschnaufpause kündigt Bernie Shaw den nächsten Song „Traveller In Time“ an. Danach frage ich mich tatsächlich, ob es sich um den gleichnamigen Song auf der LP handelt. Klar, es ist derselbe Song, nur: Die Wucht, die Uriah Heep an den Tag legen, verändert diesen gehörig. Im Prinzip wird der Song von Rock zu Metal. Ganz krass fällt das bei „All My Life“ auf. Hier fügt Russell Gilbrook ein Doublebass-Stück ein das dem Lied einen Arschtritt verpasst, den es fast nicht mehr erträgt. Es ist der gleiche Effekt, wie Thin Lizzy in der Version ohne Phil Lynott mit dem Schlagzeuger Tommy Aldridge hatten: sein Stil passte nie zu Thin Lizzy. Und ich finde, dies ist bei Russell Gilbrook auch der Fall. Er zerknüppelt die Songs, zerdrischt sie förmlich und raubt ihnen jeglichen altmodischen Hippiecharme. Die neuen Songs wie „I’m Ready“ oder das absolut coole „Nail On The Head“ vertragen diese Härte durchaus - bei den alten Klassikern sind sie jedoch meistens fehl am Platz.
„Between Two Worlds“ kommt gigantisch gut rüber. Vor allem die Background-Vocals sind traumwandlerisch sicher und der Song passt auch von der Atmosphäre her. Bei „Gypsy“ läuft Phil Lanzon zur Hochform auf - er darf auch wieder einmal die lange Version präsentieren, was ihm sichtlich gut gefällt. Der Überhit „July Morning“ kommt fett und unüberwindbar wie ein Orkan aus den Boxen und zementiert den Stellenwert der Band im Rock-Bereich dadurch meterhoch. Bei „Lady In Black“ darf das komplette Augsburger Publikum seine Gesangsqualitäten unter Beweis stellen und die abschließende Bewertung von Bernie Shaw fällt sehr gut aus. Als Zugaben kommt einer der härtesten Songs der Band überhaupt: „Free ’n Easy“. Dazu werden fünf Frauen aus dem Publikum aufgefordert, die Bühne zu entern und mit der Band zu moshen. Überraschenderweise lassen sich ziemlich schnell fünf Frauen dazu überreden. Es sieht wirklich sehr cool aus. Uriah Heep spielen locker lässig den Song und in der Mitte der Bühne schütteln die Damen ihr Haupthaar. Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Einerseits finde ich die Aktion ganz witzig, auf der anderen Seite erinnert es mich ein bisschen an die „Hit-Giganten“ oder eine andere austauschbare Sendung bei einem Privatsender.
Zuletzt wird mit „Easy Livin’“ der letzte Rest Ohrenschmalz aus den Gehörgängen des Augsburger Publikums geblasen. Unter frenetischem Applaus endet das kolossale Konzert nach ziemlich genau 85 Minuten und die überaus sympathischen und engagierten Engländer verlassen mit einem megabreiten Grinsen die Bühne des Spektrums. Es ist schön zu sehen, dass Uriah Heep auch nach all den Jahren immer noch so viel Spaß auf der Bühne haben. Die Frischzellenkur, die sie sich mit Russell Gilbrook verpasst haben, tut der Band sichtlich gut. Allerdings kommen die alten Songs dabei für meinen Begriff viel zu brutal rüber und dieses künstliche „auf brutal getrimmte“ ist natürlich wie immer Geschmacksache. Außerdem fehlten noch einige Klassiker wie z. B. „Free Me“ oder vor allem „The Wizard“. Mir hat die Band mit Urvieh Lee Kerslake an den Dampfkesseln einfach um Längen besser gefallen. Was wirklich weh tut: Vor einigen Jahren noch war es bei Konzerten von Uriah Heep eine klare Sache, dass die Band nach dem Konzert für Autogrammjäger und Fans an den Merchandising-Stand gekommen ist und Autogramme gegeben hat. Diese sehr schöne Geste ist mittlerweile Geschichte und marketingspezifischen Gesichtspunkten gewichen. Dies sieht im Einzelnen so aus, dass für ein „Meet & Greet“ mit ein paar Gimmicks satte 80 Euro hingeblättert werden müssen. Ich hoffe nur, dass das keiner zahlt. Auch die Tatsache, unterschriebene CDs für 30 Euro zu verkaufen, finde ich eine Unverschämtheit. Schade, dass der schnöde Mammon auch eine meiner absoluten Lieblingsbands erreicht hat. Aber um es mit den Worten der Band zu sagen: „That’s the way that it is“, leider.
Setliste:
Against the Odds
Overload
Traveller in Time
Sunrise
All My Life
I'm Ready
Between Two Worlds
Stealin'
Nail on the Head
Into the Wild
Gypsy
July Morning
Lady in Black
Free & Easy
Easy Livin'
Stefan Graßl
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