Artikel
Info
Zeit: August 2012
Ort: Berlin - Toronto
Interview: E-Mail
Stil: Progressive
Internet:
http://www.druckfarben.ca
Die kanadischen Druckfarben überraschen auf der ganzen Linie - als Kanadier mit ihrem extrem prosaischen deutschen Namen; mit dem farbenfrohen Albumtitel, der aus einem Bild besteht, das geradezu ein Symbol für die Aufklärung ist und in diversen Geschichts- und Religionsbüchern zu finden ist; und last not least mit ihrem stark an Yes angelehnten Sound.
Kein Wunder, dass Norbert von Fransecky wissen wollte, was hinter all diesen Überraschungen steckt. In Toronto klemmte sich Gitarrist Ed Bernard hinter die Tastatur.
MAS: Für mich sind Druckfarben ein völlig unbeschriebenes Blatt. Viellicht erzählst Du erst einmal etwas über die Geschichte der Band bis heute und die Highlights daraus.
Ed Bernard: Wir haben die Band im März 2008 gegründet und Cover Versionen von Songs all der großartigen Bands gespielt, die wir beim Aufwachsen liebten. Bald darauf begannen wir mit der Arbeit an den Stücken, die schließlich unser erstes Album wurden.
Ed mit Nick D'Virgilio live on stage |
Zu den Highlights gehörte unser Konzert im Vorprogramm von Tony Levin's Stickmen in Toronto. Außerordentlich war es auch mit Nick D'Virgilio von Spock's Beard zusammen zu spielen. Nick ist ein großartiger Kerl und ein phänomenaler Musiker. Auch die Reaktionen auf unser erstes Album waren umwerfend. Sie machten uns in dem Bewusstsein sicher, dass wir hier etwas geschafft haben.
MAS: Als ich von einer Progband namens Druckfarben las, freute ich mich auf eine neue Prog-Band aus meinem Heimatland. Aber dann erfuhr ich, dass Druckfarben aus Kanada kommen. Was habt Ihr Euch dabei gedacht diesen deutschen Namen zu benutzen, der überhaupt nichts mit Rock oder überhaupt mit Musik zu tun hat?
Ed Bernard: Die Geschichte der Herkunft unseres Namens klingt fast wie eine reine Story. Vor etlichen Jahren in den späten 80ern hatten unser Drummer Troy Feener und ich eine Band, mit der wir Stücke von Rush und Yes spielten. Und selbst damals arbeiten wir bereits an eigenem Material. Wir probten in einem uralten Gebäude in der Innenstadt von Toronto. Man hätte das Haus wirklich abreißen sollen, aber jemand hatte ein paar Proberäume eingerichtet und wir waren in einem davon. Immer wenn wir eine Pause gemacht haben, standen wir einfach in der Halle herum und sahen auf diese Fässer mit der Aufschrift „Druckfarben“. Wir machten Witze darüber, was möglicherweise in diesen mysteriösen Fässern sein könnte. Wirklich wissen wollten wir es aber gar nicht, denn die Umgebung und das Haus selber waren mehr als dubios. Ich begann unsere Proberaumbänder mit „Druckfarben“ zu beschriften.
Jahre später finden wir uns dann in dieser Band wieder und hatten uns bei dem Versuch einen Namen zu finden festgefahren. Eher als Witz schlug Troy Druckfarben vor. Ich musste schallend lachen. Alle anderen dachten, wir wären verrückt geworden. Wir haben es dann nicht geschafft einen anderen Namen zu finden, dem wir alle zustimmen konnten. Und Leute, die zu unseren ersten Shows kamen, mochten den Namen, sobald sie sich an seine Aussprache gewöhnt hatten. So wurde es Druckfarben - zum Guten oder Schlechten.
MAS: Würde mich jemand bitten Druckfarben in aller Kürze zu beschreiben, wäre meine Antwort: „Eine Art von Jon Andersons Yes mit einem deutlich geringerem esoterischen Faktor“. Was hältst Du von dieser Beschreibung?
Ed und Sänger Phil Naro |
Ed Bernard: Wir sind mehrfach mit Yes verglichen worden, was wir nur als Kompliment betrachten können. Yes haben ganz offensichtlich größeren Einfluss auf jede Band, die sich entscheidet progressive Musik zu spielen. Die hohe Stimme unseres Sängers Phil Naro ist völlig unangestrengt und klar. Das ist natürlich eine Ähnlichkeit. Ich glaube nicht, dass er unbedingt so wie Jon Anderson klingt. Er hat seine eigene Herangehensweise. Es mag sein, dass wir im Moment nicht so esoterisch sind - mit der Ausnahme von „Sons Of Anakim“! Und ich rechne damit, dass es in der Zukunft mehr Texte in dieser Art geben wird.
MAS: Wer schreibt bei Druckfarben denn die Texte?
Ed Bernard: Ich habe die Texte zu „Sons of Anakim", „Smaller wooden Frog", das locker an eine polynesische Schöpfungsgeschichte anknüpft, und „Nat Nayah" geschrieben. „Dead play awake", „Walk away, Nonchalant" und „Seems so real" stammen von Phil Naro. „Influenza" haben wir gemeinsam geschrieben.
Mit Alex Lifeson im Orbit Room |
MAS: Wenn jemand gleichzeitig die Begriffe “Kanada” und “Prog Rock” benutzt, denkt man sofort an Rush. Gibt es Beziehungen zwischen Druckfarben und Rush?
Ed Bernard: Nein! Ich wünschte, es gäbe sie. Ich bin seit 1976 großer Rush Fan. Ich habe Alex Lifeson ein Mal in The Orbit Room getroffen. Ein toller Typ!
MAS: Ihr habt ein sehr interessantes Bild für das CD-Cover ausgewählt: Ein Symbol für die Aufklärung, den Versuch des Menschen neue geistige Territorien zu entdecken. Warum habt Ihr es gewählt?
Ed Bernard: Ich habe das Bild gefunden als ich bei Google nach dem (griechischen; NvF) Wort „Pleroma“ gesucht habe, das „Fülle“ bedeutet. Ich interessiere mich sehr für antike Texte und religiöse Erzählungen. Insbesondere mag ich die Werke von Dr. Michael Heiser, obwohl es auch andere gibt. Heisers Vorlesungen zur Gnosis brachten mich darauf nach „Pleroma“ zu suchen. Auf unserer Website gibt es eine Abteilung, in der alles erklärt wird, was ich über das Cover-Motiv habe herausfinden können.
MAS: Kennst Du die Prog Band Metaphor aus San Fancisco? Um 2000 herum haben Metaphor ein Konzeptalbum veröffentlicht, das sich mit der Gnosis beschäftigt.
Ed Bernard: Nein, aber das klingt sehr interessant. Ich werde es mir mal anschauen.
MAS: Wer hat das Cover-Bild gemalt? Hattet Ihr Probleme mit dem Copyright? Ich nehme an, das Gemälde hängt in irgendeinem Museum.
Ed Bernard: Der Maler ist unbekannt. Soweit man weiß, wurde es erstmals 1888 in einem Buch namens L'Atmosphère: météorologie populaire von Camille Flammarion publiziert. Ich bin mir sicher, dass das Bild heute keinem Urheberrecht mehr unterliegt.
MAS: Steht die Auswahl des Bildes im Zusammenhang mit einem anti-religiösen Bekenntnis?
Ed Bernard: Nein! Ich kann da nicht für irgendein anderes Bandmitglied sprechen. Aber ich bin Christ. Das Bild springt einem einfach ins Auge. Die Anderen in der Band mochten es auch sofort. Nach den Reaktionen von Fans und Freunden zu urteilen, war es die richtige Wahl. Und wir werden ständig danach gefragt.
MAS: Wer sind die Menschen, die hinter Druckfarben stehen? Ich nehme mal an, Ihr lebt nicht von der Musik alleine?
Ed Bernard: Doch! Wir alle Leben von unserer Arbeit als Musiker, allerdings nicht nur von Druckfarben ... BIS JETZT! Wir hoffen, dass Druckfarben so bald wie möglich für uns alle die hauptsächliche Einnahmequelle sein wird. Will Hare, unser Keyboarder und Bassist Peter Murray spielen beide live. Will bessert sein Einkommen als Lehrer für klassisches Piano auf. Peter ist bei Markbass (italienischer Hersteller von E-Bass-Verstärkern; NvF) mit internationaler Promotion, Marketing und dem Kontakt zu den Künstlern beschäftigt. Ich mache zurzeit recht wenig Live-Auftritte. Ich unterrichte Gitarre, Geige, Banjo und Dobro im Twelfth Fret in Toronto (Gitarrenladen, der 1977 vorwiegend als Reparatur-Betrieb gegründet wurde; NvF) und spiele Sessions hier in meinem Studio.
MAS: Wie geht es mit Euch weiter? Arbeitet Ihr an einem neuen Album und werdet Ihr Euer Material in nicht zu ferner Zukunft auch einmal live in Europa präsentieren?
Besetzung:
Peter Murray (B, Voc)
Phil Naro (Voc)
William Hare (Keys)
Ed Bernard (Git, Violine, Mandoline, Voc)
Das neue Album ist so gut wie fertig geschrieben. Es ist im Moment schwer zu sagen, wann wir es veröffentlichen werden, aber wir sind alle begeistert von den neuen Stücken. Über einige wenige Songs müssen wir noch entscheiden und dann werden wir mit den Aufnahmen beginnen.
MAS: Und was ist mit Gigs in Europa?
Druckfarben mit Nick D'Virgilio (2. von rechts).jpg |
Ed Bernard: Wir denken sehr intensiv über eine Europa Tour im nächsten Sommer nach. Dann werden wir zwei Alben und die Live-DVD draußen haben. Die Logistik dafür ist für eine Band ohne Tour-Support ziemlich abschreckend. Daher versuchen wir einen möglichst effizienten Weg zu finden, um in Europa zu spielen. Wir sind jedenfalls sehr interessiert daran, die Tour zu machen.
MAS: Herzlichen Dank für die Antworten. Gibt es noch etwas, das Du unsern Lesern mitgeben möchtest?
Ed Bernard: Norbert, erst einmal danke ich Dir für das Interesse an der Band und die interessanten Fragen. Es ist wunderbar, dass es eine Prog community gibt und immer noch Menschen diese Art von Musik hören wollen. Wir sind stolz darauf, ein Teil davon zu sein.
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