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Interview: Face 2 Face
Stil: Punk
"We're Hot Water Music from Gainesville, Florida, and I'm fuckin' stoned!"
...und das war er auch. Die Rede ist von Hot Water Music-Sänger Chris Wollard und sein Zustand war das Ergebnis daraus, dass er seit mehr als einer Woche auf der Tour das erste mal wieder was zum Rauchen gefunden hat. Doch kaum hatte er die Begrüßung rausgehauen, grölte sein Gesangskollege Chuck Reagan auch schon "It's a gamble ..." ins Mikro, den markanten Anfang von "Wayfarer", dem absoluten Circle-Pit-Song auf der immer noch aktuellen Scheibe "Caution". Dieses Album ist nun schon seit knapp zwei Jahren draußen, da wird es Zeit, dass die Aufnahmen für den Nachfolger beginnen. Direkt nach der Tour sollten sie das auch.
MAS:
Hey Chris, wie ist die Tour so? Ihr seid ja jetzt schon ewig mit der Platte auf Tour. Wird's langweilig?
Chris:
Nein, auf keinen Fall. Zum einen, weil unsere Songs ja mit der Zeit immer verändert werden, aber auch weil wir so gerade die Möglichkeit haben an jedem Abend circa drei neue Songs auszuprobieren. Das ist wirklich eine gute Sache. Außerdem sind die Shows wirklich fantastisch besucht, da macht es echt viel Spaß. Mit jeder Tour, die wir hier gemacht haben wird es besser.
MAS:
Ihr beginnt ja bald mit den Aufnahmen zum neuen Album. Findet einer von euch, Chris oder Jason (Black, Bassist), Worte, die es beschreiben können. Ich bin mir nämlich sicher, dass es wieder ganz anderes klingen wird als der Vorgänger. Das hat ja bei euch eigentich Tradition.
Jason:
Das ist schwer zu sagen. Wir haben schon etwa 16 Songs oder so, aber was für Songs wir noch schreiben werden weiß ja niemand, und welche wir dann auf das Album packen ist ja auch noch nicht klar.
Chris:
Wenn ich es beschreiben müsste würde ich so was wie "düsterer aber melodischer, härter, viel härter, aber poppiger" oder so ähnlich beschreiben. Meine Gesangslinien sind auf jeden Fall melodischer.
MAS:
Was hört ihr momentan so an. Gibt es bestimmte Einflüsse?
Jason:
Naja, im Prinzip ist ja alles ein Einfluss, nicht nur unbedingt Musik, all die Dinge, die einem passieren und das wird sich dann einfach in der Musik wiederspiegeln.
Chris:
Wir hören eigentlich viel karibische Musik, Reggae und so. Erst letztens haben wir uns alle vorgestellt wie cool es doch wäre in einer Reggae-Band zu spielen. Oder wir hören auch Pop an. So zum Beispiel Justin Timberlake, die Melodien und Beats sind echt geil.
Was ist da los? Welche Band würde es schon wagen zuzugeben, dass sie Justin Timberlake hören? Aber das ist Hot Water Music. Sie haben ja nie gesagt, sie wären eine Punk Band. Eigentlich ist das genau diese Offenheit, die mich begeistert an der Band. Indem man so etwas offen legt zeigt man ja eigentlich erst, dass man wirklich echt ist und macht was man will. Wer jedoch Angst hat, dass Hot Water Music jetzt wie eine Schnittmenge aus Bob Marley und Britney Spears klingen soll entwarnt sein. Es handelt sich mit Reggae und Pop mehr um gedankliche Nuancen und das allgemeine Musikverständnis. "We like music, music in general and not just a particular genre". Zumindest die neuen Songs, die die Amerikaner in Freiburg vorgestellt haben, waren einfach nur der Hammer, voller Energie und wirklich mitreißend. Aber Hot Water Music verstehen es ja sowieso sich selbst zu bleiben. Mich hat die Frage beschäftigt, warum mich der Off-Beat-Ska-Rhythmus in "I Was On A Mountain" nicht an diese Musikrichtung erinnert hat, eine befriedigende Antwort habe ich aber auch im Interview nicht bekommen. Dafür ist die Geschichte zu "Trusty Chords" ganz nett.
MAS:
Wie läuft das, wenn ihr einen so poppigen Song wie "Trusty Chords" spielt und auf das Album nimmt? Wie entsteht der Song und ist es nicht auch mutig ihn auf das Album zu nehmen?
Chris:
Nein, das war alles ganz einfach. Wir wollten keinen Pop-Song schreiben. Das Lied ist aus einem kleinen Teil eines ursprünglich anderen Liedes entstanden. Da uns aber genau der Teil am besten gefallen hat, haben wir einen ganzen Songs daraus gebastelt.
MAS:
Wie gestaltet ihr das Songwriting allgemein? Kommt ihr auf Tour auch dazu zu schreiben?
Jason:
Auf der Tour schreiben wir auch immer, ja.
Chris:
Wir müssen ja auch. Wir könnten es uns eigentlich gar nicht leisten erst Songs zu schreiben, wenn wir wieder daheim sind. Viele der Songs entstehen dann erst mal auf der Akustik-Gitarre.
Jason:
Und da wir ja vier Songwriter in der Band haben ist das dann auch eigentlich gar nicht so das Problem. Für ein Album reicht es theoretisch, wenn jeder vier Songs schreibt. Da aber jeder viel mehr schreibt müssen wir meistens stark zusammenkürzen. Das entstehen der kompletten Songs macht im Proberaum aber immer noch am meisten Spaß.
Chris:
Wenn wir einfach in einem Kreis stehen, kann man den anderen am besten zuhören, das ist sehr effektiv. Hier auf Tour nutzen wir den Soundcheck immer als Probe. Wir schneiden jeden Soundcheck mit und werten ihn dann gegebenenfalls aus.
MAS:
Unterteilt ihr Songwriting eigentlich in HWM und eure Nebenprojekte?
Jason:
Eigentlich nicht, man schreibt einen Songs und was bei Hot Water Music durchfällt fließt dann in die Nebenprojekte.
Es ist schon recht hart, die Nebenprojekte als HWM-Abfallprodukte zu denunzieren. Hört man da Rumbleseat, das Akustik-Projekt der beiden Frontmänner, kann man das aber auch fast nicht glauben.
MAS:
Wer textet bei euch? Ich finde eure literarisches Niveau ziemlich hoch.
Chris:
Das sind mittlerweile nur noch Chuck und ich. Früher haben die anderen auch mal getextet, aber jetzt hat es sich auf uns beide reduziert.
MAS:
Keine Lust mehr zu texten, Jason?
Jason:
Nein, das ist einfach nicht unbedingt meine Stärke.
Chris:
Und weniger Einfluss haben die "Nicht-Texter" deshalb auch nicht. Wenn sie etwas scheiße finden sagen sie das auch einfach und damit hat sich es dann mit dem Text auch erledigt.
MAS:
Ihr verwendet oft einen Hakenstil in den Texten. Es handelt sich eigentlich immer um durchgehende Prosa.
Chris:
Ja, das ist mir wichtig. Ich mag es, wenn ich einen Text einfach im kompletten lesen kann. Zum Beispiel Reime verabscheue ich. (singt) "Now I am sitting in the rain ... drinking a glass of champagne" Das ist doch Quatsch.
Als Vorband war übrigens Christiansen dabei. Diese haben es nach einiger Zeit jetzt endlich geschafft ein wenig mehr Aufmerksamkeit abzubekommen. Zum Beispiel wurde "Stylish Nihilists" doch sogar Visions-Platte des Monats. Aus den Ecken säuselt es dann immer ganz leise und monoton "Hype". Nun aber weg von äußeren Umständen und hin zur Band. Christiansen sind eine sehr, sehr gute Band. Vor allem rhythmisch. Der Drummer spielt nicht mit Armen und Beinen sondern mit dem ganzen Körper ein extrem präzises und extravagant kreatives Schlagzeug. Manchmal scheint der Ausspruch "Rhythmus im Blut" doch angebracht, auch wenn er beschissen klingt.
MAS:
Angelt ihr euch eure Vorbands selbst oder geht das alles über die Booking Agentur?
Chris:
Das ging von Green Hell aus. Die haben uns gefragt, ob wir Christiansen denn nicht mit auf Tour nehmen wollten und als wir uns dann mit der Musik auseinandergesetzt haben waren wir da natürlich voll dafür. Wir haben die Musik vorher zwar gekannt, aber die Jungs persönlich nicht.
MAS:
Kommt ihr mit ihnen klar?
Jason:
Ja, prächtig. Das sind tolle Freunde. Aber eigentlich hatten wir auch noch nie Probleme mit Vorbands oder Bands, die wir supportet haben.
Chris:
Viele der Bands waren auch einfach Freunde oder wir haben uns vorher schon gekannt. Zum Beispiel Avail, Sick Of It All, Leatherface usw.
Nachdem das Interview eigentlich schon vorbei war komme ich noch mit Chris in ein längeres Gespräch über Kunst. Er hat früher noch gemalt und auch geschrieben.
Chris:
Wenn es um Kunst geht, geht es darum sich komplett nackt zu machen. Sich selbst zu sein, so nah an sich dran wie möglich, sonst hat das keinen Wert.
MAS:
Man macht sich dadurch eben immer verletzlich, aber das ist die Voraussetzung.
Chris:
Das sehe ich genauso. Es ist deshalb auch hart jemandem die ehrliche Meinung zu sagen. Viele Menschen geben mir CD's von ihnen, in die ich reinhören soll. Wenn ich dann aber nicht ehrlich bin tue ich ihm keinen Gefallen. Ich frage die Leute dann, ob sie es wirklich wollen.
Vor schlechter Kritik müssen Hot Water Music allerdings keine Angst haben. Ich bin mir sicher, dass auch das nächste Album gefeiert werden wird.
Kevin Kirchenbauer
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